Ein Jahr danach
„Ein Todesopfer zu viel“ - Anzeige wegen fahrlässiger Tötung nach S-Bahn-Unglück von Schäftlarn?
- VonCornelia Schrammschließen
Am Valentinstag 2022 kollidierten in Schäftlarn auf einer eingleisigen Strecke zwei S-Bahnen miteinander. Ein Mensch starb dabei. So weit sind die Ermittlungen zur Unfallursache ein Jahr danach vorangekommen und diese Erinnerungen hat ein Feuerwehrmann.
Schäftlarn – Den Valentinstag 2022 wird Daniel Buck (50) nie vergessen. An dem Tag kollidierten auf dem eingleisigen Bahnabschnitt bei Schäftlarn zwischen München und Wolfratshausen zwei S-Bahnen der S7 miteinander. Bis heute ermittelt die Staatsanwaltschaft zur Unfallursache. Ein Gutachten steht noch aus. Erst dann könnte es wegen fahrlässiger Tötung zur Anzeige gegen einen der beiden Lokführer kommen. Als Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr Hohenschäftlarn war Buck einer der ersten Helfer vor Ort – ein Jahr später beschäftigt ihn das Unglück noch immer.
Denken Sie noch oft an den Unglückstag zurück?
Daniel Buck: Immer wieder. Für meine Kameraden und mich lässt sich der Einsatz mit nichts vergleichen, das wir bis dahin gesehen hatten. Wir rücken oft zu Verkehrsunfällen aus und haben einen Wohnhausbrand erlebt, bei dem mehrere Menschen gestorben sind. Aber: Das Ausmaß dieses Einsatzes war massiv und der Grad der Zerstörung einzigartig. Sowas kann man nicht trainieren.
Was haben Sie am Unfallort als Erstes gemacht?
Buck: Der Alarmierungsgrund lautete zuerst „Pkw gegen Zug“. Drei Minuten später waren wir vor Ort. Wir arbeiteten uns den steilen Bahndamm hinauf und ich kletterte zwischen Zug und Gleisbett auf die andere Seite. Dort waren schon ein paar Türen geöffnet. Menschen liefen weg, andere schrien laut um Hilfe.
Was war für Sie die größte Herausforderung?
Buck: Ich musste mir schnell einen Überblick über die Lage verschaffen, um das Großaufgebot an Einsatzkräften, das gleich anrücken würde, koordiniert arbeiten zu lassen. Das Gelände war voller Gestrüpp und nur mit Motorsägen und Leitern erreichbar, der Unfallort nur von einer Straße aus anfahrbar und die Züge in Trümmern zerstört. Es war surreal, wie in einem Film. Aber man funktioniert binnen Sekunden, hilft ja nix.
Wie entscheidet man, wer am zuerst Hilfe braucht?
Buck: Das war für uns das Surreale an dem Einsatz. Ich bin seit neun Jahren Kommandant und bei Verkehrsunfällen mit mehreren Schwerverletzten führt man ja auch eine Triage durch. Aber: Wenn so viele Menschen gleichzeitig um Hilfe betteln, muss man Verletzte gnadenlos in Gruppen einteilen. Wer noch schreien kann, braucht nicht als Erster unsere Hilfe. Kurz hinter dem Führerstand der einen S-Bahn war jemand schwerst eingeklemmt. Das war der junge Mann, der bei dem Unglück sterben musste.
Nur der 24-jährige Afghane starb bei dem Unglück...
Buck: Ein Todesopfer zu viel. Aber wir hatten an dem Tag Glück im Unglück. Eine Linie früher wären die Züge viel voller gewesen – vor allem mit Schülern. Wir haben geordnet und ohne Hektik zusammen gearbeitet und nicht mal eine halbe Stunde gebraucht, bis alle gerettet und die Schwerverletzten versorgt waren.
Ein gelungener Einsatz?
Buck: Ja und der größte Einsatz in Sachen Technischer Hilfeleistung, den es bisher im Landkreis München gab. 1100 Einsatzkräfte und 336 Fahrzeuge waren vor Ort, 15 Hubschrauber angefordert. Die Unfallursache steht noch nicht fest. Wir fragen uns aber, wieso so was in Deutschland überhaupt passieren kann. Zumal hier ja bereits 2021 auf der gleichen Strecke zwei Züge fast kollidiert wären.