Viel Sympathie für die Wachstumsbremse
Eine Wachstumsbremse für Gemeinden im Großraum München – diese Maßnahme des Erdinger Oberbürgermeisters Max Gotz (CSU) stößt auf viel Sympathie. Nur vereinzelt gibt es Kritik.
NACH DEM ERDINGER VORSTOSS
München – Nicht mehr als ein Prozent Bevölkerungswachstum pro Jahr – von so einer Grenze hält die Bürgermeisterin von Haar (Kreis München), Gabriele Müller (SPD), nichts. Junge Menschen sollten in der Region bleiben können, und dafür brauche es Wohnungen. „Keine Gemeinde darf mehr auf sich allein schauen“, sagt sie in Richtung Erding.
Dort gibt es die Maßgabe, nur ein Prozent Bevölkerungszuwachs zuzulassen. Der Beschluss stammt vom 25. Juli 2015, damals beschloss der Stadtrat einstimmig eine Ergänzung im Flächennutzungsplan, wonach die Ausweisung von Bauland sich „an einem durchschnittlichen Bevölkerungswachstum von kleiner als ein Prozent orientieren“ solle. Das sei ein Wachstum, „mit dem wir noch zurecht kommen können“, hatte Oberbürgermeister Max Gotz im Interview gesagt. Damit hat er in den Gemeinden eine breite Diskussion ausgelöst.
Es gibt Gemeinden, die einen ganz anderen Weg als Erding gehen. In Poing zum Beispiel verteidigt Bürgermeister Albert Hingerl (SPD) den eingeschlagenen Wachstumspfad. 20,8 Prozent Einwohnerzuwachs verzeichnete Poing in den vergangenen zehn Jahren, das ist Platz 1 im Landkreis. Derzeit hat Poing 16 000 Einwohner, die im Flächennutzungsplan dargestellte Zielgröße lautet 20 000 Einwohner. „Unser Wachstum verläuft kontinuierlich seit Mitte der 1980er-Jahre“, sagt Hingerl und verweist auch darauf, dass im neuen Wohngebiet „W7“ ein Teil der Wohnfläche explizit für einkommensschwächere Familien vorgesehen ist. Auch Unterföhring – mit 42 Prozent Zuwachs im vergangenen Jahrzehnt Spitzenreiter – hat noch Platz, sagt Bürgermeister Andreas Kemmelmeyer (PWU). Trotz der rasanten Entwicklung gebe es in Unterföhring „humanes Wachstum“, sagt er. Von 11 500 Einwohnern derzeit könnte Unterföhring noch auf 14 500 Bürger anwachsen. Dann sei Schluss.
Eine Art „Obergrenze“ definiert auch der zweite Bürgermeister von Feldkirchen (Kreis München), Andreas Janson (UWV). Die kleine Gemeinde (gut 7000 Einwohner) hat im vergangenen Jahrzehnt ein rasantes Wachstum hingelegt (plus 22,5 Prozent). So werde es sicher nicht weitergehen, sagt Janson. In einem Planspiel haben die Gemeinderäte ausgerechnet, dass in Feldkirchen theoretisch Platz für bis zu 10 000 Einwohner wäre. Momentan werde aber nur dann gebaut und im Ortsinneren nachverdichtet, wenn Gewerbe an den Gemeinderand rausziehe. Ähnlich ist es in Markt Schwaben (Kreis Ebersberg), zuletzt ebenfalls Wachstumsgemeinde. „Wir haben jetzt 14 200 Einwohner, daran wird sich nicht mehr viel ändern, denn wir haben keine Flächen mehr“, sagt zweiter Bürgermeister Albert Hones (CSU). Auch Starnbergs Bürgermeisterin Eva John (BMS) hat Sympathien für eine „angemessene Wachstumsgrenze“ – derzeit wird im Stadtrat ein Konzept erarbeitet.
Größere Pläne hat indes Haar mit derzeit gut 22 000 Einwohnern. Haar will sich nicht von Investoren treiben lassen, sondern hat eine Rahmenplanung für die Südseite der Münchner Straße (B 304) entwickelt: mit Wohnungen für bis zu 1600 Menschen in vier- bis fünfgeschossigen Riegelbauten, die auch als Lärmschutz dienen sollen, plus zwei 42 Meter hohe Wohntürme und eine große „Shopping Mall“, eine Einkaufsmeile mit Anschluss ans Jagdfeldzentrum. Dazu wird bereits der „Jugendstilpark“ bebaut, mit Wohnungen für bis zu 2500 Menschen im Park des ehemaligen Bezirkskrankenhaus-Geländes. Ursprünglich sollten sogar 4000 Neubürger Platz finden, aber das hat die Gemeinde gebremst. Auch in der 40 000-Einwohner-Stadt Germering (Kreis Fürstenfeldbruck) wird die Einwohnerzahl in den kommenden Jahren um bis zu 2500 Einwohner zunehmen – gerade wird ein großes Baugebiet („Kreuzlinger Feld“) vorbereitet.
„Ich kann Max Gotz nur zustimmen“, kommentiert Freisings zweite Bürgermeisterin Eva Bönig (Grüne). Mehr als ein Prozent Wachstum pro Jahr wäre für die Kommune ohnehin nur kontraproduktiv: „Unverhältnismäßiges Wachsen geht voll zu Lasten der Infrastruktur und schadet der Identität einer Stadt. Da muss man aufpassen.“
Viel Lob findet auch der renommierte Raumplaner Holger Magel (Bayerische Akademie Ländlicher Raum) für Erdings Position. Er war einer der Protagonisten in der Diskussion um den hohen Flächenverbrauch. „Ich bin also doch nicht allein“, stellt er zufrieden fest. dw/gü/ws/ike