Lukaschenko verursacht Probleme
Grenzkontrollen? Seehofer plant schnelle Schritte - Merkels Sprecher macht Klarstellung
- VonAndreas Schmidschließen
Die deutsch-polnische Grenze wird zum illegalen Übertritt genutzt. Die Ursache liegt in Belarus. Als Gegenmaßnahme werden auch Grenzkontrollen diskutiert.
Frankfurt (Oder) - An der deutsch-polnischen Grenze könnten bald wieder Grenzkontrollen durchgeführt werden. (Noch-)Innenminister Horst Seehofer (CSU) beschäftigt sich mit entsprechenden Schritten. Der CSU-Politiker will das Thema am Mittwoch (20. Oktober) ins Kabinett bringen. Die Bundespolizeigewerkschaft hatte zuvor bereits Grenzkontrollen eingefordert.
Grenzkontrollen: „Derzeit werden weitere Maßnahmen zur Verhinderung illegaler Migration abgestimmt“
Der Vorsitzende der Bundespolizeigewerkschaft, Heiko Teggatz, möchte zumindest temporäre Kontrollen. Er begründete dies in einem Schreiben an Seehofer mit einem „explosionsartigen“ Anstieg der Zahl der Aufgriffe und mit der Gesundheitsgefährdung für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bundespolizei, wie die Bild-Zeitung berichtete. „Seit mehreren Monaten steigen die Zahlen der Aufgriffe nahezu explosionsartig an“, zitierte das Blatt aus dem Brief der Bundespolizeigewerkschaft. Nur mit der Einführung temporärer Grenzkontrollen könne die Bundesregierung einem „Kollaps“ an den Grenzen wie 2015 vorbeugen.
Die Bundesregierung habe das Thema auf der Agenda, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag. Es handle sich um eine „Situation, die wir intensiv im Blick haben“, im Kabinett werde man „Optionen des Handelns“ vorstellen. Seibert verwies unter anderem auf eine „verstärkte Schleierfahndung“. „Derzeit werden weitere Maßnahmen zur Verhinderung illegaler Migration abgestimmt“, sagte eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums*. Details wollte sie nicht nennen. Ihr zufolge kamen seit August rund 4500 Menschen ohne Einreiseerlaubnis über die polnisch-deutsche Grenze.
Andreas Roßkopf, Vorsitzender des Bezirks Bundespolizei der Gewerkschaft der Polizei (GdP), sieht „aktuell keinen Anlass für Grenzkontrollen“. Das sagte er der dpa und fügte hinzu: „Ja, es muss reagiert werden, aber wir bevorzugen eine Intensivierung der Grenzfahndung.“
Deutsch-polnische Grenze: fast 500 illegal eingereiste Menschen am Wochenende
Am Wochenende haben Bundespolizisten fast 500 unerlaubt eingereiste oder eingeschleuste Migranten in Gewahrsam genommen. Die meisten von ihnen wurden in Brandenburg festgestellt. Wie die Berliner Bundespolizei am Montag bekanntgab, seien dort 288 Menschen aufgegriffen worden. Vorrangig handelte es sich bei ihnen um Menschen aus Syrien, Jemen, Irak oder Iran.
In Sachsen nahm die Bundespolizei am Wochenende insgesamt 135 Menschen in Gewahrsam, wie die Bundespolizei in Pirna mitteilte. Die Flüchtlinge seien über Weißrussland nach Polen* kommend ohne Visa nach Deutschland eingereist oder eingeschleust worden. Sie seien an die Ausländerbehörde übergeben worden.
An der deutsch-polnischen Grenze in Mecklenburg-Vorpommern meldete die Bundespolizei zunächst ein ruhiges Wochenende mit Blick auf illegale Migration. In den Abend- und Nachtstunden des Sonntags habe es jedoch „verstärkt unerlaubte Einreisen“ gegeben, wobei 54 Menschen in Gewahrsam genommen worden seien. Bei ihnen handelte es sich demnach vorwiegend um Menschen aus dem Irak und dem Iran.
Grenzkontrollen: Brandenburgs CDU-Innenminister skeptisch
Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) sieht mögliche Grenzkontrollen derweil skeptisch. „Ob die Kapazitäten der Bundespolizei ausreichen, mehrere hundert Kilometer Grenze zu Polen zu kontrollieren und ob der Aufwand sich lohnt, kann nur die Bundesregierung entscheiden“, sagte Stübgen am Montag der Deutschen Presse-Agentur. „Ich habe meine Zweifel, dass temporäre Grenzkontrollen das Problem lösen und warne vor einer Eskalationsspirale an der deutsch-polnischen Grenze. Grenzkontrollen oder gar Grenzschließungen würden das tägliche Leben für zigtausend Deutsche und Polen in der Grenzregion enorm belasten.“
Seibert machte derweil deutlich, dass sich die Grundhaltung der Bundesregierung, die bisher keine Grenzschließungen im europäischen Schengenraum vorsieht, nicht geändert habe. Er verwies auch darauf, dass die Lage an der polnisch-deutschen Grenze „in keiner Weise“ mit der Situation während der Flüchtlingskrise von 2015 zu vergleichen sei.
Heiko Maas: „Lukaschenko ist der Chef eines staatlichen Schleuserrings“
Die Ursache für die Flüchtlinge sitze in Minsk, die Lösung in Moskau, argumentierte Stübgen. Der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko hatte Ende Mai als Reaktion auf verschärfte westliche Sanktionen gegen sein Land angekündigt, dass Minsk Migranten nicht mehr an der Weiterreise in die EU hindern werde. Seitdem mehren sich Meldungen über versuchte irreguläre Grenzübertritte an den EU-Außengrenzen zu Belarus sowie an der deutsch-polnischen Grenze*.
Auch eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes* machte die Regierung in Belarus für die Lage verantwortlich. Die „schwierige Situation“ sei „bewusst von den Machthabern in Minsk herbeigeführt“ worden, sagte sie. Außenminister Heiko Maas (SPD) attackierte Lukaschenko ebenfalls. „Wir sehen uns in Europa konfrontiert mit der Tatsache, dass Lukaschenko Flüchtlinge als Instrument benutzt, um Druck auf europäische Staaten auszuüben“, sagte er. Er sei „nichts anderes als der Chef eines staatlichen Schleuserrings“. (as/dpa/AFP) *Merkur.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.
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