SAUDI-ARABIEN BEHANDELT TERRORISTEN IN WELLNESS-RESORT – MISCHFORM AUS GEFÄNGNIS UND FREIGANG ZUR WIEDEREINGLIEDERUNG
Luxus-Entzug für Dschihadisten
Riad – Mit Schwimmbad, Rasenflächen und den schattigen Terrassen gleicht das Mohammed-bin-Najef-Zentrum in der saudi-arabischen Hauptstadt Riad einer Fünf-Sterne-Urlaubsanlage.
Doch was wie ein Wellness-Zentrum wirkt, ist eine Einrichtung zur Wiedereingliederung gewalttätiger Dschihadisten. Eine Belohnung für Terrorismus, finden Kritiker – ein Erfolgsmodell im Kampf gegen religiösen Extremismus, findet der Direktor.
„Unser Ziel ist es, ihre Gedanken, ihr falsches Verständnis und ihre Abweichung vom Islam zu korrigieren“, sagt Jahja Abu Maghajed bei einer Führung durch die Anlage. „Wir wollen den Insassen das Gefühl geben, dass sie Menschen sind, die eine Chance haben, in die Gesellschaft zurückzukehren.“ Überzeugungen, so der Gedanke, können nicht durch Zwang geändert werden, sondern nur durch andere Überzeugungen.
Die Insassen wohnen in niedrigen Gebäuden mit großen Fernsehern und Kingsize-Betten, umgeben von gepflegten Rasenflächen und Palmen. Die meisten Männer gehörten radikalen Gruppen mit Verbindung zum Terrornetzwerk Al-Qaida oder zu den afghanischen Taliban an. Sie haben Zugang zu einem Fitnesscenter, einem Schwimmbad und speziellen Wohnungen, in denen sie ihre Ehefrauen empfangen können. Die gesamte Anlage ist eine Mischform aus Gefängnis und Freigang.
Betreut werden die Insassen von Therapeuten und Geistlichen. Im Angebot sind Gesprächsformate und Kunsttherapie – vor allem aber werden die Insassen ermutigt, zu heiraten und Kinder zu bekommen. Familie, so die Vorstellung, sei das beste Mittel gegen eine Rückkehr zu den Waffen. Wer trotzdem nach drei Monaten keine Veränderung zeigt, muss sich wieder den Strafverfahren stellen.
Saudi-Arabien steht seit Langem in der Kritik wegen seines Engagements zur Verbreitung seiner strengen Lesart des Islam, dem Wahhabismus. Kritiker bemängeln, damit die ideologischen Grundlagen für Extremistengruppen wie Al-Qaida überhaupt gelegt zu haben. Zugleich befindet sich Saudi-Arabien aber selbst im Visier von Dschihadisten. Der mächtige Kronprinz Mohammed bin Salman hat daher dem religiösen Extremismus den Kampf angesagt und eine Rückkehr zum „moderaten Islam“ angekündigt.
Im Kampf gegen den Extremismus nimmt das Mohammed-bin-Najef-Zentrum einen wichtigen Platz ein. Seit 2004 wurden dort nach dessen Angaben bereits mehr als 3300 Männer behandelt, die wegen Terrordelikten verurteilt worden waren. Laut dem Direktor liegt die Erfolgsquote bei 86 Prozent. Ein US-Terrorexperte sagt aber, die Rückfallquote sei in Wirklichkeit höher. Etliche einstige Insassen seien später in Konfliktgebieten gesichtet worden.
Der Extremismusforscher John Horgan von der Georgia State Universität findet den Ansatz der Deradikalisierung durch „Gesprächstherapie“ zwar lobenswert. Doch sei es ohne größere Transparenz über die Teilnehmer und ihre weitere Entwicklung unmöglich, zu beurteilen, was das Programm tatsächlich bringt – und ob es einen Rückfall in den bewaffneten Kampf verhindert. Anuj Chopra