Drogendealerprozess wird am Donnerstag fortgesetzt
Gutachten zum Engelsberger Angeklagten: Keine Drogenproblematik
- VonSascha Ludwigschließen
- Daniela Haindlschließen
Der Prozess um vier Drogendealer aus dem Landkreis Altötting ging am Freitag (24. Juni) weiter: Sie sollen zusammen Drogen im Wert von mindestens 200.000 Euro vertrieben haben und stehen heute erneut vor dem Landgericht in Traunstein. Zwei weitere Dealer im Fall haben ausgesagt.
Update, 15:43 Uhr - Gutachten zum Engelsberger Angeklagten: Keine Drogenproblematik
Nach einer Pause gibt Dr. Susanne Pechler, Psychotherapeutin am Isar-Amper-Klinikum in München, ihr Gutachten zu dem angeklagten Engelsberger ab. Der Beschuldigte sei sehr freundlich und auskunftsbereit gewesen. Der berufliche und schulische Werdegang des 26-jährigen sei bis dato völlig unauffällig, er sei sehr mit Sport und Arbeit beschäftigt.
Als junger Erwachsener habe der Engelsberger nur einmal Ecstasy-Pillen ausprobiert, habe aber keinen Drang, Drogen oder Alkohol zu konsumieren. Cannabis zu Rauchen, habe dem 26-jährigen nicht gefallen. Er habe maximal zehn Mal in seinem Leben an einem Joint gezogen, auch keine weiteren Drogen ausprobiert.
Nur das Glücksspiel sei laut der Gutachterin ein Thema im Leben des Engelsbergers. Diese sei allerdings im moderaten Bereich, bringe ihn aber in Bezug auf seine Finanzen in Engpässe. Es gibt also nach Dr. Pechlers Meinung kein Anzeichen auf verminderte Schuldfähigkeit.
Für den heutigen Freitag wird die Hauptverhandlung unterbrochen und am kommenden Donnerstag (30. Juni) fortgesetzt.
*** innsalzach24.de berichtet auch dann wieder live aus dem Gerichtssaal ***
Update, 12.58 Uhr - Burgkirchner Angeklagter: „Wir waren wie Brüder“
Nun tritt Oberarzt Dr. Josef Eberl vom Inn-Salzach-Klinikum Wasserburg als Gutachter vor Gericht. Er soll zur Schuldfähigkeit des angeklagten Burgkirchners aussagen. Der 24-Jährige habe nur drei Mal im Leben Cannabis konsumiert und einmal eine Nase Speed geschnupft. Er sei noch nie in suchttherapeutischer Behandlung gewesen und nicht vorbestraft. Den 39-jährigen Garchinger habe er nur über den Engelsberger gekannt und könne diesen nur als flüchtigen Bekannten bezeichnen. Mit dem Burgkirchner habe er ein gemeinsames Hobby geteilt: an Autos herumzuschrauben.
Er kenne die drei weiteren Angeklagten und sei gut mit dem Engelsberger befreundet gewesen. „Sie seien wie Brüder gewesen.“ Dann habe dieser ihn des öfteren beauftragt Geld einzusammeln. Dies habe der Burgkirchner als Freundschaftsdienst angesehen und sechs bis acht Mal ausgeführt. Bei insgesamt drei Gelegenheiten sei er mit dem Engelsberger nach Bremen gefahren, habe dort aber nie mitbekommen, was dieser dort gemacht hat. Inzwischen sei er sehr enttäuscht von seinem ehemaligen Freund und fühle sich wie „der Depp vom Dienst.“ Früher habe er diesem blind vertraut und fühle sich nun ausgenutzt.
Der Gutachter legt dar, dass der Burgkirchner weder psychische noch suchtbedingte Auffälligkeiten zeigt und belegt dem Angeklagten volle Schuldfähigkeit.
Gutachter attestiert zwei Angeklagten volle Schuldfähigkeit
Auch zu dem Garchinger Angeklagten legt Dr. Eberl sein Gutachten vor. Dieser habe als Kind bereits Ritalin bekommen, ab dem 16. Lebensjahr Cannabis konsumiert. Später habe er Speed, Kokain und Amphetamine genommen und habe unter Spielsucht gelitten. Der 39-jährige habe bereits mehrere suchttherapeutische Behandlungen abgeschlossen. Es könne angenommen werden, dass durchaus eine Suchtproblematik bestanden habe, aber seit 2019 und zuletzt in Haft nicht.
Wiederholte kriminelle Handlungen liegen vor. Es gebe aber keine Anhaltspunkte für seelische Störungen, dies könne es aber nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Auf Anraten seines Anwalts habe der Garchinger kein persönliches Gespräch mit dem Gutachter gesprochen.
Update, 12.25 Uhr - Zweiter Zeuge: „Die tatsächlichen Ausmaße haben mich überrascht“
Dann wird der gesondert verurteilte Zeuge aus Kastl in den Gerichtssaal gerufen. Die vorsitzende Richterin beginnt mit der Vernehmung des 29-jährigen und fragt nach Paketen mit Betäubungsmitteln, die der Zeuge laut Anklageschrift angenommen haben soll. Er antwortet, dass der Angeklagte aus Kastl ihn beauftragt habe, die Pakete anzunehmen.
Als die Richterin den Zeugen fragt, ob er etwas für den Erhalt der Pakete bekommen habe, sagt er „Nichts. Das war ein Freundschaftsdienst.“ Zum Gewicht der Pakete gibt er an, dass es sich um zwei bis drei Kilogramm gehandelt habe. Er habe gewusst, dass in den Paketen Marihuana enthalten war – aber dies nicht weiter in Frage gestellt. Die Pakete habe sein Freund, der Kastler Angeklagte, bei ihm abgeholt. Der Zeuge gibt an, den Engelsberger zu kennen, den 39-jährigen Garchinger und den 24-jährigen Burgkirchner kenne er nicht.
„War bekannt, dass er damit Geschäfte macht“
Staatsanwalt Filipov befragt den Zeugen weiter zum Kastler Angeklagten. „Es war bekannt, dass er damit Geschäfte macht“, sagt der Zeuge, „aber die tatsächlichen Ausmaße haben mich überrascht.“ Es sei erwähnt worden, dass er mit dem Engelsberger Kontakt habe und auch das habe den Zeugen überrascht. Beim Öffnen der Pakete soll der Kastler Angeklagte gewartet haben, um die Pakete mit dem Engelsberger zusammen zu öffnen.
Jörg Zürner, Verteidiger des angeklagten Kastlers, fragt nach, ob er richtig verstanden habe, dass sein Mandant das Paket nicht alleine habe öffnen dürfen. Der Zeuge bestätigt, dies so gehört zu haben.
Update, 11.32 Uhr - Zeuge aus Kastl: „Zwei Kilo Gras im Umzugskarton“
Die Verteidiger der Angeklagten widersprechen mehrmals und gemeinsam gegen das Selbstleseverfahren. Es verstoße gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz die Vernehmungsprotokolle der geladenen Zeugen vor deren Anhörung zu lesen. Staatsanwalt Filipov sieht keine Probleme. Richterin Aßbichler entscheidet nach mehreren Pausen die jeweiligen Entscheidungen. Die Kammer sehe keine Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes.
Zwei Kilo Gras im Umzugskarton
Dann wird der 25-jährige Zeuge aus Burghausen aufgerufen, der bereits gesondert verurteilt wurde. In seiner Aussage gibt er an, dass er im Januar/Februar 2020 den angeklagten Garchinger getroffen habe. Bei einem Treffen am Trimm-Dich-Pfad in Burghausen habe er zwei Kilogramm Marihuana für 13.500 Euro bei dem 39-jährigen bestellt. Per Post sei dann ein Umzugskarton mit zwei Säcken bei ihm angekommen.
Dann habe er den Namen des Burgkirchner Angeklagten bekommen. Dieser habe ihn am TEDI Parkplatz in Burghausen getroffen, und dort das Geld für die Betäubungsmittel entgegengenommen. Auf Nachfrage der Richterin, ob dem Zeugen bekannt sei, ob der Burgkirchner wusste, worum es bei der Übergabe ging, sagt er nur: „Ich hab ihm einfach nur das Geld gegeben. Ich kann nicht sagen für wen genau das Geld dann war.“
Garchinger soll gesagt haben, „er selbst sei raus“
Staatsanwalt Filipov hakt nach, ob der Zeuge die anwesenden Zeugen identifizieren könne. Der Name des Kastler Angeklagten war dem Zeugen gänzlich unbekannt. Auf die Frage hin, wie ihm der Kontakt für den Drogenkauf vermittelt wurde antwortet der Burghauser, er habe den 39-jährigen Garchinger in einem Tattoo-Studio getroffen und mit ihm über den Kauf von Gras gesprochen. Dieser habe ihm den Kontakt zu dem Engelsberger vermittelt. Der Garchinger selbst habe angegeben „er selbst sei raus.“
Im weiteren Verlauf habe der Burghauser zwei Kilogramm Marihuana bei dem Engelsberger bestellt. Auf die Frage von Staatsanwalt Filipov, wer den Preis bestimmt habe, gibt der Zeuge den Namen des Engelsbergers an. Mit dem Garchinger Angeklagten habe er sonst keinerlei Kontakt mehr gehabt.
Update, 10.06 Uhr - Debatten um verschlüsselte Handy-Daten – Zeugen aus Burghausen und Kastl erwartet
Im Prozess gegen die vier Drogenhändler aus dem Landkreis Altötting startet der zweite Verhandlungstag. Am heutigen Freitag werden zwei Zeugen aus Burghausen und Kastl aussagen, die laut Anklageschrift Drogen von der angeblichen Bande erhalten und weiterverkauft haben sollen.
Zuvor stellt Rechtsanwalt Jörg Zürner jedoch einen Antrag. Er legt Widerspruch gegen eine Anordnung der vorsitzenden Richterin ein, die diese noch am ersten Prozesstag vorgebracht hatte. Der Verteidiger des 26-jährigen Angeklagten aus Kastl spricht sich darin gegen die Einführung der Zeugenaussagen im Selbstleseverfahren aus. Aus seiner Sicht stelle dies einen Verstoß gegen die Strafprozessordnung dar.
Staatsanwalt Filipov entgegnet, dass dieses Vorgehen keine Ersetzung der Vernehmung, sondern lediglich als Ergänzung zu sehen sei. Er will sich zu einem späteren Zeitpunkt nochmal dazu äußern. Die Kammer stellt daraufhin die Entscheidung vorerst zurück.
Urteil vom Bundesgerichtshof lässt Encro-Chat-Daten zu
Richterin Jacqueline Aßbichler gibt weiterhin bekannt, dass bezüglich der Encro-Chats ein Urteil des Bundesgerichtshofs vom März 2022 vorliege. Dieses erlaubt die Verwendung der Daten zur Aufklärung von Verbrechen vor Gericht. Außerdem legt die Kammer den Verteidigern die Vernehmungsprotokolle der zwei Zeugen vor.
Der Verteidiger des 26-jährigen Engelsbergers, der gestern vor dem Landgericht vernommen wurde, gibt der Richterin bekannt, dass er mit seinem Mandanten die Akten noch einmal durchgegangen sei. Der Angeklagte bestätigte dabei die Richtigkeit der Angaben im polizeilichen Vernehmungsprotokoll mit Ausnahme eines Halbsatzes. Darin ging es um eine Mengenangabe zur letzten Drogenlieferung, in der von zwölf Kilogramm Haschisch und 150 Gramm Kokain die Rede war.
Der Vorbericht zum Prozess am Freitag (24. Juni)
Am ersten Gerichtstag stand einer der vier angeklagten Männer aus dem Landkreis Altötting vor Richterin Jacqueline Aßbichler Rede und Antwort. Der 26-jährige soll laut Anklageschrift zusammen mit einem 39-jährigen aus Garching in größerem Stil Drogen vertrieben haben. Bei den Vernehmungen wollte der junge Mann aus Engelsberg sich kaum an konkrete Daten, Mengen oder Zeitpunkte erinnern können. Ob der Angeklagte die Mittäter schützen oder gar weitere unbekannte involvierte Personen decken möchte bleibt offen. Er gab allerdings zu, Drogenbestellungen bei einer Tätergruppierung in Bremen aufgegeben zu haben. Dazu habe er ein verschlüsseltes Handy, ein sogenanntes „Encro-Chat“ genutzt.
58 Kilogramm Marihuana in 6 Monaten? Mehr oder weniger?
Die erste Lieferung Marihuana sei in einem Kühlschrank angekommen, genaue Angaben zur Menge und Aufteilung unter den Dealern, sowie dem Weiterverkauf konnten kaum aus dem Engelsberger herausgebracht werden. Die Richterin musste den Verteidiger des 26-Jährigen darum beten, die Akten noch einmal genau mit seinem Mandanten durchzugehen. Die Verteidigerin eines weiteren Angeklagten warf sodann die Frage ein, weshalb der Engelsberger das polizeiliche Vernehmungsprotokoll überhaupt unterschrieben habe, wo ihm die genauen Mengen und Daten doch unklar und ihm auch das Erinnern so schwer falle. Als Grund dafür gab der 26-Jährige an bei der Vernehmung unter starkem Streß gestanden zu haben.
Angeklagter habe aus der Sache raus wollen
Im Verlauf der Vernehmungen gab der junge Mann mehrere Male an, „dass er aus der Sache raus hatte wollen.“ So habe er zwei weiteren Angeklagten erzählt, dass die Polizei ihn bei seiner Arbeit aufgesucht habe, und er die Sache deswegen beenden wolle. Daraufhin soll er die Verbindung nach Bremen gekappt und das verschlüsselte Handy vernichtet haben. Ein Mitarbeiter des Bundeskriminalamtes gab bei der darauf folgenden Zeugenvernehmung an, dass Nutzer diese Art von Mobilgeräten praktisch ausschließlich aus dem kriminellen Milieu stammen.
Der Anwalt des 39-jährigen Garchingers, der die Drogendeals mit der Bremer Tätergruppe initiiert, und dabei das Handy erhalten haben soll legte an dieser Stelle die Erklärung ab, dass damit ein Generalverdacht gegenüber jedem Nutzer verschlüsselter Handys geäußert werde. Die Erhebung und Verwertung der Chats als Beweismittel sei damit unzulässig.