Auf neuen Wegen an NS-Zeit erinnern
17 Jahre alt ist Stephan Albrecht gerade einmal. Nun ist das Schulfach Geschichte für Burschen und Mädels in diesem Alter selten eins der liebsten.
Bei Albrecht ist es anders: Er engagiert sich in der Bürgervereinigung Landsberg, die einen Teil eines ehemaligen KZ-Geländes erworben hat und es sich zur Aufgabe gemacht hat, an die dortigen Gräueltaten zu erinnern. Heute startet ihre Veranstaltungsreihe „Kultur wider das Vergessen“.
-Sie sind 17 Jahre alt – wie gelingt es, auch andere Menschen in Ihrem Alter für das Thema Nationalsozialismus zu sensibilisieren?
Gerade Kunst und Kultur, Konzert und Musik machen Spaß und verbinden – ich glaube, dass man das viel mehr in der Erinnerungsarbeit nutzen muss. Gerade jetzt, wo es nicht mehr viele Zeitzeugen gibt, die persönlich von ihren Erlebnissen erzählen können. Natürlich wäre ein Gespräch mit Menschen, die ihre Geschichte weitergeben, die intensivste Form der Auseinandersetzung mit dem Thema.
-Haben Sie selbst Zeitzeugen kennengelernt?
Ja, mein Vater war früher Produktionsleiter der Jüdischen Kulturtage in München, so habe ich die jüdische Kultur schon sehr früh kennengelernt. Mit acht Jahren habe ich dann das erste Buch gelesen, das sich mit der Zeit der Nationalsozialismus beschäftigt. Besonders bewegend war für mich auch, als meine Oma mir erzählte, dass sie als Kind hier in Oberbayern einen der Deportationszüge auf einem Bahngleis hat stehen sehen. Das sind prägende Geschichten, die mich schon früh sehr beschäftigt haben.
-Wie gelingt es, das Erinnern aufrechtzuerhalten, wenn es keine Zeitzeugen mehr gibt?
Beispielsweise durch Zeitzeugen der zweiten Generation. Wir haben bei uns in der Familie gerade den deutsch-US-amerikanischen Filmemacher Emanuel Aronson Rund zu Gast. Er ist Kind deutsch-jüdischer Eltern, die in die USA emigriert sind, wo er geboren wurde. Wenn wir jetzt zusammen in der Küche stehen und koscher kochen, dann berührt mich das auf ganz andere Weise als bloße Dokumentationsfilme. Dort und in der Schule werden ja vor allem die unfassbaren Zahlen genannt. Doch wichtig sind die Menschen, die dahinter stehen. Mir sagen ganz viele Klassenkameraden: „Ich kann das nicht mehr hören!“ Es ist wirklich mein Herzensanliegen, dass allen, die das sagen, klar gemacht wird, dass wir für den Nationalsozialismus zwar nicht verantwortlich sind, aber dass wir dafür verantwortlich sind, dass die Erinnerung fortgesetzt wird. Und dass es genau deswegen wichtig ist, sich intensiv damit zu beschäftigen.
-Daher auch die Veranstaltungsreihe. Was erwartet die Besucher?
Konzerte, Musik, eine Ausstellung. Es wird beispielsweise Entartete Kunst gezeigt; die Band „Grenzgänger“ spielt Klezmermusik. Ein Höhepunkt für mich ist die Podiumsdiskussion am Mittwoch, die Freunde von mir musikalisch begleiten werden. Da werden wir dann genau über die Frage diskutieren, wie wir heute gedenken können. Ich hoffe sehr, dass auch viele junge Leute kommen. Weil das Thema einfach nicht vergessen werden darf.
Das Gespräch führte Katja Kraft.
Das Programm
gibt es unter www.buergervereinigung-landsberg.de. Heute Abend beginnt die Reihe mit der Eröffnung der Ausstellung „Hoffnung trotz allem“ im Foyer des Landratsamtes Landsberg (19 Uhr). Sie zeigt bis zum 13. November, wie sich die jüdische Kultur in Bayern nach Ende der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. neu organisiert hat. Alle Veranstaltungen sind kostenfrei.