ARD-Talk zu Winterspielen in China
„hart aber fair“-Runde bremst Olympia-Vorfreude ordentlich aus – Neureuther schockiert über Umweltzerstörung
„Was muss passieren, damit die olympische Idee nicht endgültig verhökert wird?“, fragt Frank Plasberg und debattiert über Menschenrechte und Umweltzerstörung.
Berlin - „Das ist eine Gegend, die hat mit Wintersport nichts zu tun.“ Der ehemalige deutsche Skirennfahrer und mehrfache Weltcup-Sieger Christian Neureuther zeigt sich schockiert angesichts der anstehenden Winterspiele in Peking und der damit einhergehenden Umweltzerstörung. In Zhangjiakou, dem Austragungsort vor den Toren Pekings, werden derzeit hektargroße „graue Sandflächen“ in einer der „trockensten Gegenden von ganz China“ mit gigantischen Maßnahmen in ein künstliches Wintersport-Eldorado verwandelt.
„Hart aber fair“ - diese Gäste diskutierten mit:
- Jürgen Hardt (CDU) - Außenpolitischer Sprecher der Fraktion
- Christian Neureuther - ehemaliger Skirennläufer und mehrfacher Weltcup-Sieger
- Tamara Anthony - Leiterin des ARD-Studios Peking
- Felix Lee - taz-Journalist
- Marina Schweizer - Deutschlandfunk-Moderatorin
Neureuther, der auf Einladung des Organisationskomitees der Pekinger Spiele vor Ort war, schildert seine Eindrücke anschaulich: „Zehntausend Quadratmeter zum Skifahren, 600 Lifte, Tausende Kilometer Piste“ seien gebaut worden. „Natürlich alles mit Kunstschnee, denn da regnet es nie. Im Winter schneit es maximal fünf Zentimeter.“ Die chinesische Führung habe Milliarden in Bewegung gesetzt, führt Neureuther auf. Allein die neue Rodelbahn habe in China mehrere Milliarden verschlungen. Neureuther hatte sich erst kurz zuvor mit schlimmen Corona-Befürchtungen* zu Wort gemeldet.
„Hart aber fair“*-Moderator Frank Plasberg hat geladen, um die Vergabe der Olympischen Winterspiele nach Peking zu debattierten, die der deutsch-chinesische Journalist Felix Lee in der Sendung als „Propagandashow der chinesischen Regierung“ bezeichnet. Eingerahmt wird der Talk von zwei kritischen ARD-Dokumentation über die Austragung in der Volksrepublik, eine davon hat Neureuthers Sohn Felix gedreht.
Peking lässt über 60 Kilometer Tausende Tonnen Wasser für Kunstschnee zuleiten
Ein Einspieler aus dem Dokumentationsfilm der ARD-Korrespondentin Tamara Anthony, die aus Peking via Satellit zugeschaltet ist, zeigt die künstliche Beschneiung im Bild und beschreibt das gewaltige Leitungssystem, das die Region nun über ein 60 Kilometer entferntes Reservoir speist, um den Tausende Tonnen umfassenden Kunstschnee zu ermöglichen, der nun über das weite Gebiet mit Maschinen abgerieselt wird.
Peking sei es sehr wichtig gewesen, erläutert der deutsch-chinesische Journalist Felix Lee die Haltung der chinesischen Führung, die erste Stadt in der Geschichte der Olympischen Spiele zu sein, in der sowohl die Olympischen Sommer- als auch Winterspiele stattgefunden haben. Auch im August 2008 war Peking Austragungsort der Wettkampfveranstaltung gewesen. Staatschef Xi Jinping* erklärte nun das Olympia-Gebiet zum neuen Wintersport-Gebiet des Landes und forderte die Bevölkerung zum Skifahren auf.
Neureuther kritisiert die Maßnahmen. „Größer und teurer“ könne nicht dauerhaft das Ziel des IOC sein. Bei seinem Besuch in China habe er ein Konzept für eine nachhaltige Olympiade vorgestellt: „Dass wir was für die Kinder, für die Jugendlichen entwickeln. Dass wir kein CO2 verbrauchen!“ Er habe gedacht, die Chinesen wollten darin Vorbild sein, doch sein Vortrag habe niemanden wirklich interessiert.
CDU-Sprecher Hardt: China vertut mit den Winterspielen eine Riesen-Chance
Seine Kritik am IOC, dessen Präsident derzeit der ehemalige deutsche Olympiasieger im Fechten Thomas Bach ist, den Neureuther persönlich kennt, sei, dass die Spiele wieder westliche Werte widerspiegeln müssten. In der Frage der Menschenrechte seien auch die Sportler gefragt, die „ordentlich Kante“ zeigen müssten, dann würde sich auch beim „IOC etwas ändern“, ist Neureuther sicher. Doch der 69-jährige IOC-Chef Bach wies die Anschuldigung ans IOC bereits öffentlich zurück: „Wir können unsere Regeln nicht einem souveränen Staat überstülpen, da ist die Politik gefragt und dort muss die Politik ihre Möglichkeiten nutzen“, wird sein Zitat in der Sendung vorgespielt.
Der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion Jürgen Hardt sieht die Aussage kritisch und stellt klar: „Es ist keine innere Angelegenheit Chinas*, es sind die Menschenrechte der Vereinten Nationen, in denen China als ständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat sitzt.“ Hardt stimmt Neureuther zu und befindet „China vertut eine Riesen-Chance“. Nachhaltige Spiele hätten dafür gesorgt, dass „die Welt mit offenem Mund daneben steht“ und von der Innovationskraft der Chinesen überrascht worden wäre.
ARD-Korrespondentin beklagt: China nutzt Corona dazu, um Journalisten einzuschränken
Der Journalist Lee erklärt, dass in China bis heute die mRNA-Impfstoffe* aus „nationalistischen Gründen“ nicht zugelassen worden seien, obwohl China das erste Land gewesen sei, dass mit Biontech einen Vertrag geschlossen habe. Lee bemängelte, dass für das Internationale Olympische Komitee (IOC) „lupenreine Demokratie“ kein Kriterium mehr sei. 2008 habe man sich „immerhin noch darum bemüht, Pressefreiheit zu ermöglichen“, so Lee, inzwischen sei das „alles überhaupt kein Thema“ mehr.
Anthony bestätigt den Vorwurf und berichte von der eingeschränkten Bewegungsfreiheit als Journalistin, so sei ihr der Besuch gewisser Dörfer außerhalb Pekings untersagt worden. Während der Olympischen Spiele werde sie von der chinesischen Außenwelt komplett abgeschnitten sein und dürfe sich nur noch in zugewiesenen Hotels und Transportmitteln aufhalten. Das Druckmittel der Regierung sei das Visum, um dessen Verlängerung einige Journalisten kämpfen müssten und das die Grundlage ihrer Arbeit darstelle. Zudem werde der „Schutz vor Corona*“ von der Regierung genutzt, „um zu verhindern, dass wir Journalisten uns frei bewegen“. Gleichzeitig würde damit Misstrauen gegenüber Ausländern geschürt werden: „Sie wechseln die Straßenseite oder setzen ihre Masken auf, wenn sie mich sehen“, schildert die ARD-Journalistin.
Der CDU-Abgeordnete Hardt gibt zu bedenken, dass sich Deutschland „zu abhängig“ von der Volksrepublik gemacht habe. Wichtige Lieferketten und „viele Arbeitsplätze seien in Deutschland vom Handeln mit China abhängig“, das Handelsvolumen liege bei rund 200 Milliarden Euro es brauche nun die Hilfe der Politik, um die Produktion der Schlüsselindustrie wieder auf nationale Beine zu stellen.
Fazit des „Hart aber fair“-Talks
Die Sendung war eine echte Spaßbremse. Auch Plasberg* fragte am Ende seine Gäste, ob sie die Spiele nun vor dem heimischen Fernseher boykottieren würden, wie es ein Zuschauer über die Kommentarmöglichkeit der Sendung angeregt hatte. Soweit wollte keiner der Anwesenden der Runde gehen. Doch nachhaltige Olympische Spiele - so die Stimmung in der Runde - könnten auf alle Fälle mal ein Versuch wert sein. (Verena Schulemann) *Merkur.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.