„Als würden wir nur Helme liefern“
Scholz sieht Putin „Fehler an Fehler“ reihen – reagiert aber genervt auf Panzer-Frage
Olaf Scholz muss coronabedingt Termine absagen. In einem Interview erklärt er aber den deutschen Ukraine-Kurs – eine Frage reizt ihn dabei offenbar.
Berlin/Osnabrück – Olaf Scholz fällt mit einer Corona-Infektion für den Entlastungsgipfel mit den deutschen Ministerpräsidenten aus – in einem Videointerview hat der Kanzler aber dennoch Russland vor einem Atomschlag gewarnt. Auf die Frage, ob Wladimir Putin seine Drohungen wahr machen könnte, sagte der Kanzler der Neuen Osnabrücker Zeitung (NOZ) vom Mittwoch: „Wer weiß das schon? Wie US-Präsident Joe Biden will ich aber ganz klar in Richtung Russland sagen: Lasst es bleiben!“
Eine Ausweitung der militärischen Unterstützung für die Ukraine angesichts drohender russischer Annexionen versprach Scholz dabei explizit nicht. Er zeigte sich genervt von wiederkehrenden Forderungen nach deutschen Kampf- und Schützenpanzern für Kiew: In der Debatte werde „völlig ausgeblendet, dass wir mit unserem Ringtausch auch die Lieferung von mehr als 100 Kampf- und Schützenpanzern an die Ukraine ermöglichen“, sagte der Kanzler.
Ukraine-Krieg: Scholz genervt von Kampfpanzer-Forderungen – „als würden wir nur Helme liefern“
Partner wie Tschechien und die Slowakei, Rumänien und Griechenland gäben Panzer aus osteuropäischer Produktion an die Ukraine ab. Dieses Gerät sei sofort einsatzfähig, weil Logistik, Munition, Ersatzteile und das nötige Know-how vorhanden seien. „Im Gegenzug füllen wir die Bestände unserer Partner nach und nach mit westlichem Gerät auf“, erläuterte Scholz. Er wundere sich daher, „dass manch Kritiker so tut, als würden wir nur Helme liefern“.
Auch die bereits gelieferten Panzerhaubitzen, Mehrfach-Raketenwerfer und Flak-Panzer vom Typ Gepard leisteten schon „einen ganz wichtigen Beitrag für die Erfolge der ukrainischen Streitkräfte im Osten des Landes“. „Wir werden das Ergebnis dieser Schein-Referenden nicht akzeptieren und die Ukraine mit unverminderter Kraft weiter unterstützen“, betonte Scholz zugleich. Auch in einem Interview mit einer US-Journalistin hatte Scholz zuletzt gereizt auf entsprechende Fragen reagiert.
Scholz erklärt Russland-Kurs: Ukraine unterstützen und Konflikt mit Nato-Beteiligung vermeiden
Zur Frage eigener Kampfpanzer-Lieferungen sagte der Kanzler nun: „Die Haltung der Bundesregierung ist eindeutig: Keine Alleingänge; und das wird auch so bleiben.“ Allerdings sei die Situation in der Ukraine „sehr dynamisch, und wir bewerten die Lage immer wieder neu“. Sein „klarer Kurs“ aber bleibe: „Deutschland unterstützt die Ukraine nach Kräften und tut gleichzeitig alles, um einen direkten Konflikt zwischen Nato und Russland zu verhindern.“ Das sei die Grundlage aller Beschlüsse. Und „das entspricht auch dem Willen der ganz überwiegenden Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger“, so Scholz.
Die von Russlands Präsident Wladimir Putin verkündete Teilmobilmachung der russischen Streitkräfte nannte Scholz in dem Interview einen „Akt der Verzweiflung und eine etwas panische Reaktion auf die Misserfolge der russischen Streitkräfte in der Ostukraine“. Das sorge für erhebliche Unruhe in Russland. „Putin reiht Fehler an Fehler“, unterstrich der Kanzler. Der russische Präsident „könne diesen Krieg sofort beenden, indem er seine Truppen zurückzieht und danach auf Gespräche mit Kiew setzt“.
Der Ukraine-Krieg in Bildern – Zerstörung, Widerstand und Hoffnung




Scholz an Corona erkrankt: Kanzler bleibt im Amtssitz – und gibt Fingerzeig für die MPK
Auch einen Fingerzeig für die Landeschefs hatte Scholz vor dem kanzlerlosen Gipfel parat. Forderungen nach verschiedenen Strompreiszonen in Deutschland erteilte er eine Absage. In diesem Szenario seien „einige Regionen in Deutschland schlechter gestellt als andere. Das überzeugt mich nicht“, erklärte er. Mehrere Nord-Bundesländer hatten diese Option auf den Tisch gebracht – unter anderem Niedersachsen, dort wird im Oktober gewählt.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte sich massiv gegen mögliche Nachteile gewehrt. „Wir zahlen circa zehn Prozent der norddeutschen Haushalte“, sagte der CSU-Chef am Wochenende unter Verweis auf den Länderfinanzausgleich. Söder kassierte nun aber auch einen Seitenhieb Scholz‘: „Wir wären in einer günstigeren Situation, wenn der Bau von Stromleitungen in den Süden nicht durch erhebliche Widerstände aus dem Süden verzögert worden wäre“, sagte der Kanzler.
Scholz kündigte unterdessen in dem NOZ-Interview an, seine gesamte Corona-Isolationszeit im Kanzleramt verbringen zu wollen. Die kleine Wohnung dort „biete sich an, weil ich von hier aus meiner Arbeit gut nachgehen kann“, erklärte der Kanzler, der normalerweise in Potsdam lebt. Hunderttausende Bürgerinnen und Bürger hätten in den vergangenen zweieinhalb Jahren in Quarantäne oder Isolation verbracht, da müsse er nun kein Aufheben darum machen, sagte Scholz. Auf ärztlichen Rat nehme er aber das Medikament Paxlovid ein. (AFP/fn)