Dr. Bert Flossbach
Ausblick aufs Börsenjahr 2023: Wie gefährlich wird die Inflation?
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Die Notenbanken kämpfen mit Zinserhöhungen gegen die Inflation. Doch sollte das nicht funktionieren, schwindet das Vertrauen der Menschen in den Wert des Geldes. Anleger benötigen daher vor allem zwei Dinge: Geduld und eine ordentliche Portion „Schwankungstoleranz“, erklärt Dr. Bert Flossbach im Gastbeitrag.
Köln – Die großen Notenbanken, allen voran die US Federal Reserve (Fed), haben den Kampf gegen die Inflation aufgenommen und zuletzt ihre Leitzinsen angehoben – zum Teil deutlich. Ob sie den Kampf gewinnen werden, ist aber keineswegs sicher.
Sollten die langfristigen Inflationserwartungen der Menschen und damit auch die Lohnabschlüsse moderat bleiben, sieht es gar nicht so schlecht aus. Aber was ist, wenn die Inflation noch bis weit ins nächste Jahr hoch bleibt, möglicherweise sogar sehr hoch? Weil die Regierungen immer umfangreichere Hilfspakete verabschieden, um die Folgen der Inflation für die Menschen zu lindern, aber damit den Kampf der Notenbanken gegen die Inflation konterkarieren. Das zusätzliche, von den Regierungen spendierte Geld wirkt schließlich inflationstreibend.
Inflation: Stumpfe Schwerter
Kritisch würde es vor allem dann werden, wenn durch die höheren Zinsen immer größere Schäden entstünden, weil Kredite – im Vergleich zu den vergangenen Jahren – deutlich teurer geworden sind und die Schuldner überfordern; Schäden auf den Immobilienmärkten und damit auch in den Bankbilanzen und möglicherweise an der Statik des Finanzsystems.
Stimme der Ökonomen
Klimawandel, Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg: Wohl selten zuvor war das Interesse an Wirtschaft so groß wie jetzt. Das gilt für aktuelle Nachrichten, aber auch für ganz grundsätzliche Fragen: Wie passen die milliarden-schweren Corona-Hilfen und die Schuldenbremse zusammen? Was können wir gegen die Klimakrise tun, ohne unsere Wettbewerbsfähigkeit aufs Spiel zu setzen? Wie sichern wir unsere Rente? Und wie erwirtschaften wir den Wohlstand von morgen?
In unserer neuen Reihe Stimme der Ökonomen liefern Deutschlands führende Wirtschaftswissenschaftler in Gastbeiträgen Einschätzungen, Einblicke und Studien-Ergebnisse zu den wichtigsten Themen der Wirtschaft – tiefgründig, kompetent und meinungsstark.
Wenn die Menschen merken, dass die Notenbanken in letzter Konsequenz möglicherweise gar nicht so können, wie sie vielleicht wollen würden, ihre Schwerter im Kampf gegen die Inflation eher stumpf als scharf sind, dann wird auch das Vertrauen der Menschen in den Wert des Geldes leiden.
Die Schwäche des britischen Pfunds, aber auch die des Yen und des Euro spiegeln bereits einen beginnenden Glaubwürdigkeitsverlust wider. Während die Notenbank in Großbritannien gegen eine schuldenfinanzierte, sehr expansive Fiskalpolitik kämpft und die japanische gegen eine aus dem Ruder gelaufene Verschuldung, hängt die Europäische Zentralbank an ihrem eigenen Versprechen, den Euro zusammenzuhalten – „whatever it takes“, was immer es auch kosten möge.
US-Notenbank prescht voran
Die US-Notenbank hat dagegen mehr Möglichkeiten, die Inflation zu bekämpfen. Sie hat die Zinsen bereits mehrfach und deutlich angehoben; und die Wirtschaft ist noch immer in guter Verfassung. Aber: Je stärker der US-Dollar langfristig, umso mehr wird er zu einer Belastung für die US-Wirtschaft und für die überwiegend in Dollar verschuldeten Schwellenländer. Deshalb muss auch die Fed darauf achten, im Kampf gegen die Inflation nicht zu überdrehen.
Denn falls sie es täte, wäre der Job zwar erledigt, wie Fed-Chef Jerome Powell angekündigt hat, sprich die Operation gelungen – nur würde sie der Patient vermutlich nicht überleben. Insofern ist auch der Spielraum der US-Notenbank begrenzt. Und damit geht es auch für sie letztlich um die eigene Glaubwürdigkeit.
Hoher Aktien-Anteil
Aus Anlegersicht ist in diesem Umfeld eine intelligente globale Diversifikation mit einem hohen Anteil an Sachwerten, allen voran Aktien guter Unternehmen, die beste Strategie, um Risiken zu begrenzen und Chancen zu wahren. In unserem größten vermögensverwaltenden Fonds etwa beträgt der Aktienanteil derzeit rund 67 Prozent. Den Anleiheanteil haben wir zuletzt angehoben, von null auf mehr als vier Prozent. Die Cash-Reserve macht rund zwölf Prozent aus. Sie verschafft uns die Flexibilität, Anlagegelegenheiten wahrnehmen zu können.
Ob das Gröbste an den Börsen bereits ausgestanden ist, vermag jedoch niemand zu sagen. Insofern brauchen Anleger Geduld und eine ordentliche Portion „Schwankungstoleranz“ – anders geht es leider nicht.
Wenn das Vertrauen der Menschen in Papierwährungen verloren gehen sollte, dann ist Gold gefragt, wie so oft in der Geschichte, die Währung der letzten Instanz.
Gold wirkt wie eine Feuerversicherung gegen die Risiken des Finanz- und Geldsystems. Eine Versicherung, die man eigentlich niemals in Anspruch nehmen möchte, aber sehr froh ist, sie irgendwann abgeschlossen zu haben. Gold sollte deshalb, wie wir finden, fester Bestandteil einer Anlagestrategie sein. Sein Anteil im Fonds beträgt derzeit mehr als 15 Prozent.
Für den Fall der Fälle.
Zum Autor: Dr. Bert Flossbach ist Gründer und Vorstand der Flossbach von Storch AG in Köln.