Baerbock droht Russland mit Nord-Stream-2-Stopp – und gibt Einblick in Gespräche mit Putins Minister
Die Ukraine-Krise treibt Außenministerin Baerbock um wie kein anderer Konflikt. Ihrer Haltung im Umgang mit Russland bleibt sie treu – und verteidigt den Kurs der Ampel.
Berlin – Kein anderes Thema begleitet Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) seit ihrem Amtsantritt so auf Schritt und Tritt wie die Ukraine-Krise. Kein weltweiter Konflikt zerrt vergleichbar an der neuen Ampel-Regierung wie das russische Säbelgerassel an der ukrainischen Grenze.
Besonders nah ist Berlin das Thema Ukraine-Krise aber auch wegen Nord Stream 2: Während Bundeskanzler Olaf Scholz* (SPD) bei der umstrittenen Ostsee-Pipeline noch von „privatwirtschaftlichen Interessen“ sprach, legte Baerbock bereits die Gas-Röhren mit auf den Verhandlungstisch. „Seit meinem Amtsantritt habe ich über kein anderes Land so viel gesprochen wie über die Sicherheit der Ukraine“, gab die Grünen-Politikerin kürzlich selbst zu.
Ukraine-Krise: Baerbock droht mit Nord-Stream-2-Stopp und verteidigt Kurs – „Wer redet, der schießt nicht“
Am Freitag (28. Januar) legte sie mit neuen Ein- und Ausblicken nach: Nach Ansicht Baerbocks steht ein Nato-Beitritt der Ukraine derzeit nicht zur Debatte. „Dass das derzeit nicht auf der Tagesordnung steht, weiß jeder, auch Russland“, sagte Baerbock* den Zeitungen der Funke-Mediengruppe und der französischen Zeitung Ouest-France. „In Moskau habe ich deshalb mit dem russischen Außenminister lange darüber diskutiert, worüber wir eigentlich streiten“, fügte sie mit Blick auf ihren Besuch bei Lawrow hinzu. „Ich habe erklärt, dass für mich das internationale Recht und die gemeinsam getroffenen Vereinbarungen gelten, und die besagen: gemeinsame Sicherheit bei freier Bündniswahl.“ Sie habe aber auch deutlich gemacht, „dass wir gerne jeden Satz der verschiedenen europäischen Verträge noch einmal durchgehen können“.
Wer redet, der schießt nicht.
In einer Bundestagsdebatte am Donnerstag, 28. Januar, verteidigte Baerbock den Kurs der Ampel-Regierung entschieden gegen Kritik – besonders seitens der Union und des designierten CDU-Chefs Friedrich Merz. Häme gab es am Tag zuvor, als bekannt wurde, dass Deutschland 5000 militärische Helme an die Ukraine* liefern werde – Verteidigungsministerin Christine Lambrecht nannte dies ein „starkes Zeichen“. Gleichwohl: Baerbock setzt weiterhin auf ihr politisches Mantra Dialog und Härte. „Wer redet, der schießt nicht“, machte sie im Bundestag deutlich.

Es gebe eine enge Abstimmung mit EU- und NATO-Partnern, betonte Baerbock in der Debatte. Ein militärisches Vorgehen gegen die Ukraine würde „massive Konsequenzen“ für Russland mit sich ziehen. Zur Bandbreite an Möglichkeiten gehörten auch Konsequenzen für Nord Stream 2. Deutlich machte die Ministerin, dass sie auf eine andere Form der „Waffe“ setzt: Einigkeit der Partner im Umgang mit der Ukraine-Krise und dem Kreml. „Deutschland, und das braucht man gar nicht so wegzuwischen“ – ein indirekter Verweis an die Forderung, das geltende Waffenexportverbot aufzuheben – „Deutschland unterstützt die Ukraine auch militärisch“, sagte Baerbock. Dabei ging sie auf die zuvor belächelten Schutzhelme ein. Diese seien ein Wunsch der Ukraine gewesen.
Ukraine-Krise: Merz geht Bundeskanzler Scholz an – Baerbock kritisiert „markige Sprüche“
Es sei richtig, „in schwierigen Situationen sein Handeln immer auch selbstkritisch zu reflektieren“, so Baerbock, jedoch dürfe man nicht „Türen für Deeskalation verschließen, die sich gerade in diesem Moment so zaghaft wieder öffnen“, sagte sie mit Blick auf das erstmals wieder abgehaltene Normandie-Format zwischen Russland, der Ukraine, Frankreich und Deutschland*.
Kritikführer war an jenem Tag der neue CDU-Chef Friedrich Merz. Vor allem der mit Statements zur Ukraine zurückhaltende Kanzler Olaf Scholz geriet ins Kreuzfeuer. „Sie führen nicht, weder in Deutschland noch in Europa“, warf Merz ihm vor. Als Verteidigerin des Bundeskanzlers agierte auch hier Annalena Baerbock und schmetterte den Ball entschieden zurück: „Wir erleben eine Zeit, in der markige Sprüche gut klingen, aber Steilvorlagen für heftigste Konsequenzen sein könnten.“
Baerbock: Mit Russland über Streitgrund im Ukraine-Konflikt diskutiert – Botschaftspersonal bleibt in Kiew
Im Gegensatz zu den USA und Großbritannien will Deutschland sein Botschaftspersonal in der ukrainischen Hauptstadt Kiew derzeit nicht zurückfahren. „Wie unsere EU-Partner haben wir derzeit entschieden, das Botschaftspersonal in Kiew nicht zu reduzieren“, sagte Baerbock weiter. Sollten Familienangehörige von Botschaftsmitarbeitern freiwillig ausreisen wollen, könnten sie dies jedoch auf Kosten des Auswärtigen Amtes tun. Gerade jetzt sei es wichtig, die Ukraine nicht zu destabilisieren, betonte Baerbock.
„Wenn wirtschaftliche Akteure das Gefühl haben, die Lage in der Ukraine sei insgesamt unsicher oder instabil, wird die Bereitschaft zu Investitionen sinken.“ Das würde dem russischen Präsidenten Wladimir Putin „in die Karten spielen“, betonte die Ministerin. „Deshalb war meine Botschaft in Kiew: Wir wollen die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit der Ukraine ausbauen. Beispielweise durch Energie-Partnerschaften, etwa im Bereich des ‚grünen Wasserstoffs‘.“ (aka mit dpa) *Merkur.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.