Söders Koalition setzt im Bierzelt auf Winnetou, FDP watscht alle ab – Von „Mimimi“-CSU bis „Ideologie“-Grünen

Das Bierzelt ist zurück: Beim Gillamoos sahen CSU und Freie Wähler ihre Stunde gekommen – und griffen kräftig in die Saiten. Mit „Winnetou“, „Layla“ und „Ideologie“-Schelte.
Abensberg – Nach drei Jahren Pause sind die bayerischen Parteien beim Gillamoos ins Bierzelt zurückgekehrt. Große Erkenntnisse brachten die Reden beim „politischen Frühschoppen“ erwartungsgemäß nicht. Aber immerhin ein paar kleinere Überraschungen:
Unter anderem einen CSU-Ministerpräsidenten, der die Ampel „lobt“. Und, schon vor dem Gillamoos-Auftritt, trotz Zugehörigkeit zum „Team Vorsicht“, einen Oktoberfest-Besuch ohne Maske ankündigt. Dazu einen FDP-Landeschef, der den eigenen Koalitionspartnern im Bund sachte „Ideologie“ vorhält. Letzteres geriet auch zum großen Profilierungsthema von Söders Stellvertreter Hubert Aiwanger (Freie Wähler). Die wichtigsten Gillamoos-Reden im Überblick:
Söder beim Gillamoos: CSU-Chef liefert zwei Überraschungen – Ampel-Lob und Masken-Nein
Markus Söder äußerte sich in seiner Rede überraschend milde zum Entlastungspaket der Bundesregierung. „Da geht vieles in die richtige Richtung“, sagte er. Manche Ungerechtigkeit werde beseitigt, etwa durch die geplanten Hilfen für Rentner und Studenten. Das lobe und unterstütze die CSU. Allerdings sei manches nicht ausreichend. So falle die Erhöhung des Kindergelds zu gering aus - „mit 18 Euro kommt keine Familie über den Monat“.
Söder kritisierte zudem, die Ampel-Koalition kümmere sich zu wenig um die Energiekrise. Es sei im Entlastungspaket kein Wort zu möglichen Quellen für Ersatzenergie für das Gas aus Russland gesagt worden. „Wir brauchen ausreichend Gas!“, mahnte Söder. Keine einzige Reise der Bundesregierung etwa nach Katar oder Norwegen habe zu Lösungen geführt, während auf der anderen Seite etwa Italien kurz vor der Parlamentswahl Ergebnisse vorweisen könne.

„Es muss Ersatzenergie her, das ist das Entscheidende“, sagte Söder. Der bayerische Ministerpräsident bekräftigte zugleich seine Forderung, die Laufzeiten der derzeit noch laufenden Atomkraftwerke zu verlängern. „Wir brauchen den Strom.“ Söders Co-Redner Hendrik Wüst (CDU) forderte die Bundesregierung auf, Politik für die Menschen zu machen, „die den Laden am Laufen halten“. Handwerker und der Mittelstand bräuchten Entlastung, sonst seien Arbeitsplätze gefährdet.
Söder pries vor dem Publikum im Hofbräuhaus-Festzelt in Abensberg die Bedeutung der bayerischen Volksfeste: „Wir brauchen wieder Lebensfreude!“, rief er. Zugleich habe sich die Corona-Lage verändert, es gebe Masken und Impfungen, zitierte der BR den Ministerpräsidenten. Allerdings hatte Söder wenige Stunden zuvor öffentlich angekündigt, ohne Maske das Münchner Oktoberfest besuchen zu wollen. „Ich komme ohne Maske“, sagte er der Bild – dafür erntete der CSU-Chef am Tag seines Groß-Zelt-Comebacks einigen Unmut. Bei der CSU dröhnte zur Einstimmung übrigens die Titelmelodie der „Winnetou“-Filme aus den Lautsprechern. Zuvor hatte die Saal-Regie schon den umstrittenen Ballermann-Hit „Layla“ abgefeuert.
Gillamoos: FDP-Chef Hagen bespöttelt Söder – und rückt Habecks Grüne ins Ideologen-Lager
Kritik und Spott erntete Söder auch beim Gillamoos - unter anderem vom bayerischen FDP-Chef Martin Hagen. „Söder hat seit Jahresbeginn erst an drei Landtagssitzungen teilgenommen, aber in den letzten fünf Wochen dreizehn Volksfeste besucht“, lästerte Hagen und fügte hinzu: „Gut so - im Bierzelt kann er deutlich weniger Schaden anrichten als auf der Regierungsbank im Maximilianeum.“ Zudem kritisierte Hagen „Söders Gejammere über die angebliche Benachteiligung des Freistaats“. Das passe nicht zu Bayern. „Ich wünsche mir wieder mehr „Mia san mia“ und weniger „Mimimi“.
Allerdings hatte Hagen auch für die Koalitionspartner im Bund eine bittere Pille dabei: „Springt endlich über euren ideologischen Schatten. Unser Land braucht eine zuverlässige Stromversorgung“, erklärte er – und forderte unter anderem Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) auf, „die am Atomkraftwerke am Netz“ zu lassen. Habeck will noch am Abend eine Pressekonferenz zum lange erwarteten Strom-Stresstest geben.
Aiwanger will als Erzkonservativer punkten – mit Winnetou und Verbrenner-Motor
Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger holte in seiner Rede zum Rundumschlag aus, insbesondere gegen die Bundesregierung und die Ampel-Parteien. Er warf SPD, Grünen und FDP eine „Politik aus dem Gruselkabinett“ vor und sagte: „Unser Hauptproblem in Deutschland ist diese Bundesregierung.“
Das Volk müsse wieder sagen, wo es lang gehen solle, „und nicht ein paar schräge Ideologen in Berlin“. Aiwanger versuchte auch in einer seit Tagen schwelenden Debatte zu punkten und forderte plakativ „Nein zu kultureller Bevormundung durch weltfremde Ideologen, Ja zu Winnetou!“ Aiwanger ließ auch einen Mann auf die Bühne kommen, dessen Kostümierung an den Karl-May-Helden erinnerte. Ein Plädoyer hielt der Freie-Wähler-Chef zugleich für den Verbrennungsmotor: Dieser sei „das Rückgrat“ des Handwerks und der Landwirtschaft.
Söder-Schelte von Kühnert beim Gillamoos: „Gestern Bäume umarmt, heute Atomkraft“
Für die SPD stieg Generalsekretär Kevin Kühnert in den Ring. Er hatte es – wenig überraschend – bei seinem Bayern-Besuch ebenfalls auf Söder abgesehen. Dieser halte bei Corona-Fragen den Finger in den Wind, rügte der SPD-Generalsekretär. „So agieren Menschen, die gar keinen politischen Standpunkt haben“. Im Sommer sei Söder gegen Corona-Maßnahmen, im Winter dann wieder dafür.
Auch Bayerns SPD-Chef Florian von Brunn warf Söder politische Richtungswechsel vor: „Gestern noch Bäume umarmt, heute wieder Atomkraft.“ Söders „Profilierungsversuche“ seien grundfalsch, außerdem erscheine er nicht einmal regelmäßig zur Arbeit, monierte von Brunn. Söder habe in diesem Jahr an lediglich drei Landtagssitzungen teilgenommen.
Grüner Hofreiter will Söder Feuer machen: „Im nächsten Jahr regieren wir Bayern“
Eine markige Ankündigung auch abseits der obligatorischen CSU-Schelte hatte der oberbayerische Bundestags-Grüne Anton Hofreiter vorbereitet. „Im nächsten Jahr regieren wir Bayern“, sagte er unter dem Applaus der Festzelt-Besucher. Von der CSU forderte er „die Größe“, Fehler zuzugeben, etwa dass die 10-H-Regelung die Windkraft zum Erliegen gebracht habe. Die CSU solle eingestehen, zu feige gewesen zu sein. „Das würde ich erwarten von Leuten, die ein so schönes und wichtiges Land wie Bayern regieren.“
Ins Visier nahm Hofreiter auch die AfD. Die „Rechtsradikalen im Landtag“ ließen sich zur „fünften Kolonie Putins“ machen, schimpfte er. „Wir werden dafür sorgen, dass die Gegner der Demokratie endlich wieder unter die Fünf-Prozent-Hürde fallen.“ Es brauche klare Kante gegen Rechts, anstatt dieser Gruppe nachzulaufen und ihre Sprache zu übernehmen – wohl ein Seitenhieb auf Söders Landtagswahlkampf 2018. (dpa/fn)