„Wir sind doch keine Deppen“
Wildwuchs bei Gewerbeansiedlungen und Straßenbau – das will eine Initiative von Wissenschaftlern stoppen. Sie fordert einen Neuanfang bei der Landesplanung. Ob die CSU mitzieht, ist aber ungewiss.
WISSENSCHAFTLER FORDERN BESSERE LANDESPLANUNG
von dirk walter
München – Es sind keine wild gewordenen Fundamental-Ökologen, die am Tisch des Presseclubs München Platz nehmen. Andrea Gebhard ist Vorsitzende der altehrwürdigen Deutschen Akademie für Städtebau und Landesplanung, neben ihr sitzt Christine Degenhart von der Bayerischen Architektenkammer. Auch Holger Magel ist dabei, er leitet die Bayerische Akademie Ländlicher Raum. Sie alle vereint der Zorn auf die aktuelle Fassung des Landesentwicklungsprogramms, kurz LEP. „Das, was da vorliegt, ist nicht das, was Bayern entspricht“, sagt Gebhard. „Deregulierung“ kennzeichne das Papier, ein Gestaltungswille sei kaum noch erkennbar. Magel formuliert es noch deutlicher. Ministerpräsident Markus Söder habe in seiner Regierungserklärung „Das Beste für Bayern“ gefordert. Das LEP, sagt Magel, „ist nicht gut“. Die CSU habe beim letzten LEP nicht auf den Rat der Wissenschaft gehört. Aber, so Magel: „Wir sind doch keine Deppen.“
Im LEP sind die übergeordneten Ziele für die Landesplanung in Bayern dargelegt. Ein ums andere Mal wurde es verwässert – zuletzt auf Druck des damaligen Heimatministers Söder, der das Anbindegebot lockern wollte, was er dank einer Gegenbewegung um Erwin Huber (CSU) nur zum Teil schaffte. Anbindegebot besagt, dass Gewerbe nur mit einer kurzen Anbindung zu Ortschaften entstehen darf. Doch die Liste der Ausnahmen ist immer länger geworden.
Dagegen stemmt sich jetzt die Initiative „Das bessere LEP für Bayern“. Die Landesplanung soll auf null gestellt, das LEP von der Pike auf neu geschrieben werden. Die Initiative will dazu über Bürgergutachten und Zukunftswerkstätten möglichst viele Einwohner in Bayern beteiligen. Es soll einen internationalen Kongress geben und einen Ideenwettbewerb. Es ist von Leitzielen die Rede, von Raumbildern und vielen Handlungsfeldern wie Siedlung, Wohnen und Arbeit oder Energieerzeugung und -transport.
Sicher ist aber, dass der Landtag ein entscheidendes Wort mitzureden hat – und da ist es im Moment gänzlich unklar, ob sich die CSU für einen Neustart begeistern lässt. Erste Signale vermitteln wenig Hoffnung. Die Initiative will ihre Ziele bei „politischen Frühstücken“ allen Landtagsfraktionen erläutern. Die Opposition habe zugesagt, die CSU nicht. Doch die Hoffnung stirbt zuletzt – das Angebot zum Gespräch richte sich an alle Parteien, betonte Christine Degenhart, die den um deutliche Worte nicht verlegenen Raumplaner Holger Magel an dieser Stelle etwas einbremste.
Ziele eines neuen LEP sollen die Begrenzung des Flächenverbrauchs sowie Rückbau und Entsiegelung sein – Themen, über die auch in einer Reihe von Gemeinden in Oberbayern derzeit diskutiert wird (siehe Kasten). Es gehe auch um Themen wie „Wiedernutzung von Brachflächen“, die „Stärkung von Ortskernen“, Biodiversität und „Kleinstrukturanreicherung in der Kulturlandschaft“.
Viel Stoff also – „der Neustart der Landesplanung kann nur mit ausreichend Zeit gelingen, mindestens fünf Jahre sollten zur Verfügung stehen“, erklärt die Initiative.