Nach Xinjiang-Enthüllungen: Baerbock fordert mehr Härte im Umgang mit China

Die deutsche Außenministerin macht Ernst mit ihrer wertebasierten Außenpolitik: Gegenüber China verschärft Annalena Baerbock zunehmend den Ton.
München/Berlin – Die Enthüllungen der „Xinjiang Police Files“ über chinesische Menschenrechtsverletzungen an der Volksgruppe der Uiguren und anderen ethnischen Minderheiten hat auch die deutsche Politik erschüttert; von Bundeskanzler Olaf Scholz über Wirtschaftsminister Robert Habeck bis zu Außenministerin Annalena Baerbock zeigte sich das politische Berlin entsetzt über die Berichte über Umerziehungslager im Nordwesten Chinas. Im Gespräch mit Mitgliedern des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe forderte Baerbock nun eine härtere Gangart gegenüber Peking.
Die Bundesregierung setze weiterhin auf Dialog, schweige aber Kritisches nicht tot, so Baerbock laut einer Mitteilung des Bundestags. Es brauche eine klare Haltung und Sprache, auch um sich selbst nicht dem Vorwurf der Doppelmoral auszusetzen. Die Grünen-Politikerin kritisierte demnach auch die Reise der UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet, nach Xinjiang. Derartige Besuche seien nicht sinnvoll, wenn Vorwürfe von schwersten Menschenrechtsverletzungen nicht aufgeklärt werden könnten, so Baerbock. Bereits am Montag hatte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes gesagt: „Aufgrund der chinesischen Beschränkungen war während der Reise ein freier, ungehinderter Zugang zu Personen und Orten nicht möglich. Eine unabhängige Einschätzung der Lage vor Ort war dadurch ausgeschlossen.“
China am Pranger – wegen Menschenrechtsverletzungen und Russland-Unterstützung im Ukraine-Krieg
Bachelets China-Besuch war die erste Visite einer UN-Menschenrechtskommissarin in dem Land seit 17 Jahren. In der Provinz Xinjiang sollen Menschenrechtsorganisationen und Zeugen zufolge Hunderttausende Menschen, vor allem Angehörige der muslimischen Uiguren, in Umerziehungslagern gefangengehalten werden. Peking bestreitet die Vorwürfe und spricht von Ausbildungszentren, die freiwillig besucht würden. Bachelet hatte nach ihrem zweitägigen Besuch in Xinjiang nur sehr verhalten Kritik an der Regierung in Peking geübt und betont, sie habe in der Region keine „Untersuchung“ durchgeführt, sondern lediglich Gespräche mit Regierungsvertretern sowie Mitgliedern aus der Zivilgesellschaft und Vertretern religiöser Gruppen geführt.
Chinas Menschenrechtsverletzungen haben, ebenso sowie Russlands Vorgehen im Ukraine-Krieg, in der deutschen Politik eine Diskussion über die Abhängigkeit der Bundesrepublik von autoritär regierten Staaten ausgelöst. Im Menschenrechtsausschuss sagte Baerbock nun, ihr Ministerium arbeite an einer neuen China-Strategie, die auch auf diese Problematik eingehen werde. Es gehe darum, wirtschaftliche Abhängigkeiten zu reduzieren; außerdem gerieten die Lieferketten deutscher Unternehmen verstärkt in den Blick, um Zwangsarbeit und Menschenrechtsverletzungen auszuschließen. Im kommenden Jahr tritt das sogenannte Lieferkettengesetz in Kraft, das Unternehmen verpflichtet, für die gesamte Lieferkette – vom Rohstoff bis zum fertigen Verkaufsprodukt – sicherzustellen, dass die Einhaltung der Menschenrechte gewährleistet ist. Betroffen sind zunächst nur Unternehmen mit mindestens 3000 Beschäftigten.
Baerbock hatte sich in der vergangenen Woche mit ihrem chinesischen Amtskollegen Wang Yi, der sich derzeit auf einer ausgedehnten Reise durch den Südpazifik befindet, in einer Videokonferenz ausgetauscht. Dabei sprach sie laut Auswärtigem Amt auch die „schockierenden Berichte und neuen Dokumentationen über schwerste Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang“ an. Darüber hinaus forderte sie Peking auf, den russischen Angriff auf die Ukraine zu verurteilen. China behauptet, sich im Ukraine-Krieg neutral zu verhalten; zuletzt bekräftige der chinesische Außenminister allerdings erneut das Bündnis seines Landes mit Russland. In einer Rede nannte er den russischen Außenminister Lawrow einen „alten Freund“. (sh)