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Garmisch-Partenkirchnerin (55) im Interview

Im Rausch der Achttausender: Billi Bierling über das Gefühl am Gipfel - und wie es jeder empfinden kann

Auf dem vierthöchsten Berg der Welt: Billi Bierling als erste Deutsche auf dem Lhotse (8516 Meter).
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Auf dem vierthöchsten Berg der Welt: Billi Bierling als erste Deutsche auf dem Lhotse (8516 Meter).
  • Matthias Bieber
    VonMatthias Bieber
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Billi Bierling (55) aus Garmisch-Partenkirchen ist die dritte Deutsche, die den Mount Everest bestiegen hat und die erste auf den 8000ern Manaslu, Makalu und Lhotse. Im Interview spricht sie über Gipfelglück, Heimat und Einsamkeit.

Garmisch-Partenkirchen/Kathmandu - Billi Bierling ist die Welt nicht genug, könnte man meinen. Die Gipfelstürmerin arbeitet unter anderem in Bern für den Schweizer Staat, schreibt Artikel für Bergsteigermagazine – und leitet in Kathmandu das Mount-Everest-Archiv. Gerade hat sie ihr erstes Buch geschrieben.

Frau Bierling, Sie waren auf sechs Achttausendern, unter anderem auf dem Mount Everest. Was empfanden Sie auf dem Gipfel?

Billi Bierling: Als ich oben stand, empfand ich erst mal unendliche Dankbarkeit, dass ich es geschafft hatte – und ich war natürlich auch ein bisserl stolz. Allerdings spürte ich auch die Müdigkeit, die mich plötzlich überkam. Mir war schließlich bewusst, dass der Gipfel ja erst die Hälfte der Strecke ist. Man muss ja wieder absteigen – und dabei passieren die meisten Unfälle. Das Adrenalin fällt ab, du wirst ein bisserl unkonzentrierter, und der Körper spürt die Erschöpfung vom Aufstieg. Das sollte man sich bewusst machen und beim Abstieg extrem achtsam sein.

Ist das Gefühl auf dem Gipfel einmalig – oder kann das so oder so ähnlich jeder empfinden?

Bierling: Das kann jeder empfinden. Weil es darum geht, etwas zu schaffen, das man sich nicht zugetraut hat. Das kann genauso gut das Stricken eines Pullis sein. Erst bist du skeptisch, wenn du das Strickmuster anschaust, doch du packst es an, und irgendwann hast du es geschafft. Und darum geht es: etwas zu erreichen, von dem du nicht gedacht hast, dass es möglich ist. Beim Mount Everest kamen aber noch eine paar Motivationen von außen für mich dazu.

Welche waren das?

Bierling: Zum einen habe ich als Berg-Journalistin schon etliche Bergprofis interviewt, die schon auf dem Dach der Welt waren – und so reifte der Entschluss in mir, es auch mal zu versuchen. Und als ich davon der Familie und Freunden berichtete, waren die von Anfang an total begeistert und stolz auf mich. Aber das Wichtigste ist: Wenn du an eine Aufgabe rangehst und dir denkst, du kannst das nicht, dann klappt es auch nicht. Sei neugierig und probiere es. Wenn du es dann nicht packst, dann bist du nicht gescheitert, weil du dein Bestes gegeben hast.

Sind Sie gläubig – und wenn nicht, wird man es, wenn man auf einem 8000er steht?

Bierling: Ich bin nicht im klassischen Sinn gläubig. Früher war ich viel in der Kirche mit meinen Eltern, weil mein Vater dort als Musiker im Kirchenorchester Geige spielte. Ich bin witzigerweise evangelisch, obwohl ich aus dem katholischen Garmisch-Partenkirchen komme. Doch eine Atheistin bin ich auf keinen Fall. Ich habe einfach das Urvertrauen, dass irgendjemand auf mich schaut. Ob es der liebe Gott ist oder mein verstorbener Vater, weiß ich nicht, aber das ist auch nicht wichtig.

Sind Sie ein Familienmensch?

Bierling: Ja. Wenn ich in Garmisch bin und nicht in der Schweiz oder in Kathmandu, dann wohne ich mit meiner Schwester Christiane zusammen. Im ersten Stock lebt meine 85-jährige Tante, im Erdgeschoss meine Mutter. Sie ist 89, und allen geht es zum Glück sehr gut. Mein Vater sagte mir mal: Du warst schon immer schwer zu greifen. 

Was meinte er damit?

Bierling: Dass ich immer draußen unterwegs war. Und so wurde mir Garmisch schon bald zu eng – obwohl es immer meine Heimat sein wird. Als ich von den USA zurückkam, wo ich in der Nähe von New York eine Au-pair-Stelle hatte, war’s um mich geschehen.

Sie sind seit 2004 in Kathmandu, um als Everest-Chronistin zu arbeiten. Ist Nepal auch Heimat für Sie?

Bierling: Das ist es. Wenn ich in Kathmandu in meiner Drei-Frauen-WG bin, fühle ich mich unglaublich wohl. Ich muss gar nicht dauernd in die Berge, ich liebe auch das Radeln durch die Stadt. Und bis du in den Bergen bist, dauert es mittlerweile lange, weil Kathmandu so sehr gewachsen ist. In Garmisch brauchst du nur zur Haustür rausfallen, und du bist im Grünen.

Was vermissen Sie in Fernost?

Bierling: Am Anfang waren es vor allem gutes Brot und Brezn. Doch mittlerweile gibt es einen österreichischen Bäcker in Kathmandu, der macht hervorragende Brezn – ich als Bayerin kann das beurteilen (lacht).

Sie sind menschenzugewandt, aber eine feste Beziehung scheint eher eine Fessel für Sie zu sein, oder?

Bierling: Ich war zehn Jahre lang mit Mike zusammen, einem englischen Bergsteiger, der mich zum Klettern motiviert hat. Er ist einer der feinsten Menschen, die ich kenne, wir waren ein tolles Team. Doch irgendwann wollte er eine Familie haben, und ich hatte Angst, meine Freiheit aufgeben zu müssen. Wir trennten uns. Mike ist heute verheiratet und hat drei wunderbare Kinder. Ich freue mich so für ihn. Und ich bereue meine Entscheidung nicht. Ich bleibe offen und neugierig, aber mir wäre wohl eine Katze schon zu viel Verantwortung.

Sind Sie nicht ab und zu einsam?

Bierling: Nein, ich lebe im Hier und Jetzt und bin total zufrieden. Mir fehlt kein Partner. Aber wenn sich das morgen ändern sollte, würde ich mich halt auf die Suche machen. Im Augenblick hätte ich gar keine Zeit für Zweisamkeit. Ich bin gerade auf Promo-Tour für mein erstes Buch, und Ende März geht’s zurück nach Kathmandu. Und es wird wie immer sein: Es fällt mir schwer wegzugehen, aber wenn ich dann angekommen bin in meinem Chaos, bin ich glücklich. 

Factbox: Billi Bierlings erstes Buch

In „Ich hab ein Rad in Kathmandu“ gibt Billi Bierling Einblicke in ihr abenteuerliches Leben von der glücklichen Kindheit im Kreis der Familie über ihre „Hummeln im Hintern“ bis zu ihren geliebten Radltouren durch ihre Wahlheimat Kathmandu, Nepals Hauptstadt. Das Buch erscheint am Montag, den 13.02., im Tyrolia Verlag (240 Seiten, 28 Euro). Wer die Bergsteigerin live erleben will, hat dazu Gelegenheit: Am 7. März stellt sie ihr Buch in München vor. Am 17. März liest sie in ihrer Heimat Garmisch-Partenkirchen. Mehr Informationen gibt es auf Bierlings Internetseite: billibierling.com

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