Update vom 16. Oktober, 8.50 Uhr: Zum Abschluss ihres Parteitags in Bonn debattieren die Grünen am Sonntag über den Bereich Klimaschutz (09.00 Uhr). Für Kontroversen dürfte die Vereinbarung mit dem Energiekonzern RWE sorgen, die zwar das auf 2030 vorgezogene Ende der Braunkohleverstromung beinhaltet, aber auch das Abbaggern des Dorfes Lützerath. Gegen die von den Grünen geführten Wirtschaftsministerien im Bund und in Nordrhein-Westfalen getroffene Entscheidung demonstrierten in Bonn mehrere Klimaorganisationen.
Im Antrag des Bundesvorstands zur Klimakrise bekennen sich die Grünen dazu, Deutschland klimaneutral zu machen. Zu diesem Ziel komme nun hinzu, die Abhängigkeiten von russischen Energiequellen schnellstmöglich zu beenden und gleichzeitig die Versorgungssicherheit für Bevölkerung und Wirtschaft zu gewährleisten. Ein Tempolimit auf Autobahnen, das im Koalitionsvertrag nicht durchgesetzt werden konnte, bleibt für die Grünen „weiter ein schnell wirkendes und nahezu kostenloses Instrument“ für den Klimaschutz.
Update vom 15. Oktober, 14.25 Uhr: „Der Krieg muss enden“, forderte Irina Scherbakow, die Mitgründerin der russischen Menschenrechtsorganisation Memorial, in ihrer Rede auf dem Grünen-Parteitag und ergänzte: „Er muss mit dem Sieg der Ukraine enden.“ Wer jetzt von Frieden schaffen ohne Waffen spreche, von Verhandlungen oder ein Ende der Sanktionen verlange, müsse sich im Klaren sein, ein Kompromiss bedeute genau das, „was wir schon lange in diesem Krieg sehen“, so die Mitgründerin von Memorial weiter. Es gehe Putin um die Nivellierung der ukrainischen Kultur und Sprache, der Vernichtung der ukrainischen Unabhängigkeit.
Wer denke, wenn man verhandelt, bekomme man das alte Leben zurück, würde sich täuschen, so Scherbakow, deren Organisation zusammen mit einer belarussischen und ukrainischen Menschenrechtsorganisation den diesjährigen Friedensnobelpreis erhalten hatte. „Putin hat seit Jahren gezeigt, dass er sich an keinerlei Abmachungen und Verträge hält.“ Was sie sage, sei für sie – als Historikerin und Pazifistin nicht leicht. „Wer Frieden will, muss dafür sorgen, dass die Ukraine alles – und ich meine alles – für ihre Verteidigung Nötige bekommt.“ Die Vorkriegsweltordnung sei nicht wiederherzustellen. Es gebe Hoffnung, aber dafür müsse die Ukraine gewinnen.
Update vom 15. Oktober, 13.58 Uhr: Die Mitgründerin der russischen Menschenrechtsorganisation Memorial, Irina Scherbakowa, sprach am Samstag auf dem Grünen-Parteitag. Memorial hatte in diesem Jahr zusammen mit dem belarussischen Menschenrechtsaktivisten Ales Bjaljazki und der ukrainischen Menschenrechtsorganisation Zentrum für bürgerliche Freiheiten in diesem Jahr den Friedensnobelpreis erhalten. „Liebe Kollegen und liebe Freunde, es ist für mich eine große Ehre, hier sprechen zu dürfen und zugleich eine Freude unter Freunden zu sein“, leitete Scherbakowa ihre Rede ein.
Memorial und die Grünen würde eine langjährige Freundschaft verbinden, so Scherbakowa. „Denn die Grünen waren unsere wahren Freunde, Unterstützer und Gleichgesinnte, standen uns seit vielen Jahren bei“, erinnert die Memorial-Mitgründerin. Die Warnungen der Menschenrechtsaktivisten vor den realen Gefahren von Putins Politik seien von den Grünen ernst genommen worden. „Es waren die Grünen, die vor den gefährlichen Konsequenzen der Gas- und Ölabhängigkeit immer gewarnt haben“, so die Mitgründerin der mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichneten Menschenrechtsorganisation.
Sie müsse unterstreichen, wie wichtig die langjährige Zusammenarbeit mit den Grünen und der Böll-Stiftung war. Scherbakowa nennt die Frage nach der Entschädigung der Ostarbeiter als Beispiel. Hunderttausende Menschen hätten sich nach einem Aufruf der Grünen im Bundestag im Jahr 1990 bei Memorial gemeldet. „Menschen, die zuvor jahrzehntelang geschwiegen hatten. Das ist nur ein Beispiel unserer gemeinsamen Arbeit“, so die Mitgründerin von Memorial weiter.
Update vom 15. Oktober, 13.34 Uhr: Auf ihrem Bundesparteitag haben Außenministerin Annalena Baerbock und die Delegierten der Grünen versucht, ihre friedenspolitische Tradition mit der Rolle als Regierungspartei zu versöhnen. Bei der Debatte am Samstag ging es unter anderem um Rüstungsexporte in das islamische Königreich Saudi-Arabien. Große Solidarität bekundeten die rund 800 Anwesenden in Bonn für Geflüchtete aus Afghanistan und Protestierende im Iran.
Im Hinblick auf Widerspruch innerhalb Deutschlands zu Maßnahmen der Bundesregierung zum Ukraine-Krieg forderte Außenministerin Annalena Baerbock beim Grünen-Parteitag am Samstag: „Lasst uns dort hingehen, wo der Widerspruch am härtesten ist.“ Man müsse deutlich machen, „wir sehen und wir hören euch“. Gleichzeitig dürfe und werde man trotzdem nicht in der Haltung einknicken. Die Unterstützung der Ukraine werde nicht schwinden.
„Dieser Krieg wird auch mit Angst und Spaltung geführt“, so Baerbock weiter. Es sei klar, was als Nächstes kommen werde, es werde um Flüchtlinge gehen. Man müsse aber auch in der Opposition Flüchtlinge nicht gegen den Krieg Russlands in der Ukraine ausspielen. „Man kann auch hier Haltung zu zeigen“, sagte die Außenministerin am Samstag. Jetzt sei die Zeit, Haltung zu zeigen. „Lasst uns zeigen, dass wir stärker sind als dieser Krieg, weil wir gemeinsam in diesem Land als Demokraten zusammenstehen.“ Als „fünfte Kolonne Moskaus“ hatte zuvor Parteichef Nouripour die Rechtspopulisten der AfD in seiner Rede bezeichnet.
Update vom 15. Oktober, 13.28 Uhr: „Es gibt keine Waffenlieferungen direkt an Saudi-Arabien, wo Menschenrechte mit Füßen getreten werden“, sagte Baerbock. Es ginge um einen Altvertrag, der erfüllt werden müsse, betonte Außenministerin Annalena Baerbock auf dem Parteitag der Grünen am Samstag. Die Genehmigung für den Export sei für sie und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) schwierig gewesen. Sie sei aber der Auffassung, dass „wir europäische Rüstungskooperation brauchen“. Auch, damit Ausgaben für Soziales nicht zugunsten von nationalen Verteidigungsausgaben gekürzt werden müssten. Gleichzeitig versprach sie für die Zukunft eine restriktivere Rüstungspolitik.
„Frauen, Leben, Freiheit“, zitierte die Außenministerin den Slogan der Protestwelle im Iran. „Das ist der Maßstab für unsere Politik, das muss der Maßstab für alle Regierungen weltweit sein.“ Baerbock erinnerte außerdem daran, dass die Klimakrise eine große Gefahr bleibe. „Die größte Sicherheitsgefahr ist die Klimakrise, das steht jetzt nicht mehr nur im Grünen-Wahlprogramm. Das steht nun auch im strategischen Konzept der Nato und der Europäischen Union.“
Update vom 15. Oktober, 13.05 Uhr: Außenministerin Annalena Baerbock erhielt schon vor ihren ersten Wochen stehenden Applaus von den rund 800 Delegierten auf dem Grünen-Parteitag am Samstag. Zu Beginn wolle sie von ihrer Reise nach Warschau berichten, so Annalena Baerbock. „Das Schlimmste, was es gibt, ist Krieg. Ich habe überlebt, weil ich selbst zur Waffe gegriffen habe“, zitierte Baerbock eine Kriegsüberlebende und Zeitzeugin des Zweiten Weltkriegs, die sie im Rahmen der Reise kennengelernt hatte und machte damit die Bedeutung der Selbstverteidigung der Ukraine deutlich.
„Wir haben uns diese Zeiten nicht ausgesucht, aber es sind unsere Zeiten. Deshalb tragen wir eine Verantwortung“, so Baerbock im Hinblick auf den Ukraine-Krieg. „Wir wissen, Verantwortung heißt auch, Lücken nicht entstehen zu lassen, denn dann füllen diese Lücken andere.“ Die Außenministerin bekannte sich erneut klar für die Unterstützung der Ukraine – auch mit Waffenlieferungen. „Nicht obwohl, sondern weil wir eine Menschenrechtspartei sind“, so die Außenministerin weiter. „Jeder einzelne Tag dieses Krieges ist eine Katastrophe“, so Baerbock.
Update vom 15. Oktober, 12.52 Uhr: „Menschenrechte sind Frauenrechte, Frauenrechte sind nicht verhandelbar“, sagte Omid Nouripour im Hinblick auf die Protestwelle im Iran in einer emotionalen Rede, in der er auch an Erlebnisse aus seiner eigenen Kindheit erinnerte.
Der in Teheran geborene Grüne-Bundesvorsitzende berichtete etwa von einer alten Frau, die aufgrund der falschen Kleidung von der Sittenpolizei im Iran ausgepeitscht worden war. Die Grünen stünden fest an der Seite der von Frauen angeführten Proteste im Iran. Das gelte auch für Frauen in der Ukraine und in Saudi-Arabien. Am Ende der Rede erntete der Co-Parteivorsitzende stehenden Applaus der rund 800 Delegierten.
Update vom 15. Oktober, 12.43 Uhr: „Es ist kein Naturgesetz, dass die AfD in den Landesparlamenten oder im Deutschen Bundestag sitzt“, erinnerte Omid Nouripour der Bundesvorsitzende der Grünen auf dem Parteitag am Samstag.
„Ist das alles einfach? Nein!“, so der Grünen-Politiker über die allgemeine politische Lage in der Welt und in Deutschland. „Aber wenn es einfach wäre, könnte es auch Markus Söder“, stichelte Nouripour gegen den bayerischen Ministerpräsidenten und erntete dafür Lachen von den Delegierten.
Update vom 15. Oktober, 12.29 Uhr: „Krieg zeichnet jeden, der ihn erlebt hat, fürs Leben und verpflichtet zum Frieden“, so Omid Nouripour, der gemeinsam mit Ricarda Lang Grünen-Bundesvorsitzender ist. Nur, wenn alle sich einsetzen, werde es Frieden geben auf diesem Planeten. „Ich weiß, wovon ich spreche“, betonte der in Teheran geborene Grünen-Politiker, der auch die iranische Staatsbürgerschaft besitzt, auf dem Grünen-Parteitag am Samstag.
Der Grüne-Bundesvorsitzende stellte zudem Irina Scherbakow, die Mitgründerin von Memorial vor. Die russische Menschenrechtsorganisation hatte zusammen mit dem belarussischen Menschenrechtsaktivisten Ales Bjaljazki und der ukrainischen Menschenrechtsorganisation Zentrum für bürgerliche Freiheiten den Friedensnobelpreis erhalten. Daraufhin gab es langanhaltenden Applaus der Grünen-Delegierten auf dem Parteitag. „Wir sehen, dass diese Waffen Menschenleben retten“, betonte Nouripour die Bedeutung der Waffenlieferungen von Deutschland an die Ukraine. Der Bundesvorsitzende sprach auch über Versäumnisse in der Vergangenheit. „Es wäre so notwendig gewesen, die Ortskräfte aus Afghanistan herauszuholen, als es ging.“ Es gehe darum, jedes einzelne Leben zu retten.
Update vom 15. Oktober, 11.10 Uhr: Um 11 Uhr begann das Plenum des Grünen-Parteitags am Samstag, zunächst wurde Organisatorisches geklärt und eine Probeabstimmung durchgeführt. Der thematische Fokus des zweiten Tages liegt auf der Außenpolitik, im Laufe des Tages wird eine Rede der Außenministerin Annalena Baerbock erwartet. Der Parteitag findet vom 14. bis 16. Oktober 2022 in Bonn statt.
Erstmeldung: Bonn - Als die erste Ampelkoalition auf Bundesebene Anfang Dezember 2021 ihre Arbeit aufnahm, war die Welt eine andere. Nun herrscht Krieg in Europa und Streit in Berlin: FDP und Grüne sind sich angesichts der Energiekrise uneins über den Weiterbetrieb der verbliebenen Atomkraftwerke in Deutschland. Am Freitag stärkten die Delegierten ihrem grünen Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck in dieser Frage den Rücken. Der thematische Schwerpunkt des Grünen-Parteitags ist am Samstag die Außenpolitik, es geht auch um die Protestwelle im Iran und Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien.
Nach drei digitalen Parteitagen treffen sich die Grünen in diesem Jahr wieder persönlich. Der Freitag stand im Zeichen der Energiepolitik und Atomkraftdebatte. Am Samstag soll es um Außenpolitik gehen, die Grünen-Politikerin und Bundesaußenministerin Annalena Baerbock spricht in einer Rede zu den 800 Delegierten des Parteitags. Unter dem Tagesordnungspunkt „Wertegeleitet, multilateral, handlungsfähig: grüne Friedens- und Sicherheitspolitik in der Zeitenwende“ verhandeln die Delegierten die Unterstützung der Ukraine in der Verteidigung gegen Russland.
Gastrednerin am Samstag ist die Mitgründerin der russischen Menschenrechtsorganisation Memorial, Irina Scherbakowa. Das Nobelpreiskomittee hatte Memorial in diesem Jahr zusammen mit dem belarussischen Menschenrechtsaktivisten Ales Bjaljazki und der ukrainischen Menschenrechtsorganisation Zentrum für bürgerliche Freiheiten mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.
Während beim Thema Waffenlieferungen im Ukraine-Krieg Einigkeit bestehen dürfte, könnte die Debatte um ein Aussetzen des Exportstopps von Rüstungsgütern nach Saudi-Arabien schwieriger ausfallen. Ein Antrag für den Parteitag sieht vor, Waffenlieferungen an Staaten mit Beteiligung am Jemen-Krieg zu untersagen - so wie es auch im Grundsatzprogramm der Partei steht. Doch die Bundesregierung hatte kürzlich grünes Licht für die Lieferung von Ausrüstung und Munition für Kampfflugzeuge an Saudi-Arabien gegeben. Die Bundespolitiker Baerbock und Habeck müssen sich zu diesem und anderen Themen der Basis ihrer Partei stellen. Neben den Rüstungsexporten soll auch die Protestwelle im Iran am Samstag zur Sprache kommen.
Bundeswirtschaftsminister Habeck und die FDP liegen im Clinch. Auf dem Parteitag der Grünen standen die Delegierten am Freitag allerdings hinter Robert Habeck. Eine klare Mehrheit stimmte dafür, die beiden süddeutschen Atomkraftwerke Isar 2 und Neckarwestheim 2 bis zum 15. April in Reserve zu halten und im Notfall zur Stromerzeugung zu nutzen. Das AKW Emsland soll laut Abstimmung am 1. Januar 2023 vom Netz gehen. Neue Brennstäbe sollen demnach nicht angeschafft werden. Vereinzelt gab es Sicherheitsbedenken der Delegierten, manche befürchteten auch, dass der Ausstieg aus der Atomenergie dadurch schleichend revidiert werden könnte.
Der ehemalige Bundesumweltminister Jürgen Trittin gilt beim Thema Atomkraft als härtester Kritiker Habecks im Bundestag. Der vehemente Atomkraftgegner hielt sich auf dem Parteitag am Freitag jedoch mit Konfrontationen zurück. Im beschlossenen Antrag steht nun die Passage: „Bündnis 90/Die Grünen werden im Bundestag keiner gesetzlichen Regelung zustimmen, mit der neue Brennelemente, noch dafür notwendiges neues angereichertes Uran beschafft werden sollen.“ Dabei war bis zuletzt unklar, ob die Bundestagsfraktionen in dieser Frage abstimmen werden (bme/dpa/AFP).