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Letztes Andenken an den Gefallenen

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Kriegs-Sterbebilder als Ausgangspunkt für biographische Recherchen

Vielleicht haben Sie auch schon einmal eines dieser Bildchen in den Händen gehalten, die meist mit „Christliches Andenken im Gebet“, „Zur frommen Gebetserinnerungen“ oder „Ehre dem Andenken“ beginnen. Die Rückseiten dieser Bilder sind meist mit einem Kreuz oder mit einer biblischen Szene nebst Bibelzitat versehen. Die Rede ist von Toten- oder Sterbezetteln beziehungsweise je nach Region auch Toten- oder Sterbebilder genannt.

Meist wurden diese Zettel mit oder auch ohne Bild des Toten an die Trauergäste während des Requiems in der heiligen Messe für den Verstorbenen verteilt. Ein Brauch, der in vielen katholischen Gegenden Europas bis heute erhalten geblieben ist und bis in das 17. Jahrhundert zurückreicht. Oftmals ist es so, dass kaum mehr Informationen über den einstigen Angehörigen oder Verwandten überliefert sind, je weiter dessen Tod zurückliegt. Dass es mitunter dennoch Einiges zu entdecken gibt, zeigen beispielsweise die Sterbebilder von gefallenen bayerischen Soldaten des Ersten Weltkrieges. Noch heute werden diese Bilder massenweise in einschlägigen Internetauktionshäusern zu geringen Preisen zum Verkauf angeboten. Vielleicht auch aus dem Grund, weil es oftmals kaum mehr eine persönliche Verbindung zu dem Toten gibt. Dabei können gerade diese Bilder „reden“. Glücklicherweise haben die Personalakten und Stammrollen der alten bayerischen Armee durch den Zweiten Weltkrieg kaum Verluste erlitten. Damit ist heute eine Suche nach einem bayerischen Soldaten in den Akten etwa des Bayerischen Kriegsarchivs häufig von Erfolg gekrönt, auch wenn es keine hundertprozentige Garantie dafür gibt.

Betrachtet man exemplarisch das Sterbebild des Paul Kirchmayr, sind viele Angaben sofort offensichtlich. Er war Landwirt, diente als Unteroffizier bei der Gebirgs-Kanonen-Batterie Nr. 8 und damit im Verbund des Alpenkorps und hatte das Eiserne Kreuz II. Klasse erhalten. Am 15. August 1915 schwer verwundet, starb er bereits einige Tage später am 19. August mit 32 Jahren „den Heldentod fürs Vaterland“ in „einem Feldlazarette“ nach Empfang der heiligen Sterbesakramente. Anderes bleibt hingegen offen. Woher stammte Paul Kirchmayr? Hatte er eine Familie? Was verraten die Akten sonst noch über ihn? Erfreulicherweise finden sich gleich mehrere Einträge über den Toten. Hieraus erfährt man, dass er am 7. Oktober 1883 in der kleinen Gemeinde Gelting im Kreis Ebersberg als Sohn des Hauptlehrers Josef Kirchmayr und seiner Frau Euphrasine zur Welt kam. Später wurde der Vater offensichtlich nach Übersee am Chiemsee versetzt, was als Wohnort der Eltern angegeben wurde. Paul hingegen zog nach München und arbeitete dort, entgegen der Angabe auf dem Sterbebild, als Theatermeister. Hier heiratete er Elisabeth Büchele und bekam mit ihr insgesamt fünf Kinder.

Warum seine Eltern oder seine Frau daher „Geprüfter Landwirt“ angaben, bleibt unklar. Vielleicht hatte Paul Kirchmayr zuvor als solcher gearbeitet. Eine militärische Ausbildung oder Dienst hatte er vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges nicht erhalten. Auch wurde der Münchner nicht zu den Waffen eingezogen, sondern meldete sich Ende Oktober 1914 als Kriegsfreiwilliger beim Königlich Bayerischen 7. Feldartillerie-Regiment „Prinz-Regent Luitpold“ in München. Dort blieb er bis in das Frühjahr 1915 hinein und wurde Ende März zur Gebirgskanonen-Batterie Nr. 7 versetzt und zum Gefreiten ernannt. Kurz nach der Kriegserklärung Italiens an Österreich-Ungarn (23. Mai 1915) und der Aufstellung der ersten deutschen Gebirgstruppe, dem Alpenkorps, kam Paul Kirchmayr zur neuformierten bayerischen Gebirgskanonen-Batterie Nr. 8. Mit ihr wurde er direkt in den Bergen Südtirols eingesetzt.

Am 1. Juni zum Unteroffizier befördert, erlitt der Münchner am 15. August eine schwere Verwundung durch einen Artilleriegranate und starb anschließend am 18. August 1915 (nicht am 19.) im Feldlazarett Nr. 201 in Bruneck. Man begrub Kirchmayr auf dem dortigen Soldatenfriedhof. Heute ruht er in der Kriegsgräberstätte am Pordoi Joch. Posthum bekam der Bayer am 20. August 1915 noch das Eiserne Kreuz II. Klasse verliehen.

All diese Informationen ließen sich aus den Akten herausfinden und helfen so dabei, wenigstens einen kleinen Teil von Kirchmayrs Leben zu rekonstruieren, sodass sein Schicksal ein wenig an Leben gewinnt. immanuel Voigt

Leser-Service

Gegen eine Gebühr ermittelt der Autor biografische Daten zu Sterbebildern von Soldaten. Kontaktaufnahme über dirk.walter@ovb.net

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