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Ukraine-Zwist zwischen CDU und Linke: Röttgen sieht „Träumerei“ bei Verhandlungen

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Sandra Maischberger und ihre Gäste in der Sendung am 05.10.2022
Sandra Maischberger und ihre Gäste in der Sendung am 05.10.2022 © Screenshot: ARD / maischberger. die Woche

Atomgefahr als Thema bei Sandra Maischberger: Nur Säbelrasseln oder ernst zu nehmen? – Kabarettist Priol klagt: Scholz kann man ohne Pantomime nicht parodieren.

Meinungsstark und klar wie selten zuvor ist an diesem Mittwochabend die Kommentatorenrunde, mit der Sandra Maischberger ihre Sendung eröffnet. Kabarettist Urban Priol, angesprochen auf die wachsende Gefahr eines Atomkriegs, findet besonders klare Worte: „Es macht mir Angst, dass es alles plötzlich in so eine gewisse Normalität rutscht. Dass man einfach von taktischen Atomwaffen spricht, als wären es kleine Kügelchen, die man irgendwo hinwirft. Eine Atombombe ist eine Atombombe und da muss man sich mit allem dagegenstemmen, um eine solche Eskalation zu verhindern.“

Maischberger: Atom-Gefahr im Ukraine-Krieg? „Trotz Säbelrasselns gering“

Auch Gregor Peter Schmitz nimmt kein Blatt vor den Mund. Der neue „Stern“-Chefredakteur sieht Putin „in die Ecke gedrängt“. Man müsse in der aktuellen Situation aufpassen, dass die Lage nicht eskaliert und „zumindest ernst nehmen, was dort geschieht“. Russland sei „um Jahrzehnte zurückgefallen, vielleicht sogar um Jahrhunderte“, konstatiert Schmitz. Dass der Rubel seit Beginn des Ukrainekriegs auf Rekordhoch gestiegen ist und Russland durch die Sanktionen extreme Mehreinnahmen verbucht, sei für ihn nur die eine Seite der Medaille.

Er sieht in Russland klare Zeichen der Schwäche. Die Auswirkungen der Sanktionen seien „nicht so klar zu spüren, weil Wladimir Putin einfach bereit ist, sein Land völlig zu ruinieren“. Es gehe den Menschen „unfassbar schlecht, und es war ohnehin schon vorher ein armes Land“. „Zeit“-Journalistin Mariam Lau wiederum hat festgestellt: „Es ist ja jetzt nicht die erste Atomdrohung, die wir bekommen haben.“ In den ersten zwei Monaten des Krieges seien es bereits 20 an der Zahl gewesen. „Man ist so ein ganz kleines bisschen abgestumpft. Ich würde nicht sagen, man muss sich keine Sorgen machen, aber die Wahrscheinlichkeit halte ich trotz des Säbelrasselns für relativ gering.“

Mit Sandra Maischberger diskutierten diese Gäste:

Maischberger zum Ukraine-Krieg: Runde attackiert CDU-Experten als „Haudrauf“

Vor allem Priols Charakterisierung des CDU-Waffenexperten Roderich Kiesewetter als „Haudrauf“ kommt beim Publikum gut an. „Er klingt schon fast wie Attila der Hunnenkönig. Manchmal habe ich bei ihm den Eindruck, er kann es gar nicht abwarten.“ Wenn Kiesewetter sage, Deutschland könne sogar Soldaten in die Ukraine schicken, das sei durchs Völkerrecht gedeckt. „Da fehlt mir ein bisschen die Zurückhaltung.“

Lau empfiehlt Gelassenheit: „Man muss das einfach mal ganz kalt durchrechnen, wann gehe ich an den Verhandlungstisch.“ Und Schmitz warnt: „Es wird irgendwann die Frage kommen, ob unsere Interessen wirklich deckungsgleich mit denen der Ukraine sind. Es gibt ja in Berlin durchaus Misstrauen gegenüber den Ukrainern.“ Die Frage sei, „ob die Ukraine vielleicht zu viel will“. Was könnte das sein, fragt Lau. „Naja, dass sie vielleicht expansiv werden“, konkretisiert Schmitz. „Was Roderich Kiesewetter wieder gefallen würde“, wirft Priol hinterher.

Maischberger: Röttgen kontert Verhandlungsvorschlag der Linken

Meinungsstark auch die Linken-Politikerin Amira Mohamed Ali, die sich in der zweiten Runde des Abends mit CDU-Mann Norbert Röttgen zeitweise lautstark duelliert. Sie hält es „für eine Illusion, dass man Russland militärisch besiegen kann“. Zumal alle Regierungen bisher doch immer nach der Maxime gehandelt hätten, eben keine Waffen in Kriegs- und Krisengebiete zu liefern. Röttgen hingegen ist der festen Überzeugung: „Das Militär löst den Konflikt nicht, aber es ermöglicht die Lösung.“

In Russland sieht Röttgen „zunehmend eine Schizophrenie“. Putin sei „so sehr unter Druck wie noch nie“. Aber dann sei es doch gerade jetzt umso wichtiger, Verhandlungen aufzunehmen, sagt Mohamed Ali. Röttgen winkt ab: „Das ist völlig absurd und hat wirklich überhaupt keine Faktenbasis. Das ist bestenfalls Träumerei.“ Doch Mohamed Ali wirft Fakten in den Ring: Diplomatische Erfolge habe schließlich sogar der türkische Präsident Erdogan erreicht, „dem ich eigentlich keine besonders große Diplomatie zutraue. Wenn der das hinbekommt, so etwas zu verhandeln, meine ich doch, dass die EU einiges erreichen könnte“. Man müsse alle Möglichkeiten prüfen, um die Lage zu entspannen.

Maischberger: „Söder hat das gemacht, was er immer macht“

Was die deutsche Politik dazu beiträgt, ist für Urban Priol ziemlich klar: Bundeskanzler Scholz sei so unauffällig, den könne er nicht mal parodieren. „Da muss man Pantomime können“, klagt der Kabarettist. Und Markus Söder ist für ihn ein Opportunist: „Der hat das gemacht, was er immer macht: als Erster in den Schlagzeilen sein. Um etwas anderes geht es ihm nicht. Inhaltlich kommt von ihm ja nicht viel.“ Und „Stern“-Mann Schmitz ätzt weiter: Söder „müsste halt auch mal eine Wahl gewinnen, statt immer nur in Umfragen gut dazustehen. Bislang hat er keine Wahl überzeugend gewonnen“.

Ex-Innenminister Gerhart Baum sieht eine „Bewährungsprobe für die Demokratie in diesem Winter“ kommen. „Putins Russland ist nicht das ganze Russland, und es sei schon „absolut arrogant zu sagen, die Russen seien nicht demokratiefähig. Ich halte jeden Menschen für freiheitsfähig. Wir werden alle frei geboren“. Putin aber denke irrational. „Dieser Mann im Kreml ist nicht kontrolliert, der entscheidet alleine. Es gibt kein Politbüro wie in China.“ Baum wirft Putin „aggressiven Imperialismus“ vor. Das ist eine strukturelle Aggressivität, die in dem System steckt. Und die muss weg.“

Fazit des Talks bei Sandra Maischberger

Selten kam eine Kommentatorenrunde so schnell und exakt auf den Punkt wie dieses Mal. Vor allem Urban Priol gefiel mit klarer Kante. Der Applaus des Publikums gab ihm Recht. Ein frischer Kontrast zu Oliver Kalkofe, der jüngst ebenfalls bei Maischberger seine persönliche Kapitulation eingestanden hatte. Er mache keine Witze mehr, sagte Kalkofe, um nicht von der falschen Seite zitiert zu werden. (Michael Görmann)

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