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Polizeihubschrauber kreist tief über der Rosenheimer Innenstadt: Das steckt dahinter

Bundespolizei im Einsatz

Polizeihubschrauber kreist tief über der Rosenheimer Innenstadt: Das steckt dahinter

In der Rosenheimer Innenstadt sind am Freitagmittag (31. März) mehrere Polizeistreifen im Einsatz. …
Polizeihubschrauber kreist tief über der Rosenheimer Innenstadt: Das steckt dahinter
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Fachkräftemangel in Deutschland

Rainer Brüderle wettert bei „Hart aber fair“ gegen die Tarifverträge in der Pflege: „Das ist DDR light!“

Zu Gast bei Frank Plasberg: Rainer Brüderle (Präsident des bpa-Arbeitgeberverbandes; er vertritt den Verband in der Pflegekommission; ehem. FDP-Wirtschaftsminister) und Janine Wissler (DIE LINKE Parteivorsitzende).
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Zu Gast bei Frank Plasberg: Rainer Brüderle (Präsident des bpa-Arbeitgeberverbandes; er vertritt den Verband in der Pflegekommission; ehem. FDP-Wirtschaftsminister) und Janine Wissler (DIE LINKE Parteivorsitzende).

Moderator Frank Plasberg zeigt in seinem Talk im Ersten, dass es noch andere Probleme als den Krieg in der Ukraine gibt und widmet seine Sendung dem Fachkräftemangel in Deutschland.

Berlin – Es ist journalistisch mutig zu einer Zeit, in der die mutmaßlichen Kriegsverbrechen russischer Truppen in Butscha die weltweiten Schlagzeilen dominieren, den Blick auf den inländischen Arbeitsmarkt zu richten. Andererseits zeigt die Sendung unter dem spitzfindigen Titel „Die neue Arbeiter-Losigkeit: Warum gehen Deutschland die Fachkräfte aus?“, dass es durchaus Probleme gibt, die theoretisch einfacher lösbar sind als der Ost-West-Konflikt mit seinen blutigen Schlachten in Europa.

Die Runde, die hauptsächlich aus Akademikern besteht, ist sich in einem Punkt absolut einig: In Deutschland gibt es - obwohl überall dringend Bedarf besteht - zu wenig „Arbeiter“, neudeutsch „Fachkräfte“, oder wie Plasberg aufzählt: „Klempner, Elektriker, Heizungsfachleute“. Dass der Markt sich hier offenkundig nicht selbst reguliert, machen die vielen Erfahrungsberichte in der Sendung deutlich, in denen von „wochenlangen Wartezeiten“ für handwerkliche Arbeiten die Rede ist.

„Hart aber fair“ - diese Gäste diskutierten mit:

  • Hubertus Heil (SPD) - Bundesminister für Arbeit und Soziales
  • Janine Wissler (Die Linke) - Parteivorsitzende
  • Rainer Brüderle (FDP) - Präsident des bpa-Arbeitgeberverbandes, Bundeswirtschaftsminister a.D.
  • Simon Meinberg – Tischlermeister aus Berlin
  • Dieter Könnes – WDR-Journalist
  • Bettina Offer – Rechtsanwältin, spezialisiert auf Fachkräftezuwanderung und Ausländerbeschäftigungsrecht, im Einzelgespräch

„Warum?“, will Frank Plasberg von Arbeitsminister Hubertus Heil wissen. „Wir haben eine schräge Debatte gehabt, weil man gesagt hat, wir brauchen vor allem akademische Bildung“, ist der sich sicher. Eine Handwerksausbildung in Deutschland - entgegen aller Logik – habe nicht nur einen schlechten Ruf und bekomme wenig gesellschaftliche Wertschätzung, sondern könne sogar zu einer gesellschaftlichen Verachtung führen, schildert Tischlermeister Simon Meinberg.

Bereits im Alter von 15 Jahren stand für Meinberg nach ersten Erfahrungen in einem Holzbetrieb fest: Das mache ich auch. Doch als der damalige Gymnasiast seinen Schulkameraden von seinem Entschluss erzählte, statt Abitur eine Lehre zu machen, hätte er nur Skepsis und sogar Ablehnung erfahren. Erst als er mit Anfang 20 seinen Meister gemacht und ihm anschließend durch Kauf einer Stuhlfabrik der Sprung zum Jung-Unternehmer mit inzwischen über hundert Mitarbeitern gelungen sei, hätte sich sein gesellschaftliches Standing wieder verbessert.

Plasberg wird nach sexistischem Kommentar von Arbeitsminister Heil gerügt

Wie tief die Vorurteile sitzen, verdeutlicht kurz darauf der Kommentar des sonst so auf Tonfall und Ausdruck bedachte Plasbergs, dem hinsichtlich des unbeliebten Berufes rausrutscht: „Frauen“ würden doch „auf Tischler und Zimmerleute stehen“. Und sich damit sofort eine Rüge von Arbeitsminister Hubertus Heil einfängt, der zudem daran erinnern muss, dass der Beruf nicht ausschließlich Männer vorbehalten sei, es „ja auch Tischlerinnen“ gebe.

Auch Journalist Dieter Könnes tut dem angekratzten Image keinen Gefallen, als er der „jungen Generation“ pauschal einen Mangel an „Härte gegen sich selbst“ attestiert und von deren Weltfremdheit, „TikTok-Millionär“ zu werden, schwadroniert. Oder von „verdutzten“ Azubis, die „gar nicht“ gewusst hätten, dass sie für ihre Ausbildung „jeden Tag um sechs Uhr aufstehen“ müssten. Könnes Ausführungen bekommen Futter von Malermeister Stephan Michel, der in einem Einspieler von ständigen Abbrüchen seiner Azubis berichtet, denen der Beruf schlichtweg zu „anstrengend“ sei. „Viele können sich einen Beruf nicht vorstellen, wo man körperlich arbeitet und vielleicht auch schmutzig wird“, so Michel. Das auch simple Faulheit oder Disziplinmangel ein Grund sein könnte, lässt Arbeitsminister Heil an anderer Stelle durchklingen, als er eine Zahl nennt: „Zwei Drittel der Langzeitarbeitslosen in Deutschland haben gar keine Berufsausbildung“.

Von geplanten 500.000 Fachkräften sind 2021 37.000 in Deutschland eingegliedert worden

Dass das Thema Fachkräftemangel dann aber doch komplexer ist, zeigt eine Gegenüberstellung aktueller Heil-Aussagen mit jenen des ehemaligen Wirtschaftsministers Rainer Brüderle von 2011, der ebenfalls in der Runde sitzt. Deckungsgleich zählen beide Politiker die Problemfelder auf - ganz vorneweg: Schrumpfende Einwohnerzahl, fehlende Einwanderungsgesetzgebung. Warum hat sich noch nichts geändert?“, fragt Plasberg. Heil weiß darauf auch keine Antwort, hat aber einen Appell: „Nicht immer zurückschauen!“

Wie tief der Graben zwischen Anspruch und Wirklichkeit klafft, verdeutlicht Arbeitsrechtlerin Bettina Offer. Von angepeilten 500.000 Fachkräften seien in 2021 37.000 in Deutschland dem Arbeitsmarkt eingegliedert worden. Mit dem Slogan „Make it in Germany“ werbe die Bundesregierung Fachkräfte im Ausland über eine Internetseite an - doch da höre der Fortschritt schon auf. Offer, die von Arbeitgebern die Bürokratie von angeworbenen Fachkräften regeln soll, berichtet von komplett überlasteten Verwaltungsstrukturen. Monatelange Wartezeiten bei den zuständigen Ausländerbehörden, keine Möglichkeit, schriftlich Anträge einzureichen - weder per Post, E-Mail noch per Fax - sondern ausschließlich bei „persönlichem“ Erscheinen.

Rainer Brüderle wettert gegen die Einführung von Pflege-Tarif-Verträgen: Schwarzer Tag!

Außerdem nennt die Anwältin extreme Unterschiede bei den Behörden in der Abwicklung der Anträge: „Wir haben tatsächlich Arbeitgeber, die Listen führen mit Ausländerbehörden, die gut sind, und die ihre Mitarbeiter dann anweisen.“ Und in Folge den Umzug in einen anderen Kreis empfehlen. Das sei in „Bezug auf den internationalen Wettbewerb“ hinderlich. „In Kanada, den USA oder Holland“, so Offer, werde dagegen „der rote Teppich ausgerollt“.

Beim Thema Fachkräftemangel darf der Blick auf die Pflege nicht fehlen. Auch hier scheint die Lage besorgniserregend. Linke-Politikerin Janine Wissler führt auf, dass die Hälfte der Pflegekräfte, die in den vergangenen 25 Jahren ausgebildet wurden, inzwischen den Beruf gewechselt hätten, allein bis zu 200.000 in den vergangenen Jahren. Grund: Schlechte Arbeitsbedingungen. Rainer Brüderle macht sich in der Runde unbeliebt, als er die jüngst eingeführten Tarifverträge in dem Berufsfeld als „schwarzen Tag für die Pflege und die Tarifautonomie“ bezeichnet und „DDR light“ nennt. Er behauptet, die „durchschnittlichen Pflegelöhne liegen ein Drittel höher als zum Beispiel bei Arzthelferinnen“. „Man kann in diesem Land mit Pflege richtig viel Geld verdienen, vorausgesetzt, man ist keine Pflegekraft, sondern ein privater Pflegekonzern oder Krankenhauskonzern“, kommentiert Wissler. „Der Staat wird nicht zugucken können, wie in diesem Bereich das Problem noch zehn Jahre weitergetragen wird“, wirft Heil ein.

Fazit des „Hart aber fair“-Talks

Viel Problemanalyse und wenig Lösungsideen bleiben am Ende der Sendung. Heil beließ es bei Wünschen: „Wir brauchen Berufsorientierung an allen Schulformen“, „ein Fach ‚Arbeit, Technik, Wirtschaft‘, wo man auch die Rechte von Arbeitnehmern“ lerne. Außerdem einen „Schulterschluss zwischen Wirtschaft, Gewerkschaften und Politik“ für eine „Allianz für Aus- und Weiterbildung“, im besten Fall auch eine „Anerkennung von Auslandsqualifikationen“ - so der Arbeitsminister. Der liberale Polit-Oldie Brüderle ist da abgeklärter und setzt auf die „schweren Zeiten“, die kommen werden und ist sich sicher, dass sie „ein Umdenken“ einfordern werden. (Verena Schulemann)

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