„Wir führen den Krieg!“ Ernst springt Wagenknecht bei – Grüne erinnert kühl an Putins ersten Schritt

Eine Diskussion zwischen Klaus Ernst (Linke) und Marieluise Beck (Grüne) über die Sanktionen gegen Russland erhitzt die Gemüter. Bärbel Bas möchte keinen Energiebonus.
Berlin – Deutschlands Rolle im Ukraine-Krieg liefert am Mittwoch auch Zündstoff für Sandra Maischbergers ARD-Talk. Ein Aufhänger und -reger: Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba hatte sich auf Twitter enttäuscht über Deutschland geäußert: „Kein einziges vernünftiges Argument, warum diese Waffen nicht geliefert werden können – nur abstrakte Befürchtungen und Entschuldigungen. Wovor fürchtet sich Berlin, während Kiew sich nicht fürchtet?“
Für FAZ-Journalistin Helene Bubrowski ist das „eine gute Frage, auf die die Bundesregierung noch immer keine ganz eindeutige Antwort gegeben hat“. Im Gegensatz zu Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat sich nun Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) klar positioniert. Sie fordert, dass rasch Kampfpanzer geliefert werden.
Ulrich Wickert: „Wir werden schon für blöd verkauft“
„Tagesthemen“-Legende Ulrich Wickert beschwert sich über Christine Lambrecht (SPD): Die Verteidigungsministerin sage öffentlich, man könne nicht mehr liefern. Gleichzeitig stünden hierzulande auf einem Industriehof 100 Marder-Panzer herum. Die US-amerikanische Botschafterin habe sich gewünscht, dass Deutschland etwas mehr vorankommt. „Wir werden schon für blöd verkauft“, ärgert sich Wickert.
ARD-Korrespondentin Julie Kurz vermutet dahinter eine Kommunikationsstrategie. „Wenn man sich die Listen anguckt, ist es ja nicht so, dass wir nichts geliefert hätten“, sagt Kurz. Gleichzeitig betone der Kanzler gebetsmühlenartig, international keine Alleingänge zu machen. Scholz habe möglicherweise im Hinterkopf, dass es in der Bevölkerung nicht nur Zustimmung für Waffenlieferungen gibt. „Deswegen lässt er sich vielleicht lieber als denjenigen darstellen, der getrieben wird“, vermutet Kurz.
„Maischberger“ - diese Gäste diskutierten mit:
- Klaus Ernst (Linke) - Vorsitzender des Ausschusses für Klimaschutz und Energie
- Marieluise Beck (Grüne) – „Zentrum Liberale Moderne“
- Bärbel Bas (SPD) - Bundestagspräsidentin
Als Experten:
- Helene Bubrowski - FAZ-Journalistin
- Ulrich Wickert – Autor und ehemaliger „Tagesthemen“-Moderator
- Julie Kurz - ARD-Hauptstadtkorrespondentin
Für viel Aufsehen sorgte jüngst Sahra Wagenknecht (Linke) mit ihrer Rede im Bundestag, in der sie sich für ein sofortiges Ende der Sanktionen gegen Russland ausgesprochen hat. Die Sanktionen würden Russland nicht treffen, stattdessen Millionen deutsche Familien in die Armut stürzen. Wagenknecht sprach von der „dümmsten Regierung Europas“ und fragte sich: „Wie bescheuert ist das denn?“
Ernst ist erstaunt, dass Russland noch so lange Gas geliefert hat
Bei Maischberger zu Gast ist Linken-Politiker Klaus Ernst, der die Rede inhaltlich verteidigt. Auch er betont, Deutschland führe einen Wirtschaftskrieg gegen Russland. „Die Sanktionen verhängen wir selbst, also führen wir den Krieg“, sagt Ernst. Russland wehre sich und drehe nun das Gas ab. „Ich verstehe gar nicht die Aufregung“, sagt Ernst. „Für mich war es eher erstaunlich, dass Russland noch so lange Gas geliefert hat.“
Dem widerspricht die Grüne-Außenexpertin Marieluise Beck energisch. Putin habe schon in Vorbereitung auf den Krieg in der Ukraine dafür gesorgt, dass die deutschen Gasspeicher nicht mehr so befüllt wurden, wie es vereinbart war. „Das war eine systematische Vorbereitung, einen Krieg gegen uns zu führen, mit der Waffe, die er nun mal gegen den Westen hat“, ist sich Beck sicher. Viel Applaus erntet Beck, als sie um Sensibilität im Umgang mit dem Baltikum und Polen wirbt. Beiden schauten genau darauf, wie Deutschland reagiert. „Sie sind in ihrer Geschichte sowohl von der deutschen Wehrmacht als auch von der sowjetischen Armee überfallen worden“, erinnert Beck. Das Aufheben der Sanktionen würde zu einem immensen Vertrauensverlust führen, warnt sie.
„Es gibt zwei prominente Parteiaustritte, die sich auf diese Rede beziehen, Fabio de Masi und Ulrich Schneider. Schadet Sahra Wagenknecht mit dieser Art der Polarisierung ihrer Partei?“, fragt Maischberger. Zur Beantwortung dieser Frage kommt es allerdings nicht, weil ein beherzter Streit über die Wirkung der Sanktionen ausbricht. Während sich Beck über die „Kälte“ Ernsts wundert und ihm vorwirft, er habe kein Mitgefühl mit den Menschen in der Ukraine, dreht dieser den Spieß um. Mit den Sanktionen befeuere man den Krieg sogar. Ernst kramt in seinem Sakko herum, erst in der rechten Innentasche, dann in der linken. Schließlich zaubert er eine Grafik aus dem Ärmel, mit der er verdeutlichen möchte, dass die russische Wirtschaft von den Sanktionen profitiere, während die deutsche Wirtschaft darunter leide. „Russland verdient an diesem Krieg. Wenn man der Ukraine helfen will, muss man die Sanktionen beenden“, fordert Ernst.
Bärbel Bas spricht sich für Waffenlieferungen aus
Mit Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) diskutiert Sandra Maischberger die Energiekrise und die Auswirkungen auf die Menschen. Von einer „Zeitenwende im Kopf“ und einer „Gedankenveränderung“ spricht Bas nach ihrem Besuchs in der Ukraine. Sie habe immer für Frieden ohne Waffen plädiert und „kannte Krieg nur aus den Geschichtsbüchern“. Bas hat sich unter anderem mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj getroffen. „Wir müssen die Unterstützung geben, die wir geben können. Trotzdem sollten wir das nicht alleine machen, sondern mit unseren Partnern abstimmen“, sagt Bas.
Maischberger entlockt ihr dann sogar ein deutlicheres Bekenntnis: „Die Ukraine braucht unsere Waffen und sie wären jetzt nicht so weit, wenn wir sie nicht auch schon unterstützt hätten.“
Vor einigen Tagen hatte sich Bas aber „etwas mehr Differenzierung beim Entlastungspaket“ gewünscht. Auch sie werde 300 Euro bekommen, obwohl sie diesen Bonus gar nicht benötige. „In den Krisen trifft es die Menschen unterschiedlich und die, die ganz, ganz wenig haben, trifft es besonders hart.“ Sie habe nach dem Interview viele Rückmeldungen von Menschen erhalten, die gesagt hätten, sie bräuchten die 300 Euro auch nicht und würden diese lieber an Menschen verteilt wissen, die stärker von steigenden Energiepreisen betroffen sind.
Fazit des „Maischberger“-Talks
Während sich die Experten in vielen Bereichen einig sind, sorgen Klaus Ernst und Marieluise Beck mit ihrer leidenschaftlichen Diskussion für das Highlight der Sendung. Bärbel Bas überrascht mit ihrem klaren Bekenntnis zur Waffenlieferung und dem Angebot, ihren persönlichen Energiebonus abzugeben. (Christoph Heuser)