Kultusministerium plant neue Aktion
Der neue „Tag des Handwerks“: Wie Azubis in Bayern ihre Branche retten sollen
- VonDirk Walterschließen
Fliesenleger, Maler, Maurer, Schreiner – wer den braucht, muss Geduld haben. Die Betriebe leiden unter dem Mangel an Fachkräften. Junge Auszubildende sollen das nun ändern.
München – Laut Zentralverband des Deutschen Handwerks sind derzeit – „Tendenz steigend“ – im Handwerk 150 000 offene Stellen gemeldet. In Bayern sind es 15 000 – 15 Prozent der Stellen. Das Handwerk hat auch ein Imageproblem: Viele Eltern meinen, Handwerksberufe seien körperlich anstrengend, wenig angesehen und schlecht bezahlt – und schicken ihre Kinder aufs Gymnasium.
Mit einem „Tag des Handwerks“ will das Kultusministerium jetzt etwas gegensteuern. Künftig soll jeder Schüler zumindest einmal in seiner Schullaufbahn daran teilnehmen, sagt Kultusminister Michael Piazolo. Kindern und Jugendlichen müsse handwerkliche Tätigkeit nahegebracht werden – etwa durch Betriebsbesichtigungen, Projektarbeiten in den Betrieben oder eine praxisnahe Vorstellung der Ausbildungsberufe durch die Azubis selbst.
Der Tag ist für alle weiterführenden Schulen verbindlich, erklärte Piazolo. Schulen sollen „in enger Abstimmung“ mit Handwerksbetrieben vor Ort Termine bestimmen. Am Gymnasium eignet sich nach Meinung des Kultusministeriums besonders die 9. Klasse für den Tag des Handwerks. An den anderen Schularten könne er zum Beispiel in das Fach „Werken und Gestalten“ eingebettet werden. Auch hier sind Neuerungen in Sicht: Das Fach soll aufgewertet werden, schlägt die Fraktion der Freien Wähler im Landtag vor.
Das Fach müsse „aus der vermeintlichen Bastel-Ecke“ geholt werden, sagt FW-Bildungsexperte Tobias Gotthardt. Die FW sind dafür, das Fach künftig „Handwerk und Design“ zu nennen und auf neue Berufe auszurichten. Das Fach „Werken“ gibt es in der Grundschule und an Mittel- und Realschulen. An der Mittelschule ist es in der 5. und 6. Klasse zweistündig und vor allem dazu gedacht, „die Handfertigkeiten zu schulen“, wie Kathrin Güss-Wölflick sagt. Sie ist Fachberaterin für Werken am Schulamt Rosenheim und unterrichtet selbst 19 Stunden wöchentlich an der Grund- und Mittelschule Rosenheim-Fürstätt. Dass Werken notwendig ist, muss man der Lehrerin nicht groß erklären.
„Es bastelt heute niemand mehr, und es näht auch keiner mehr“, sagt sie. Der Unterricht im Werken sei aber heute schon viel mehr. Da gehe es darum, Schmuckpapiere herzustellen und mit Holz, Metall oder Ton zu arbeiten. Viele Schüler nehmen bei Kathrin Güss-Wölflick zum ersten Mal in ihrem Leben eine Bohrmaschine in die Hand. Aber klar: Werken sei auch an der Mittelschule nur ein Nebenfach – was der Vorschlag der Freien Wähler im Schulalltag bewirke, sei abzuwarten. Dazu erklärt der FW-Abgeordnete Gotthardt, es gehe darum, neue Arbeitsfelder vor allem im technologisch-digitalen Umfeld bekannt zu machen.
Daher der neue Zusatz „Design“. Keine gute Meinung von der Handwerks-Offensive des Ministeriums hat indes der Berufsverband der Gymnasiallehrer: Der Tag des Handwerks als Pflichtveranstaltung komme „kurzfristig und durchaus überraschend“, sagt der Vorsitzende des Bayerischen Philologenverbands, Michael Schwägerl. Erst vor zwei Jahren wurde ebenfalls verpflichtend eine Projektwoche „Alltagskompetenzen“ eingeführt – damals gab Piazolo dem Druck der Landfrauen nach. Langsam werde die Schule „mit Sondertagen überfrachtet“, warnt Schwägerl