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Sportler, Trainer, Königssee-Bahn-Erbauer: Ein Leben für das Rennrodeln

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Von: Hans-Joachim Bittner

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Sepp Lenz an seinem 85. Geburtstag am 8. Februar 2020 im heimischen Garten in der Schwöb oberhalb von Schönau am Königssee: Den einzigartigen Blick auf den Watzmann genoss er Tag für Tag. © Archiv Hans-Joachim Bittner & BSD

Am vergangenen Mittwoch (3. Mai) verstarb Rennrodel-Pionier Josef „Sepp“ Lenz im hohen Alter von 88 Jahren. Sein Lebenswerk für den rasanten Kufensport ist immens, seine Herzlichkeit war unvergleichbar.

Berchtesgaden – Der Blick zurück, auf ein außergewöhnliches Leben, ist mit einer Tatsache tief verwurzelt: Sepp Lenz widmete seine ganze Kraft dem Rennrodeln. Zahlreiche Reformen und Erfolge sind deshalb auf sein Engagement zurückzuführen. Als „Goldschmied vom Königssee“ machte er sich nach seiner aktiven Zeit auch als langjähriger Bundestrainer einen Namen.

1959 initiierte Sepp Lenz zusammen mit seinem Vater Lorenz und Bruder Lorenz Junior den Bau einer Natureis-Rodelbahn am Fuße des schattigen Grünsteins oberhalb des Königssees – damals Winter für Winter aufs Neue mit Eisblöcken aus dem Hintersee, vom Aschauerweiher, vom Roßfeld und aus dem Eisstadion Berchtesgaden. Ab 1968 wurde schließlich die weltweit erste Kunsteisbahn gebaut und im Februar 1969 mit der 11. Rennrodel-WM feierlich eröffnet. Das Turbodrom wurde 2005 wurde in „Sepp-Lenz-Kreisel“ umbenannt.

Der nun Verstorbene war lange Zeit selbst als Athlet aktiv und 1962 im Doppelsitzer Europameister. Kurz vor den Olympischen Spielen 1964 in Innsbruck musste Lenz nach einem schweren Trainingssturz seine sportliche Karriere beenden. In der vorletzten Igls-Kurve flog er mit seinem Sportpartner Sepperl Fleischmann aus der Bahn, knapp an einem vereisten Treppenweg vorbei in einen Eisbach. Anschließend hatte er über eineinhalb Jahre mit einem Trümmerbruch am Oberarm zu kämpfen. Nun begann seine zweite sportliche Laufbahn als Trainer, die letztlich 29 Jahre andauern sollte – 90 Medaillen bei Olympischen Spielen, Welt- und Europameisterschaften gehen mit auf sein Konto. Von 1966 bis 1995 war Sepp Lenz als Chefcoach des deutschen Rennrodel-Nationalteams tätig, zu seinen Schützlingen zählten unter anderem Weltmeister und Ex-FIL-Chef Josef „Sepp“ Fendt, das Olympiasieger-Doppel Hans Stanggassinger / Franz Wembacher sowie der dreifache Olympia-Champion Georg „Schorsch“ Hackl.

„Wer kein Glück hat, wird nicht so alt.“

Am 16. Dezember 1993 ereilte Sepp Lenz ein einschneidender Schicksalsschlag: Bei einem Unfall in Winterberg verlor er seinen linken Unterschenkel, als er beim Säubern der Bahn von der amerikanischen Rodlerin Bethany Calcaterra bei 110 km/h erfasst wurde. „Ich habe sie nicht gehört“, sagte der damals 58-Jährige. Er bekam eine Prothese, gejammert hat er darüber nie. Nur zwei Monate danach stand er bei den Olympischen Spielen von Lillehammer schon wieder als Coach an der Bahn. 1995 übergab Lenz den Trainerposten an den heutigen BSD-Vorstandsvorsitzenden Thomas Schwab, erhielt 1997 das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse und 2004 den Bayerischen Sportpreis für sein Lebenswerk. Doch trotz all der Erfolge und Preise blieb Lenz stets seiner ruhigen Art treu: Bescheiden und dankbar für die schönen Momente im Leben.

Abseits des Sports war Sepp Lenz ein Familienmensch durch und durch: Mit seiner Frau Annelies hat er drei Töchter (dazu sechs Enkel und einen Urenkel) und wohnte stets in Schwöb, nicht weit von „seiner Königsseer Bahn“ entfernt. Diese besuchte der gelernte Sattler und Tapezierer bis zur Teilzerstörung der Sportanlage vor zwei Jahren selbst im hohen Alter regelmäßig, hatte für alle Athletinnen und Athleten stets ein offenes Ohr. Mit drei seiner Enkel hatte er beim Ringen in Berchtesgaden große Freude. Im Februar 2020 feierte Sepp Lenz – kurz vor Corona-Ausbruch noch mit der Familie und vielen Freunden – bei bester Gesundheit, nur das Sehen war schon eingeschränkt, seinen 85. Geburtstag. Eine beliebte Aussage, rückblickend auf sein Leben, war: „Wer kein Glück hat, wird nicht so alt.“

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