Scholz greift in Ukraine-Konflikt ein: Merz „fassungslos“ - er sieht „Besuch eines Bittstellers“

Kanzler Scholz droht Russland vor der USA-Reise im Falle eines Angriffs auf die Ukraine mit harten Konsequenzen. Für CDU-Chef Merz kommt das Treffen mit Joe Biden viel zu spät.
Berlin - Bundeskanzler Olaf Scholz* (SPD*) reist am Sonntag (6. Februar) zu seinem Antrittsbesuch in die USA. Dieser dürfte ganz im Zeichen der Ukraine-Krise stehen. Russland hat westlichen Angaben zufolge mehr als 100.000 Soldaten samt schwerem Gerät an der ukrainischen Grenze zusammengezogen. Der Westen befürchtet einen russischen Angriff auf das Nachbarland. Russland dagegen weist die Vorwürfe zurück und gibt an, sich von der Nato bedroht zu fühlen.
Antrittsbesuch von Scholz in Washington: Partner haben Zweifel an der Bündnistreue Deutschlands
Am Montag ist ein Treffen von Scholz mit US-Präsident Joe Biden* im Weißen Haus geplant. Der hatte nach seinem Amtsantritt vor gut einem Jahr einen Neuanfang in den deutsch-amerikanischen Beziehungen nach vier schwierigen Jahren unter seinem Vorgänger Donald Trump* beschworen. In der Ukraine-Krise werden allerdings in den USA* Zweifel laut, ob man im Ernstfall auf Deutschland zählen kann.
Dem Kanzler war in den vergangenen Wochen von osteuropäischen Nato-Partnern aber auch aus den USA vorgeworfen worden, Russland in der Ukraine-Krise* zu wenig unter Druck zu setzen. Erst nach langem Zögern legte er die umstrittene Gas-Pipeline Nord Stream 2 als mögliches Sanktionsinstrument auf den Tisch. Gleichzeitig erteilte Scholz Waffenlieferungen an die Ukraine eine klare Absage*.
Antrittsbesuch von Scholz in Washington: Kanzler droht Russland mit harten Konsequenzen
Scholz versucht die Kritik an seiner Ukraine-Politik zu entkräften, vor seiner USA-Reise wies er auf den Austausch Deutschlands mit wichtigen Partnern hin. „Die enge Abstimmung unter den europäischen Partnern und mit den USA ist sehr wichtig“, sagte er der Bild am Sonntag. „Das Ziel ist, eine einheitliche und geschlossene Botschaft in Richtung des Kreml zu transportieren: Eine Verletzung der Souveränität der Ukraine und der territorialen Integrität wird harte Konsequenzen für Russland* mit sich bringen - politisch, wirtschaftlich und geostrategisch. Darin sind sich alle europäischen Verbündeten einig.“
Nach Informationen der Bild am Sonntag hat Scholz bereits am Freitag mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron* und dem britischen Premier Boris Johnson telefoniert. Macron, der am Samstag mit Johnson telefonierte, ist am Montag bei Kremlchef Wladimir Putin*. Macron und der polnische Präsident Andrzej Duda wollen danach zu einem Gespräch über die Krise nach Berlin kommen. Scholz wird in der Woche danach im Kreml und in der Ukraine erwartet.
Antrittsbesuch von Scholz in Washington: Für CDU-Chef Merz kommt die Reise zu spät
Nach Ansicht von Friedrich Merz hätte Scholz schon früher in die USA reisen sollen. „Diese Reise kommt zu spät. Sie wäre schon vor Wochen notwendig gewesen und dann mit einer klaren Botschaft der wichtigsten europäischen Staaten im Gepäck“, sagte CDU*-Chef der Bild am Sonntag. Jetzt wirke die Reise „wie der Besuch eines Bittstellers, der aus einer selbst verschuldeten Situation nicht mehr herauskommt und deshalb den großen Bruder in Washington um Hilfe bitten muss“.
„Deutschland gefällt sich unter ihm als Kanzler offenbar in seiner Rolle als Außenseiter, als Nein-Sager und Verhinderer einer europäischen Strategie“, kritisierte Merz. Die „Sprachlosigkeit“ des Kanzlers mache ihn „fassungslos“. „Mitten in der größten Bedrohung von Frieden und Freiheit in Europa ist der Kanzler weitgehend abgetaucht. Das hätten alle seine Vorgänger anders gemacht.“

Antrittsbesuch von Scholz in Washington: Sicherheitsexperte Ischinger verteidigt Kanzler
Er sei erstaunt, „wie schlecht diese Regierung Tritt fasst“, so Merz weiter. Olaf Scholz liefere weder Führung noch habe er zu den kritischen Themen eine klare Meinung. Merz sprach sich zudem für europäische Waffenlieferungen an die Ukraine* aus.
Der Sicherheitsexperte Wolfgang Ischinger* dagegen verteidigte Scholz. „Ich finde es sehr gut, dass Bundeskanzler Scholz jetzt plötzlich zu einem diplomatischen Sprint ansetzt und innerhalb von zehn Tagen das Terrain durch persönliche Gespräche tatsächlich mal genau absteckt“, sagte der Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz der dpa. *Merkur.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA