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„Zeiten der Überfülle sind vorbei“

Dürre immer schlimmer: In Europas Mitte wächst die Angst

Dürre in Italien
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Gondeln liegen bei Ebbe an einem Kanal. Die Dürre im Norden Italiens nimmt nach Einschätzung von Umweltschützern immer alarmierendere Ausmaße an.
  • Wolfgang Hauskrecht
    VonWolfgang Hauskrecht
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Kaum Schnee, kein Regen – in vielen europäischen Ländern ist das Wasser knapp. In Italien kann man zu Fuß durch den Gardasee spazieren, in Frankreich gibt es das erste Autowaschverbot. Ob die Dürre bis in den Sommer reicht, ist unklar, fest steht aber: Seit 2018 ist es in Mitteleuropa so trocken wie noch nie.

München – Normalerweise ist die kleine Insel San Biagio im Gardasee nur per Boot erreichbar. Aber der Gardasee hat Durst. Die anhaltende Trockenheit hat den Wasserpegel auf den niedrigsten Stand seit 2002 sinken lassen – und einen Pfad freigelegt, über den jetzt Touristenscharen zu Fuß auf das Inselchen laufen. Was romantisch anmutet, verheißt aber wenig Gutes. Seit 2018 sind die Winter zu trocken. Dieses Jahr ist es wieder so. Geht es so weiter, dürfte schon bald Trockenheitsalarm herrschen.

Die Alpen sind eigentlich eine Region mit viel Niederschlag, weil sie die Wolken bremsen und abregnen lassen. Wasser wird in Form von Schnee und Eis gespeichert, das dann mit der Schmelze Flüsse, Seen und Grundwasser speist, wie Hydrogeologe Johannes Barth von der Friedrich-Alexander-Uni Erlangen-Nürnberg erklärt.

Die Realität: Es schneit zu wenig – mal wieder. Und Regen gab es im Februar in weiten Teilen Europas auch kaum. Auch Deutschland ist betroffen, aber vor allem Frankreich, die Schweiz, Italien und Teile Österreichs. In den Alpen habe es nur 50 bis 60 Prozent des sonst üblichen Schneefalls gegeben, sagt Andreas Marx, Klimaexperte und Leiter des Mitteldeutschen Klimabüros des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig. „Das ist sehr wenig. Ein Defizit von 40 Prozent kommt sehr selten vor.“

In Italien sind sogar 53 Prozent weniger Schnee als im langjährigen Mittel herabgerieselt. Auch der Regen blieb aus. Im Becken des Po, des größten Flusses Italiens, sind die Niederschläge um 61 Prozent gesunken. In Frankreich wird nach mehreren praktisch regenfreien Wochen schon jetzt ein zweiter Dürre-Sommer in Folge befürchtet.

Klimawandel verändert Jetstream

Verantwortlich für den geringen Niederschlag sind blockierende Hochdruckgebiete über Westeuropa, die Regenfronten abdrängen. Solche Wetterlagen mit extrem regenarmen Jahren habe es schon früher gegeben, sagt der Meteorologe Klaus Haslinger von GeoSphere Austriae. Aber es gebe Indizien, dass die globale Erwärmung diese Temperatur-Muster begünstige. Auch Marx vom Helmholtz-Zentrum verweist auf den Klimawandel. Durch den sich erwärmenden Nordpol habe sich der sogenannte Jetstream, ein sich dynamisch verlagerndes Starkwindfeld, verändert – mit der Folge, dass Druckgebiete langsamer als früher über Europa und die gesamte Nordhalbkugel ziehen. Niederschlagsfelder bleiben länger – aber eben auch Hochdruckgebiete, die Regenfelder abdrängen. Die Folge ist Trockenheit, „weil die Tiefdruckgebiete nicht zu uns kommen“. Dass der Klimawandel darauf einen Einfluss habe, sei gesichert, nicht aber, wie stark der Einfluss genau ist. 

Die aktuelle Winter-Dürre ist Teil eines Trends, der seit 2018 andauert. Zu trockene Winter, die Schäden verursachen. Für 2023 befinde man sich noch in einer Art Vorwarnstufe, betont Marx. „Es kann auch sein, dass es in den nächsten Monaten relativ nass wird. Dann entstehen vielleicht keine Schäden. Natürlich weisen die Lobby-Verbände schon jetzt auf die Situation hin, weil damit ja auch Forderungen verbunden sind.“ Aber das allein ist es nicht. Europa, sagt Marx, habe seit 2018 viele Dürrejahre gehabt. Mittel- und vor allem Südeuropa sei stark für dieses Thema sensibilisiert. „Viele Akteure sind nervös, weil sie große Schäden erlebt haben.

Frankreich arbeitet an Wassersparplan

Beispiel Frankreich, wo es letzten Sommer extrem heiß und trocken war. Waldbrände waren eine Folge. Die andere: Die Pegel in den Flüssen waren niedrig, das Wasser deshalb wärmer. Das führte zu Problemen bei der Kühlung thermischer Kraftwerke, insbesondere der Atomkraftwerke. Trotz Gaskrise habe Deutschland Gas und Strom nach Frankreich exportiert, um das französische Stromnetz zu stabilisieren, erinnert Marx. 2018 und 2019 habe es ähnliche Probleme in der deutschen Stromversorgung gegeben.

In Frankreich ist man derzeit hypernervös. Nach aktuellen Daten des nationalen Wassermonitorings weisen von 422 beobachteten Grundwassergebieten schon jetzt 125 ein sehr niedriges Niveau auf, 120 ein niedriges Niveau und 97 ein mäßig niedriges Niveau. Gestern beriet Umweltminister Christophe Béchu mit den Präfekten der großen französischen Grundwasser-Reservoirs. „Wir sind beim Grundwasserstand zwei Monate im Verzug“, warnte er. Der Verbrauch sei bereits in vier Départements eingeschränkt. Im Département Pyrénées-Orientales etwa dürfen bis zum 30. April keine Autos gewaschen und keine Rasen gesprengt werden. „So etwas ist noch nie da gewesen“, sagte Béchu.

In Frankreich ist zu Jahresbeginn an 32 Tagen in Folge kein Regen gefallen, das ist die längste Trockenperiode seit Beginn der Aufzeichnungen. „Die Zeiten der Überfülle sind vorbei“, sagte Präsident Emmanuel Macron am Sonntag. „Wir brauchen einen Plan, um zu sparen.“ Frankreich war bisher mit Wasser verschwenderisch. Laut Béchu geht ein Fünftel des Trinkwassers durch marode Leitungen verloren. 

Kleinere Kanäle in Venedig nicht mehr befahrbar

In Norditalien leiden vor allem die Landwirte. Nach dem regenfreien Februar im „Food Valley“ drohe ein Minus bei der nationalen Lebensmittelproduktion um 40 Prozent, schrieb die Zeitung „La Repubblica“. Niemand könne sich an eine schlimmere Trockenheit erinnern. Die Landwirte brauchen das Alpen-Schmelzwasser, um die Felder zu bewässern. Marx: „Es ist absehbar, dass dieses Wasser nicht ausreichend zur Verfügung stehen wird.“ 

Die Dürre zeigt sich auch in Italiens Seen. Nicht nur der Gardasee schwächelt. Der Lago Maggiore, der zum Teil in der Schweiz liegt, ist nur noch zu 38 Prozent gefüllt. Beim Comer See sieht es ähnlich aus. In Rom hat die Trockenheit den Tiber um 1,50 Meter abgesenkt. In der Lagunenstadt Venedig liegen wegen des Wasserstandes viele Gondeln im Schlamm, kleinere Kanäle sind gar nicht mehr befahrbar. Bei Ebbe wurde zuletzt ein Wasserstand von mehr als 65 Zentimetern unter dem normalen Niveau gemessen. Allerdings ist dort der Grund eine Mixtur aus den jüngsten Hochdruck-Wetterlagen, dem Gezeitenverlauf und damit dem niedrigen Meeresspiegel.

Tiefer Wasserstand am Lago Maggiore. Im Tessin herrscht auch diesen Winter große Trockenheit. Die Niederschlagsmengen liegen unter der Hälfte der Mittelwerte der letzten Jahre.

Ob 2023 wieder ein Dürre-Jahr wird, da will sich Marx noch nicht festlegen. „Im Februar ist nicht der Zeitpunkt, um über Dürreschäden im Sommer zu reden. Es kann sein, dass es in den nächsten Monaten relativ nass wird“, erklärt er. „Wenn die aktuelle Trockenheit aber bis Ende April anhält, kann man mit großer Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass die Trockenheit über den Sommer zum Problem wird.“

Das WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF im schweizerischen Davos hat in einer Studie festgestellt, dass die Zahl der Dürren, die durch Schneeschmelzdefizite ausgelöst wurden, im Zeitraum 1994 bis 2017 um 15 Prozent höher war als in den Jahren 1970 bis 1993. Das Institut geht davon aus, dass der Trend sich fortsetzt, weil die Schneefallgrenze steige. Damit sinke die Menge an Wasserreserven, die im Schnee gespeichert seien.

Der zwölfte zu warme Winter in Folge

Auch in Deutschland sind die Böden zu trocken, insbesondere südlich der Donau, wo es teils nur halb so viel regnete wie im Schnitt über die Jahre. In Hamburg gingen diesen Winter laut dem Portal WetterOnline mehr als 200 Liter pro Quadratmeter nieder – 20 Prozent mehr als im Mittel der vergangenen 30 Jahre. In München hingegen waren es nur 80 Liter und damit mehr als 40 Prozent weniger. Laut dem Deutschen Wetterdienst ist es der zwölfte zu warme Winter in Folge.

Seit 1881, erläutert Marx, habe es immer wieder Trockenjahre in Deutschland gegeben, etwa 1911, 1947 und 1976. „Aber das waren einzelne Jahre.“ Mehrere Trockenjahre in Folge seien regional begrenzte Phänomene gewesen. „Neu ist: Seit 2018 haben wir eine flächendeckende Betroffenheit, also große Teile Deutschlands über Jahre hinweg.“ Seit 1766, dem Beginn der Erfassung relevanter Daten, habe es noch nie eine trockenere Situation über Mitteleuropa gegeben.

(mit dpa/afp)

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