Update vom 8. September 13:15 Uhr: Vertreter von Union* und FDP* haben sich für Verhandlungen mit der neuen Taliban Regierung in Afghanistan ausgesprochen, um die Ausreise deutscher Ortskräften zu ermöglichen. Deutschland müsse hier „der bitteren Realität ins Auge blicken: Ohne die Taliban wird das nicht zu erreichen sein“, sagte Unionsfraktionsvize Thorsten Frei (CDU) den Zeitungen der Funke Mediengruppe am Mittwoch. „Die Bundesregierung muss daher mit den Taliban in Verhandlungen treten.“
Frei verwies dabei auf das Treffen von Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) am Mittwoch (8. September) mit seinem US-Kollegen Antony Blinken auf der Militärbasis Ramstein*. Es komme darauf an, „dass wir einen ehrlichen Blick auf die Lage in Afghanistan haben“, sagte er. „Realität ist, dass die Taliban in Kabul herrschen.“
Auch die FDP-Wehrexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann sagte im Deutschlandfunk, es führe kein Weg daran vorbei, dass sich Vertreter der Bundesregierung „mit dem ein oder anderen Taliban (...) an einen Tisch setzen“. Ziel müsse es sein, Menschen, die hoch gefährdet seien, und deutsche Ortskräfte aus Afghanistan zu holen.
Erstmeldung vom 8. September: Kabul - Drei Wochen nach ihrer Machtübernahme in Afghanistan* haben die radikalislamischen Taliban am Dienstag erste Mitglieder ihrer Regierung vorgestellt. Doch daran gibt es scharfe Kritik: In der Interims-Regierung sind ausschließlich Anhänger der Taliban vertreten - und keine einzige Frau. Auch aus der afghanischen Gesellschaft erfahren die neuen Machthaber deshalb Gegenwind.
Trotz der Versuche der militant-islamistischen Taliban*, diese teils mit Gewalt zu unterdrücken, gibt es in Afghanistan weiterhin Proteste. Am Mittwoch (8. September) demonstrierten rund 20 Frauen im Stadtteil Dascht-e Bartschi im Westen der Hauptstadt Kabul. Das berichteten Videos in sozialen Medien und lokale Journalisten. Die Frauen riefen „Ein Kabinett ohne Frauen wird versagen“ und kritisierten damit die am Dienstag verkündete Übergangsregierung der Taliban, die ein reines Männerkabinett ist.
Die Frauen hielten auch Schilder mit den Worten „Arbeit, Bildung, Freiheit“ und „Wieso sieht die Welt stillschweigend zu?“ hoch. Ein kleinerer Frauenprotest wurde aus der Stadt Faisabad im Norden berichtet, der lokalen Medienberichten zufolge aber schnell aufgelöst wurde.
Auch in Kabul finden den dritten Tag in Folge Proteste statt. Die Demonstrationen richteten sich bisher teils gegen eine mutmaßliche Einmischung Pakistans in Afghanistan, forderten teils mehr Frauenrechte oder kritisierten die gewaltsame Übernahme der Provinz Pandschir durch die Taliban am Montag (6. September).
In den Provinzen Gasni und Ghor verhinderten die Islamisten am Dienstag laut Einwohnern Demonstrationen. In der Stadt Herat im Westen kam es am Dienstag zu gewaltsamen Zusammenstößen. Ein Aktivist aus der Stadt sagte am Mittwoch, es seien mindestens zwei Demonstranten getötet und sieben verwundet worden. Die Taliban feuerten demnach Schüsse ab, um die Demonstranten auseinanderzutreiben.
Am Dienstag nahmen die Taliban eine Gruppe von Reportern und Kameramännern für mehrere Stunden fest, nachdem sie über den Protest in Kabul berichteten. Mehrere große lokale TV-Sender stellten daraufhin am Mittwoch die Berichterstattung über die Proteste ein. Offenbar kam es erneut zu Zusammenstößen mit Medienvertretern. Ein Reporter der „Los Angeles Times“ schrieb am Mittwoch auf Twitter, er und sein Fotograf seien von Taliban herumgeschubst worden, als sie versuchten, über einen Frauenprotest in Kabul zu berichten. (dpa/AFP/sf) *Merkur.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA