Eskalation im Russland-Ukraine-Konflikt: Was in der Nacht geschah - und wie es jetzt weitergeht
Am Montagabend erkannte Russlands Präsident Wladimir Putin die selbst ernannten Volksrepubliken Luhansk und Donezk an. Kurz darauf entsendete er wohl Truppen in den Osten der Ukraine.
Kiew/Moskau - Der Russland-Ukraine-Konflikt* ist am Montagabend weiter eskaliert. Allen Warnungen des Westens zum Trotz hat der russische Präsident Wladimir Putin die Entsendung von Truppen in den umkämpften Osten der Ukraine befohlen. Die Einheiten sollen in den selbst ernannten Volksrepubliken Luhansk und Donezk für „Frieden“ sorgen. So heißt es in dem Dekret, das der Kremlchef am Montagabend in Moskau unterzeichnete. In einer historischen Fernsehansprache machte der russische Präsident dem Westen und der Ukraine wüste Vorwürfe.
Russland-Ukraine-Konflikt: Selenskyj erwartet „klare Schritte der Unterstützung“
Zugleich erkannte Putin* die beiden von prorussischen Separatisten kontrollierten Gebiete Luhansk und Donezk, die völkerrechtlich zur Ukraine gehören, als unabhängige Staaten an. Wann die russischen Soldaten dort einrücken, blieb zunächst unklar. Allerdings gibt es bereits erste Berichte über Sichtungen russischer Militärfahrzeuge in den Gebieten. Die USA und die EU protestierten und kündigten Strafmaßnahmen an. In der Nacht traf sich der UN-Sicherheitsrat zu einer Dringlichkeitssitzung zum Ukraine-Konflikt in New York.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj reagierte auf die russische Anerkennung der „Volksrepubliken“ zurückhaltend. „Wir sind dem friedlichen und diplomatischen Weg treu und werden nur auf diesem gehen“, sagte er. Auf Provokationen werde Kiew nicht reagieren – allerdings auch kein Territorium aufgeben. „Wir erwarten von unseren Partnern klare und wirkungsvolle Schritte der Unterstützung“, erklärte Selenskyj weiter.
Scholz, Biden und Macron einig – Baerbock verurteilt „eklatanten Bruch des Völkerrechts“
Die US-Regierung geht davon aus, dass Russland schon bald Truppen in den umkämpften Osten der Ukraine schicken wird. Russland könnte „heute Nacht oder morgen oder in den kommenden Tagen“ handeln, sagte der stellvertretende nationale Sicherheitsberater Jon Finer dem Sender CNN. Die amerikanische UN-Botschafterin Linda Thomas-Greenfield erklärte, der Entsendungsbefehl russischer Truppen sei der erste Schritt zum vollständigen Einmarsch. „Darüber hinaus ist dieser Schritt von Präsident Putin eindeutig die Grundlage für den Versuch Russlands, einen Vorwand für eine weitere Invasion der Ukraine zu schaffen.“
Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz*, US-Präsident Joe Biden* und der französische Präsident Emmanuel Macron* telefonierten am Montagabend zur Ukraine-Krise* und waren sich einig, dass dieser Schritt Russlands nicht unbeantwortet bleiben werde. „Die Partner waren sich einig, nicht nachzulassen in ihrem Einsatz für die territoriale Integrität und Souveränität der Ukraine.“ Außenministerin Annalena Baerbock* verurteilte die Anerkennung der Separatisten-Regionen durch Russland als „eklatanten Bruch des Völkerrechts“.
Russland-Ukraine-Konflikt: EU und US-Regierung kündigen Sanktionen an
Die EU reagiert auf die Entscheidungen Russlands mit Sanktionen, wie EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Ratspräsident Charles Michel erklärten. Die Strafmaßnahmen sollen diejenigen treffen, die daran beteiligt sind. Der offizielle Beschluss über die Sanktionen soll bereits an diesem Dienstag auf den Weg gebracht werden. Wie die derzeitige französische EU-Ratspräsidentschaft ankündigte, wird es dazu am Vormittag um 9.30 Uhr ein Treffen der ständigen Vertreter der EU-Staaten in Brüssel geben.
Auch die US-Regierung will an diesem Dienstag neue Maßnahmen gegen Russland ankündigen. US-Präsident Biden unterzeichnete eine Exekutivanordnung mit Sanktionen. Diese sollen neue Investitionen, Handel und Finanzierung durch US-Personen in Donezk und Luhansk verbieten. Biden bekräftigte, dass die USA im Gleichschritt mit ihren Verbündeten und Partnern „rasch und entschlossen“ auf eine weitere russische Aggression reagieren würden.
Eskalation im Russland-Ukraine-Konflikt: Kritik an Russland von allen Seiten
Der britische Premierminister Boris Johnson prangerte den Schritt Putins ebenfalls als „offenen Bruch internationalen Rechts“ an und sprach von einer „schamlosen Verletzung der Souveränität und Integrität der Ukraine“. Litauens Staatspräsident Gitanas Nauseda erklärte: „Was wir heute Abend erlebt haben, mag für die demokratische Welt surreal erscheinen. Aber die Art und Weise, wie wir darauf reagieren, wird uns für die nachfolgenden Generationen definieren“.
Die Vereinten Nationen kritisierten, der Entsendungsbefehl sei ein Verstoß gegen die UN-Charta. „Wir bedauern auch den Befehl, russische Truppen in der Ostukraine zu stationieren, Berichten zufolge im Rahmen einer Friedensmission“, sagte die UN-Beauftragte für politische Angelegenheiten, Rosemary DiCarlo, bei der UN-Dringlichkeitssitzung. „Die nächsten Stunden und Tage werden entscheidend sein. Das Risiko eines größeren Konflikts ist real und muss um jeden Preis verhindert werden.“ (ph mit dpa) *Merkur.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA