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Wenn Schwänzen krankhaft wird

Immer mehr Kinder in Bayern schwänzen den Unterricht. Längst nicht nur, weil sie keinen Bock auf Schule haben. Häufig sind psychische Probleme die Ursache für chronisches Blaumachen – das beobachten Mediziner.

Zahl der Schulverweigerer steigt

von Josef Ametsbichler

München – Wenn ein Kind morgens Bauchweh hat und nicht zur Schule gehen will, dann hat es oft einfach nur Bauchweh. Wenn sich die Fehltage aber häufen, steckt manchmal mehr dahinter. „Schulabsentismus“ heißt das Phänomen, wenn Schuleschwänzen krankhaft wird. Davon sind vier bis zehn Prozent aller bayerischen Schulkinder betroffen, schätzen Mediziner. Jüngst gab es in München sogar ein Symposium zu dem Thema, wo sich Experten aus Forschung, Medizin, Jugendhilfe und Schulwesen austauschten.

Schulabsentismus ist keine Krankheit für sich. „Meistens steckt etwas anderes dahinter, wie eine Angststörung, eine Depression oder Mobbing“, sagt Laura Weninger, Oberärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie an der Uniklinik München. Sie behandelt Kinder, die oft schon monatelang im Unterricht gefehlt haben. „Aus klinischer Sicht würden wir sagen, dass es tendenziell mehr werden, die chronisch die Schule schwänzen“, hat Weninger beobachtet. „Wir haben den Eindruck, dass die psychische Belastung bei Kindern zunimmt.“

Die steigenden Patientenzahlen decken sich mit der Statistik des Innenministeriums: 3053 Schulschwänzer hat die bayerische Polizei im vergangenen Schuljahr ertappt – die Zahl liegt erstmals über der 3000er-Marke. Vor zehn Jahren waren es noch rund 1000 weniger. Und die Dunkelziffer, der Schluss liegt nahe, dürfte deutlich höher ausfallen. Denn dass die Polizei zur Unterrichtszeit in Kaufhäusern, Freibädern oder Eisdielen nach Blaumachern fahndet, ist selten.

Überwiegend ist es die Schule, die die Beamten auf Schwänzer aufmerksam macht – aber in der Regel nur, wenn diese unentschuldigt fehlen. Schüler, auf die das Phänomen Schulabsentismus zutrifft, tragen ja oft tatsächlich ein psychisches Leiden mit sich herum. Sie sind deshalb in den meisten Fällen von den Eltern oder durch ein ärztliches Attest entschuldigt.

Die Grenze zwischen typischem Blaumachen und „pathologischem Schwänzen“ sei nicht leicht zu ziehen, sagt Weningers Oberarzt-Kollege Michael Frey. „Der Übergang ist fließend.“ Fehlt ein Kind oft und regelmäßig – mehr als vier Tage im Monat, so lautet die Faustregel – liege der Verdacht nahe, dass etwas nicht stimmt. „Oft kommen dann Probleme wie auffälliges Sozialverhalten oder nachlassende schulische Leistungen hinzu“, sagt Weninger.

Auch wunderten sich Schulen in vielen Fällen über wenig glaubhafte Entschuldigungen durch die Eltern oder Atteste von immer wieder wechselnden Ärzten mit unklaren Diagnosen. Die werden dadurch unfreiwillige Komplizen bei Krankschreibungen, die mehr schaden als nutzen. So kommen schnell monatelange Fehlzeiten zusammen, bevor die Schulen tätig werden. „Es gibt Lücken im System, die Absenzen werden nicht immer systematisch erfasst“, sagt Weninger. „Und je länger die Kinder weg waren, desto höher ist die psychische Hürde, wieder in die Schule zu gehen“, ergänzt Frey.

Viele seiner Patienten seien zwischen neun und zwölf Jahre alt. „In dem Alter ist eine Trennungsangst von den Eltern ein typisches Problem“, sagt Frey. Die äußere sich dann unbewusst in anderen Symptomen, zum Beispiel in jenem ominösen Bauchweh, das zum Daheimbleiben verhilft.

Die Polizei kann unentschuldigte Schulschwänzer per Streifenwagen zum Unterricht bringen. Gegen die Eltern notorischer Fernbleiber kann der Staat laut Innenministerium vom Bußgeld bis hin zu einer Strafanzeige wegen Verletzung der Erziehungs- und Fürsorgepflicht vorgehen. Bei psychisch bedingter Schulverweigerung, wenn die Eltern das Kind im Auto zur Schule bringen wollen und es sich weigert auszusteigen, hilft aber meist nur eine Therapie – und den Weg zurück in den Alltag in kleinen Schritten anzugehen. Dann kommen die Therapeuten der Uniklinik ins Spiel.

„Die Kooperation mit der Schule ist ganz wichtig“, sagt Oberärztin Weninger. Mit zunächst wenigen Stunden die Woche schaffen es ihre Patienten, wieder in den Unterricht einzusteigen. Manchmal gewähren die Schulen dafür einen Notenschutz. Dazu kommen regelmäßige Therapiesitzungen oder, in schweren Fällen, eine stationäre Behandlung in der Uniklinik.

Den Kindern zuliebe

raten die Ärzte, eine psychologische Behandlung nicht zu scheuen. Erste Ansprechpartner für betroffene Familien sind vorrangig Schulpsychologen, örtliche Erziehungs- und Schulberatungsstellen – oder die Kinder- und Jugendpsychiatrie der Münchner Universitätsklinik.

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