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Butscha: „Gewalttätige Spezialeinheit“ des FSB rückte wohl nach - dann warnten selbst Russen die Bevölkerung

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Menschen gehen an zerstörten russischen Panzern vorbei. Die USA verhängen angesichts des Kriegs in der Ukraine und der Gräueltaten im Kiewer Vorort Butscha neue Sanktionen gegen Russland.
Menschen gehen an zerstörten russischen Panzern vorbei. Die USA verhängen angesichts des Kriegs in der Ukraine und der Gräueltaten im Kiewer Vorort Butscha neue Sanktionen gegen Russland. © Felipe Dana/dpa

Die Bilder aus Butscha zeigen eine neue Dimension der Grausamkeit im Ukraine-Krieg. Nun gibt es neue Details.

Update vom 7. April, 09.44 Uhr: Nach Angaben einer Einwohnerin von Butscha nahm die Gewalt der russischen Soldaten erst nach einigen Wochen ernsthaft zu. Die Stadt war demnach bereits seit einigen Wochen besetzt, als ältere und „rauere“ Soldaten des russischen Geheimdienstes FSB* in die Stadt gekommen seien, berichtet sie gegenüber fr.de*. Die Männer seien im Gegensatz zu den „normalen“ russischen Soldaten über 40 Jahre gewesen und hätten auch andere Uniformen getragen. Erst mit diesen habe die Gewalt ernsthaft zugenommen, heißt es hier weiter. Russische Soldaten hätten der Familie zuvor Essen gegeben und dabei berichtet, dass die später eingetroffenen Soldaten sehr „gewalttätige Spezialeinheiten“ seien und hätten selbst vor diesen gewarnt.

Butscha-Massaker in der Ukraine - Russen hinterließen wohl Granaten in Wohnungen

Update vom 6. April, 11.40: Russische Truppen haben offenbar in Wohnungen in Butscha Granaten hinterlassen. Das teilte der ukrainische Innenminister Denys Monastyrsky mit. Diese seien vor allem dann platziert worden, wenn in den Wohnungen ukrainische Symbole oder Dokumente eines ukrainischen Soldaten gefunden worden seien.

Update vom 6. April, 9.04 Uhr: Der für das Massaker in Butscha (siehe Erstmeldung) verantwortliche Kommandeur ist angeblich identifiziert worden. Das berichte die Webseite Informnapalm.org. Sie wurde 2014 nach der Krim-Annexion von ukrainischen Freiwilligen gegründet. Der Sender n-tv machte zuerst auf die News aufmerksam.

Demnach handelt es sich um den Kommandanten von Einheit 51460 der 64. Motorschützenbrigade, was sich mit früheren Berichten über die Aufenthaltszeit von bestimmten Brigaden in Butscha decke. Über Twitter und Telegram habe Informnapalm.org das mitgeteilt. Das Projekt sei mithilfe frei im Internet verfügbarer Satellitenbildern zu der Erkenntnis gekommen.

Laut n-tv hat es auch seinen Namen, seine Anschrift, E-Mail-Adresse sowie Telefonnummer im Internet veröffentlicht. Das deckt sich mit Informationen der Bild. Sie berichtet an diesem Mittwoch, dass das ukrainische Verteidigungsministerium eine Liste mit etwa 1000 Namen von Soldaten veröffentlicht hat, die zur 64. Motorschützenbrigade gehörten.

Nicht alle von ihnen seien in in dem Kiewer Vorort, dessen Name inzwischen um die Welt geht,*, gewesen. Die ukrainische Seite will damit mußmaßlich deutlich machen, dass es die Verbrechen in Butscha mit aller Härte ahnden werde. Die Angaben sind aktuell nicht unabhängig überprüfbar.

Butscha-Massaker: Bürgermeister berichtet Details - „aus Spaß oder aus Wut erschossen“

Erstmeldung vom 5. April: Butscha – Die New York Times veröffentlicht Fotos aus Butscha, die aus der Zeit vor dem Abzug der russischen Truppen stammen. Auf den Satellitenaufnahmen sind Schatten auf der Straße zu erkennen, die zu Videoaufnahmen passen, auf denen Leichen zu sehen waren. So das Fazit einer Analyse der New York Times. Ein Vergleich der Satellitenfotos des Unternehmens Maxar Technologies mit diversen Aufnahmen von ukrainischen Beamten und internationalen Medien habe das gezeigt. Einige der Leichen haben sich demnach bereits Wochen vor dem russischen Abzug in der gezeigten Position befunden.

US-Satellitenbilder bestätigen Leichen in Butscha vor russischem Abzug

Die „hochauflösenden“ Bilder „bestätigen die jüngsten Videos und Fotos in den sozialen Medien, auf denen Leichen zu sehen sind, die seit Wochen auf der Straße liegen“, erklärte ein Sprecher der US-Satellitenbildfirma.

Auf den Satellitenbildern einer Straße in Butscha von Mitte März* sind mehrere Leichen mutmaßlicher Zivilisten zu sehen, die auf oder neben der Fahrbahn liegen. An dieser Stelle hatten ukrainische Beamte nach dem Rückzug der russischen Truppen Anfang April mehrere Leichen gefunden. AFP-Fotografen hatten bei einem Besuch am vergangenen Samstag rund 20 Leichen in Zivilkleidung gesehen - einige davon mit gefesselten Händen.

Die Bilder von den Leichen mutmaßlicher Zivilisten im Ukraine-Krieg* hatten international Bestürzung ausgelöst. Zahlreiche westliche Regierungschefs hatten Moskau Kriegsverbrechen vorgeworfen. Deutschland und Frankreich wiesen am Montag dutzende russische Diplomaten aus.

Nach Gräueltaten in Butscha: Bürgermeister schildert Lage mit drastischen Worten

Der Bürgermeister von Butscha hat in der Zwischenzeit um Hilfe gebeten. Er bitte insbesondere Ärzte und Mitarbeiter verschiedener Versorgungsunternehmen, nach Butscha zurückzukehren, sagte Anatoli Fedoruk in einer am Dienstag veröffentlichten Videobotschaft. Derzeit gebe es in dem Vorort der Hauptstadt Kiew weder Strom noch Gas. „Wenn Sie können, kommen Sie zurück!“

Fedoruk sagte außerdem der italienischen Zeitung Corriere della Sera: „Meine Leute wurden aus Spaß oder aus Wut erschossen.“ Der Bürgermeister weiter: „Die Russen haben auf alles geschossen, was sich bewegt hat: Passanten, Leute auf Fahrrädern, Autos mit der Aufschrift ‚Kinder‘. Butscha ist die Rache der Russen für den ukrainischen Widerstand.“ Weil Russland militärisch nicht weitergekommen sei, „wurde eine Safari auf Zivilisten organisiert“, meinte er. Teile der Stadt seien „in ein Konzentrationslager umgewandelt worden“ ohne Essen und Wasser. „Wer sich da raus wagte, um Nahrung zu suchen, der wurde erschossen.“

Gräultaten von Butscha: Russland bezeichnet Fotos als „Fälschung“

Der Kreml hat Vorwürfe gegenüber russischen Truppen vehement dementiert*. „Wir weisen alle Anschuldigungen kategorisch zurück“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Montag der Agentur Interfax zufolge. Zugleich warnte er internationale Politiker vor voreiligen Schuldzuweisungen. Es müssten alle Seiten gehört werden. 

Peskow stellte weiterhin die Echtheit der zahlreichen Aufnahmen der toten Zivilisten infrage: „Nach dem, was wir gesehen haben, ist dem Videomaterial in vielerlei Hinsicht nicht zu trauen, weil unsere Spezialisten aus dem Verteidigungsministerium dort Hinweise auf Videofälschungen und andere Fakes festgestellt haben.“ Die Leichen seien demnach noch nicht dort gewesen, als die russischen Streitkräfte am 30. März abgezogen waren. Maxar-Satellitenbilder vom 19. und 21. März zeigen jedoch, dass sich bereits zu diesem Zeitpunkt mehrere Leichen auf der Yablonska-Straße in Butscha befanden.

„Abscheulichste Verbrechen“, „Zynismus“ und Gedanken an Srebrenica - Butscha schockiert Medien in aller Welt

Internationale Medien haben diese russische Darstellung als „zynisch“ eingeordnet: Ein Überblick über Pressestimmen zu den Gräueln von Butscha*.

In der Ukraine soll es nicht nur in Butscha zu Morden an der Zivilbevölkerung gekommen sein. Eine Recherche von rbb24 deckt nun weitere Gräueltaten auf*. Russische Truppen verstärken indes ihre Attacke im Osten und Süden der Ukraine. Kiews Bürgermeister Klitschko warnt vor Sprengsätzen in Häusern. Die Ereignisse in der Nacht auf Dienstag. (afp/ml)*Merkur.de und fr.de sind ein Angebot von IPPEN.MEDIA

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