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Der Montags-Talk bei Frank Plasberg

Plasberg wundert sich in Talk zum Reise-Chaos über Grünen-Frau: „Was es nicht alles gibt“

Die Gäste bei „hart aber fair“ (ARD) am 20.06.2022.
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Die Gäste bei „hart aber fair“ (ARD) am 20.06.2022.

Die Reisebranche ist angeschlagen. Und der Urlauber muss es ausbaden. Bei „Hart aber Fair“ gab es Einblicke in die Tourismusindustrie. Und einen handfesten Tipp, wie man sich wehren kann.

Berlin – „Es wird chaotisch, es wird voll und ja, es wird auch teuer“, sagt Moderator Frank Plasberg und zählt zum Beginn seiner Sendung „Hart aber Fair“ auf, womit der Sommerurlauber derzeit auf Reisen rechnen muss: Flugausfälle, Personalmangel, Mondpreise. „Was kann man tun, um außer den Nerven nicht auch noch Geld zu verlieren?“

„Hart aber fair“ (ARD): Plasberg spricht von „Rache-Reisen“

Corona-Lockdowns und Reisebeschränkungen haben viel Erspartes in den Geldbeuteln der Verbraucher angehäuft, die Tourismusbranche registriert großen Nachholbedarf. „Zwei Jahre Verzicht konnte in die Spardose“, sagt Ute Dallmeier, Präsidiumsmitglied im Deutschen Reiseverband und Geschäftsführerin mehrerer Reisebüros: „Es wird mehr ausgegeben und auch mal ein besseres Hotel genommen.“

„Revenge-Travel“, nennt Frank Plasberg das, also Reisen als eine Art Rache. Und für Journalist Dirk Schümer „bekommt der Begriff Last Minute eine ganz neue Bedeutung“: „Ich glaube dass das Leute sind, die sich sagen: Wer weiß, ob wir das in ein paar Jahren überhaupt noch können. Die Benzinpreise gehen immer weiter hoch, die Hotelpreise gehen immer weiter hoch. Es hat so viele Einschränkungen gegeben, dass bei vielen Leuten nicht nur die Vorfreude kommt, sondern auch die Angst vor einer Reiseunmöglichkeit, die uns vielleicht bald droht.“

„Na, Sie machen ja Laune“, röchelt Plasberg, und Schümer entgegnet: „Na, Ihre Sendung fing doch so an! Die Explosion, die jetzt stattfindet. Wer weiß was noch so kommt?“ Die ganzen Verbote hätten doch bereits vor der Pandemie im Raum gestanden. „Es hat doch schon immer geheißen: Flüge müssen bald alle verboten werden.“

„Hart aber fair“ (ARD): Lange Staus im Urlaub? „So was habe ich noch nicht gesehen“

Moderatorin Amelie Fried berichtet stolz, dass Sie mit dem Auto in den Urlaub fahren wird, und zwar mit einem Hybrid, also ganz korrekt und mit gutem Gewissen, auch wenn der Elektromotor auf der Autobahnfahrt sicher nicht ein einziges Mal anspringen wird. Schümer erzählt der frohgestimmten Italienreisenden in spe von der eigenen Fahrt jüngst nach Florenz: „Das war Wahnsinn. Der Stau am Gotthard war bis in die Innenstadt von Luzern.“ Macht 65 Kilometer. „So was habe ich noch nicht gesehen.“ Das Publikum lacht. „Na, Sie machen mir Mut“, sagt Fried.

„Hart aber fair“ (ARD): Plasberg wundert sich über Grünen-Politikerin - „was es nicht alles gibt“

Plasberg holt Grünen-Politikerin Claudia Müller ins Gespräch und kann sein Erstaunen nicht verbergen. „Sie sind Tourismusbeauftragte der Bundesregierung, was es nicht alles gibt.“ Wie könne man dem bevorstehenden Reisechaos denn entgehen? Die Angesprochene empfiehlt auf gut neudeutsch den „Online-Check-In“ und „Baggage Self-drop-off“. „Das heißt, dass man den Job der Airline macht“, fasst Plasberg zusammen, „das Bändchen ausdruckt, den Flieger noch kurz saubermacht, betankt und…“ Diese Ratschläge sind ihm ganz offensichtlich etwas zu dünn.

Er wendet sich Matthias von Randow zu und wirft dem Verbandsmann ein paar harte Zahlen um die Ohren: 900 gestrichene Flüge allein bei der Lufthansa. Erheblicher Personalmangel. Seit März 2020 habe sich die Lufthansa von 137.000 Mitarbeitern auf 104.000 zusammengeschrumpft. Die Check-in-Schalter seien chronisch unterbesetzt, die Schlangen extrem lang. „Ist es tatsächlich eine solche Überraschung für die Luftfahrtbranche, dass die Menschen wie von der Gummileine gezogen, wenn sie wieder können, rauswollen?“

Von Randow kann die Gründe nicht schlüssig erklären, kommt stattdessen mit einer Binsenweisheit, einem „Plätzchen“, wie Plasberg es nennt und ihm sofort wieder in den Mund zurückschiebt. „Es ist Sommer, da ist Reiseverkehr, darauf bereitet man sich vor, das ist doch völlig klar“, sagt von Randow und die Runde rätselt, ob er vielleicht die Frage nicht verstanden hat. Dauerlächelnd setzt er zu einem offenbar gut vorformulierten Statement an, aber Plasberg stoppt ihn stante pede: Warum streiche Easy-Jet ausgerechnet in der Hochsaison 1.000 Flüge „und verkauft das auch noch als Kundenmaßnahme“? Lufthansa streiche 900 Flüge, EuroWings ebenfalls mehrere hundert. „Nennen Sie das Vorbereitung?“

„hart aber fair“: Diese Gäste diskutierten mit Frank Plasberg

  • Ute Dallmeier (Präsidiumsmitglied im Deutschen Reiseverband, Geschäftsführerin mehrerer Reisebüros)
  • Amelie Fried (Moderatorin und Autorin)
  • Claudia Müller (Die Grünen, Tourismusbeauftragte der Bundesregierung)
  • Matthias von Randow (Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Luftverkehrswirtschaft BDL)
  • Dirk Schümer (Europa-Korrespondent der Tageszeitung „Welt“)

„Hart aber fair“ (ARD): Das Dilemma der Fluggesellschaften

„Natürlich haben sich die Fluggesellschaften vorbereitet, das ist doch völlig klar“, antwortet von Randow. „Der Luftverkehr hat praktisch zwei Jahre flachgelegen. Die Unternehmen haben das Personal hochgefahren. Die Menschen, die in unseren Unternehmen arbeiten, die dürsten danach, den Kunden zu helfen, dass das ein gutes Reiseerlebnis wird.“

Plasberg fasst zusammen: „Eigentlich ist die Frage: Sind die Unternehmen toll oder supertoll, wenn ich Herrn von Randow richtig verstanden habe.“ Bumm, der saß. Von Randows Lächeln schwächelt. Kollegin Dallmeier beschreibt die Situation in der Reisebranche ohne Schnörkel: „Wir machen seit drei Jahren nichts anderes als Krisenmanagement.“

„Das ist ein Problem jeder Dienstleistungsgesellschaft, und der Tourismus ist da ganz, ganz anfällig“, erklärt Schümer. Das Problem sei der Fachkräftemangel. Von Randow stößt ins selbe Horn. Viele seien in die Logistikbranche abgewandert. „Der größte Teil der Belegschaften war über längere Zeit nicht mehr in Beschäftigung. Das macht was mit dir.“

„Hart aber fair“ (ARD): Türkische Mitarbeiter: Ausgebremst von der deutschen Bürokratie

Für die Flugzeugabfertigung habe die Branche jedoch gerade 2.000 Mitarbeiter in der Türkei rekrutiert. Deren Arbeitsbeginn scheitere allerdings an der deutschen Bürokratie.

Claudia Müller verspricht, das werde in der Regierung bald geregelt. „Es gibt Gespräche, da findet Ressortabstimmung statt.“ Plasberg wiederholt es genüsslich. „Wenn ich Ressortabstimmungen höre, da finden Gespräche statt, da bin ich sehr optimistisch für den Weihnachtsurlaub 2023.“ Allgemeines Gelächter, auch die Vorgeführte lacht mit. Doch sie bleibt in ihrem Sprachduktus verhaftet: „Ziel ist, hier deutlich schneller zu sein.“

Von Randow erklärt noch einmal die absurde Situation der 2.000 potentiellen Gastarbeiter. Das deutsche Recht verlange allen Ernstes eine „Einzelfallprüfung, ob für den Job vielleicht doch irgendwo auf dem deutschen Arbeitsmarkt jemand zur Verfügung steht. „Das können sie vergessen. Eine Einzelfallprüfung. Bei 2.000 Leuten!“

Plasbergs Vorwürfe versucht der Verbandsfunktionär noch einmal zu kontern. Er wiegelt ab. „Ich bin völlig bei Ihnen. Aber Annullierungen machen wir ja deswegen, um Kapazität aus dem System herauszunehmen.“

Plasberg verliert langsam die Geduld: „Darf ich Sie rhetorisch einfach mal festnageln?“, setzt er an. „Ein paar Annullierungen. Dann frage ich Sie nochmal: Warum haben sie die Flüge überhaupt erst angeboten?“ Von Randow: „Ich wollt’s ihnen gerade erläutern…“ Plasberg: „Das sagen Sie immer, dass Sie es gerade wollten. Ich verstehe nicht warum Sie mir als Vorbereitung verkaufen wollen, dass Sie tausende Flüge anbieten, diese jetzt streichen, um dann zu sagen, wir tun es aus Fürsorge für Dich, lieber Passagier.“ Der Applaus zeigt, wie sehr er dem Publikum aus der Seele spricht. Von Randow versucht es erneut. „Wir annullieren teilweise deswegen, um Kapazität aus dem System herauszunehmen, weil an einigen Stellen die Kapazität nicht da ist.“

„Hart aber fair“ (ARD): „Fliegen ist in diesen Tagen ein Abenteuerurlaub“

Plasberg ist nun kurz davor, sich diesem rhetorischen Windmühlenkampf zu ergeben, erwähnt noch kurz fehlende Co-Piloten und konstatiert konsterniert: „Fliegen ist in diesen Tagen ein Abenteuerurlaub und Herr von Randow stellt sich dem Abenteuer hier zu sein, das ist auch schön.“

Inga Böhle kommt ins Spiel, eine Urlauberin, die volle drei Tage auf Fuerteventura festhing, weil der Flug ausgefallen war. „Wir wurden wie die Schafe hin und hergefahren“, erzählt sie im Einspieler. Niemand habe sich gekümmert, einen ganzen Tag lang habe es keinerlei Verpflegung gegeben. Das Krisenmanagement des Reiseveranstalters TUI sei „katastrophal“.

Wolfgang Schuldzinski, Vorstand der Verbraucherzentrale in Nordrhein-Westfalen, greift das Beispiel auf: „Annullierungen seien nur „ein Ärgernis on Top“. „Das Besondere ist ja, dass man alles voraus bezahlt hat.“ Erstattungen kämen zu spät oder gar nicht. „Die Kommunikation ist immer das größte Ärgernis.“ Plasberg: „Wenn es einen trifft, ist es ein negativer Lottogewinn.“

„Hart aber fair“ (ARD): Wiedergutmachung per App

Um zu helfen, hat die Verbraucherzentrale eine Beschwerde-App programmiert, mit der Kunden nach wenigen Klicks wissen, was sie an Wiedergutmachung erwarten und auch gleich die Beschwerde lostreten können. Plasberg versucht es nochmals bei von Randow: „Wie finden sie diese App? „Finden wir gut“, sagt der und brüstet sich mit der elektronischen Kommunikation zwischen Airlines und Kunden, die es ja längst gebe. Dafür erntet er allgemeines Kopfschütteln. Und Schuldzinski kontert: „Wir mussten Eurowings, Lufthansa und Ryanair verklagen. Iberia und TAP auch. Da ging es genau um diese Kommunikationsform.“ Er selbst habe in einem Beschwerdefall von der Lufthansa ein Formular mit kleingedrucktem Text auf Englisch bekommen. „Das wirkte nicht sehr professionell.“

„Ist ein bisschen unfair, oder, Herr von Randow? Sie kriegen alles ab“, sagt Plasberg mitleidig. Den ficht das nicht an, er lobt den Moderator: „Wenn man mit Kunden arbeitet, dann müssen die Kunden auch einen Interessenvertreter haben, der mal nachfragt. Machen Sie doch klasse.“

In Zeiten der Hochinflation hat Schümer hat eine pragmatische Lösung: „Wenn ich mir das Ziel nicht leisten kann, dann fliege ich eben nicht.“ Er selbst wollte immer mal nach Bath in England. „Eine perfekt erhaltene Stadt aus dem 18. Jahrhundert. Ganz viele englische Klassiker spielen da.“ Amelie Fried wundert sich. Sie kennt Bath nur als „langweiliges Seebad“. Schümer klärt sie auf: „Ist nicht am Meer. Ist bei Bristol. In Westengland, aber nicht unten in Cornwall bei Rosamunde Pilcher, sondern ein bisschen weiter oben.“

Für die Zukunft malt Schümer ein düsteres Bild: „Die Preise werden immer mehr gering verdienende Menschen herauskegeln. Dann haben wir es wieder wie im 19. Jahrhundert. Der Lord und der Fabrikdirektor und der Herr Professor, die machen ein bisschen Bildungsurlaub. Und der Rest ackert schön zu Hause.“

Fazit des „hart aber fair“-Talks

So richtig Lust auf Urlaub wollte in dieser Sendung nicht aufkommen. Wie auch. Denn das war sicher nicht das Ziel. Mit der Beschwerde-App erhielt der Zuschauer allerdings einen handfesten Tipp, wie er sich gegen Reiseveranstalter wehren kann. Dazu gab es einen Eindruck dessen, wie angeschlagen die Tourismusbranche tatsächlich ist. (Michael Görmann)

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