1. ovb-online-de
  2. Welt
  3. Bayern

Erst die Freude, nun das Ärgernis - Störende Störche oder kein Problem für den Flugverkehr?

Erstellt:

Von: Melanie Fischer

Kommentare

Störche auf dem Kamin der Lokwelt Freilassing
Bereits 2021 versuchten Störche, auf dem Kamin der Lokwelt ein Nest zu bauen. © S. Schuardt/M. Nickl

Groß war die Freude bei Naturfreunden, als im Frühjahr 2022 erstmals Störche mit Hilfe einer Nistunterlage am Kamin der Freilassinger Lokwelt ihr Nest bauten. Das Spektakel verfolgten viele über die extra dazu eingerichtete Webcam. Es ist davon auszugehen, dass die Störche auch im kommenden Jahr an der selben Stelle nisten wollen. Doch nun heißt es, die Vögel könnten den Flugverkehr gefährden. Muss das Nest weg?

Freilassing - Bereits im Jahr 2020 versuchten Störche, auf einem Fahrleitungsmasten bei der Lokwelt ein Nest zu errichten. Da ein Stromschlag drohte, musste der Nestbau unterbunden werden. 2021 wollten die Störche auf dem Kamin der Lokwelt brüten, doch ein Sturm zerstörte dieses Vorhaben. Erst mit einer künstlichen Nistunterlage gelang heuer schließlich die Brut mit einem Jungvogel. Eine große Fangemeinde hat dabei über eine Webcam beobachtet, wie es der Storchenfamilie erging und der Jungvogel herangewachsen ist.

Gefährden die Störche den Flugverkehr?

Störche sind Zugvögel. Sie befinden sich derzeit wahrscheinlich im Sudan und kommen im März oder April über den Nil, Israel und den Bosporus wieder in unsere Gegend. Da sie sehr nistplatztreu sind, ist davon auszugehen, dass sie wieder auf dem Kamin brüten wollen. Doch nun soll geprüft werden, ob die Störche eine Gefährdung für den Flugverkehr darstellen. Denn die Nistunterlage wurde in der Einflugschneise an einer Stelle errichtet, die nur 300 Meter vom Instrumentenladesystem des Flughafens Salzburg entfernt ist.

Drohnenaufnahme von der Montage der Nisthilfe auf dem Kamin der Lokwelt
Drohnenaufnahme von der Montage der Nisthilfe auf dem Kamin der Lokwelt © Stadtwerke Freilassing

Die Fluglärmreferentin der Stadt Freilassing, Bettina Oestreich, gibt zu bedenken: „Die Untere Naturschutzbehörde hat die Nistunterlage angeordnet. Es wäre aber wichtig, dass die Behörden über ihren Tellerrand schauen. Wir haben in Freilassing die besondere Situation, dass wir in der Einflugschneise sind. In diesem Bereich ist die höchste Gefahr eines Absturzes. Das gehört auf jeden Fall geprüft.“ Oestreich verweist hierbei auf Präzedenzfälle in München und Hannover. Dort wurden Storchennester verlagert.

„Es geht nur darum, dass wir den sicheren Flugbetrieb aufrecht erhalten und die Bürger nicht einem zusätzlichen Risiko aussetzen“, so Oestreich. „Ich liebe diese Störche, ich schaue auch auf die Webcam. Es ist ein nettes Naturschauspiel für die Freilassinger. Aber es geht darum, vorher die Hausaufgaben zu erledigen und nicht nur an die Störche zu denken mit der Nisthilfe, sondern auch ans Risikomanagement und sich zu fragen: Gibt es dort Gefahren?“

Bund Naturschutz warnt: „Hände weg vom Storchennest!“

Erich Prechtl vom Bund Naturschutz und Toni Wegscheider vom Landesbund Vogelschutz sind empört über die mögliche Entfernung der Nisthilfe und warnen: „Hände weg vom Storchennest!“ Prechtl hält eine Gefährdung des Flugverkehrs durch Vogelschlag „an den Haaren herbeigezogen. Störche sind Segelflieger und kommen mit Flügelschlag nicht sehr weit. Sie fliegen bei uns nur ihre Nahrungsplätze an.“

Er hat sich über den Sommer auch die Mühe gemacht, mit Unterstützung der Öffentlichkeit die Nahrungsplätze ausfindig zu machen. Die Störche suchten demnach im Raum Perach und Ainringer Moos nach Futter, also Richtung Westen und nicht in der Nähe des Flughafens. Zusätzlich zum Brutpaar hätten sich in diesem Jahr im Raum Freilassing bis zu 25 Jungstörche im Alter von ein bis drei Jahren befunden, die noch nicht geschlechtsreif sind. Auch von diesen Tieren sei keine Gefährdung des Flugverkehrs ausgegangen. Sogar auf österreichischer Seite seien Storchenansiedlungen in der Nähe des Flughafens bekannt.

Zusätzlich weisen die Naturschützer darauf hin, dass zwischen dem Ainringer Moos und den Salzachauen ein regelrechter Pendelverkehr verschiedener Vogelarten, bei dem täglich die Einflugschneise gequert wird, stattfinde. „Lachmöwen wechseln täglich von ihrer Brutkolonie im Ainringer Moor nach Siggerwiesen zur Nahrungssuche. Grau- und Silberreiher pendeln von der Salzach ins Ainringer Moos und zurück. Dohlen fliegen in den Wintermonaten vom Untersberg nach Norden ins Salzach Hügelland entlang der Einflugschneise und wieder zurück, bisher ohne jegliche Gefährdung des Flugverkehrs. Auch mittelgroße Greifvögel wie Mäusebussarde und Rotmilane sind ganzjährig im Luftraum präsent.“

Stadt Freilassing hat Prüfung angeordnet

Laut Daniel Beutel, Pressesprecher der Stadt Freilassing, hat die Stadt bisher nur die „Prüfung durch die Regierung von Oberbayern auf ein mögliches Gefährdungspotenzial für den Flugverkehr beantragt. Es liegt noch kein Ergebnis des Antrages vor.“ Dies bestätigt auch die Untere Naturschutzbehörde im Landratsamt Berchtesgadener Land: „Bisher ist noch keine abschließende Entscheidung getroffen worden. Der Sachverhalt liegt derzeit zur weiteren Prüfung bei der Regierung von Oberbayern (Höhere Naturschutzbehörde und Luftamt Südbayern).“

Das Luftamt spricht sich zwar nicht gegen die Ansiedlung von Störchen, wohl aber gegen künstliche Nisthilfen in solchen Bereichen aus. Es hat empfohlen, das Nest in diesem Herbst bzw. Winter zu entfernen. Sollte allerdings erneut beabsichtigt werden, ein Nest in der Nähe des Flughafens Salzburg zu errichten, empfiehlt das Luftamt dringend, die Behörde vorab mit einzubinden, „um Maßnahmen wie diese künftig zu vermeiden.“ Der Flughafen Salzburg wurde vom Luftamt inzwischen auch informiert.

Wie geht es für die Störche weiter?

Sollten die Störche also im Frühjahr an der gleichen Stelle ihr Nest wieder errichten, bleibt zu hoffen, dass sie es auch gegebenenfalls ohne Nistunterlage schaffen, sind sie doch inzwischen erfahrener im Bauen. Es wäre auch möglich, dass die Entfernung des Nestes verhindert werden kann. Da es sich beim Weißstorch um eine besonders geschützte Art handelt, könnte das Entfernen nach § 44 des Bundesnaturschutzgesetzes verboten werden. Falls die Stadt Freilassing das Nest dennoch entfernen möchte, müsste eine Befreiung von diesem Verbot beantragt werden. Ob eine Gefährdung des Luftverkehrs und damit auch von Menschenleben besteht, wird derzeit noch geprüft. Bis jetzt ist noch nichts entschieden.

mf

Auch interessant

Kommentare