1. ovb-online-de
  2. Welt
  3. Bayern

Aiwanger zur Dyneon-Schließung: „Vor dem Aufprall erkennen, dass wir auf eine Wand zufahren“

Erstellt: Aktualisiert:

Von: Daniela Haindl

Kommentare

Nach dem Gespräch mit Vertretern der Chemie: Markus Söder und Hubert Aiwanger im Pressegespräch.
Nach dem Gespräch mit Vertretern der Chemie: Markus Söder und Hubert Aiwanger im Pressegespräch. © Haindl

„Ein wirtschaftspolitisches Desaster“ sei die Dyneon-Schließung, und „ein hausgemachtes Problem.“ Söder und Aiwanger wollen für Druck auf Regierung und EU-Kommission sorgen.

Burgkirchen, Landkreis Altötting – „Wir kümmern uns darum“, begann Markus Söder sein Statement zu dem Gespräch mit Vertretern der Dyneon GmbH, deren Mutterkonzern 3M und Vertretern der Industrie im Chemiedreieck. Doch der gewohnte Schwung des Bayerischen Ministerpräsidenten konnte nicht über die gedrückte Stimmung der Anwesenden wegtäuschen. Neben ihm waren auch Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger und Prof. Dr. Angelika Niebler, Mitglied des Europäischen Parlaments sowie Stephan Mayer, Mitglied des Bundestags an dem Gespräch beteiligt gewesen.

„Wir betrachten das nicht als regionales Ereignis, sondern eines von größerer Bedeutung“, sagte Söder weiter. „Natürlich ist es zunächst für die Mitarbeiter vor Ort eine sehr schwere Entscheidung, wenngleich die Arbeitsmarktlage so ist, dass es – im Falle einer Schließung – hochgefragte Mitarbeiter sind“, so Söder. Es handele sich um ein gesundes, erfolgreiches technologisch hochwertiges Unternehmen mit höchsten Qualitäten der Mitarbeiterausbildung. „Die Mitarbeiter wünschen sich trotzdem Sicherheit und Klarheit, deswegen gilt unsere erste Sorge ihnen.“

Sorge um Chemiedreieck und ganze Branche

Zweite Sorge sei das gesamte Chemiedreieck. „Für Bayern ist die Chemieindustrie ein ganz wesentlicher Bestandteil des wirtschaftlichen Portfolios“, so Söder. „Die Chemie spielt übrigens bei den großen Prozessen der Welt, die wir aktuell haben, eine ganz wesentliche Rolle.“ Weil es sich bei Dyneon um ein „Schlüsselunternehmen“ handele, sei die dritte Sorge, die um die gesamte Chemiebranche. „Es mag für den amerikanischen Konzern nur ein kleines Geschäftsfeld sein, aber es ist ein strategischer Geschäftszweig, der ganze Branchen versorgt,“ betonte Söder. Die Entscheidung von 3M führe also zu erheblichen Problemen: „Das absurde daran ist, dass es sich nicht um eine ökonomische Entscheidung handelt.“ Grund für den Entschluss von 3M seien regulatorische Maßnahmen, Akzeptanzprobleme und politischer Druck.

„Gendorf ist Brennglas der Zukunft“

In Deutschland und auch in Europa gebe es keinen vergleichbaren Standort, so Söder. „Es handelt sich hier um einen Rohstoff, der entscheidend ist für die Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft der Zukunft. Deswegen verfolgen wir den Ansatz für eine Zeitenwende: Die Regulatorik muss an die Herausforderungen der Zeit und die Bedürfnisse der Zukunft angepasst werden.“ Als erstes werde man massiven Druck auf EU-Kommission und Bundesregierung ausüben: Erst am 7. Februar veröffentliche die Europäische Chemikalienagentur einen Vorschlag von Behörden aus Deutschland und anderen europäischen Ländern. Diese hatten sich für ein Verbot von rund 10.000 PFAS-Stoffen stark gemacht, die zum Teil am Dyneon Standort produziert werden. Sowohl deren Einfuhr, als auch Herstellung und Verwendung sollen untersagt werden. Ab dem 22. März startet dazu eine öffentliche Konsultation, die Entscheidung über das mögliche Verbot wird 2025 erwartet – bis 2025 soll Dyneon schließen. Wohl kaum ein Zufall.

Am Ende bleiben Konzernentscheidungen Konzernentscheidungen

„Wir müssen fragen: Habt ihr das zu Ende gedacht“, sagte Söder. Zweitens müsse man weiter an den amerikanischen Konzern appellieren: Dieser solle Patente veräußern, damit das Unternehmen erfolgreich weitergeführt werden könne. „Und drittens brauchen wir ein Konzept wie das Chemiedreieck generell massiv gefördert und unterstützt werden kann. Also neben den Industriefragen auch mit dem Windpark, Geothermie-Projekten und der Wasserstoff-Forschung“, so Söder. Er wolle unterstützen, dass Geld in die Region fließe und in intensivem Dialog bleiben. Am Ende blieben Konzernentscheidungen leider Konzernentscheidungen.

„Akteure in Berlin und Brüssel haben das nicht überrissen“

„In meinen Augen ist das Ganze ein wirtschaftspolitisches Desaster“, startete Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger, „hausgemacht auf Bundes- und europäischer Ebene. Es ist falsche Politik, die Industrie ins kalte Wasser zu stoßen, und zu erwarten, dass die Unternehmen aus Patriotismus Produktionsnischen finden und sich bemühen diese zu besetzen.“ Im schlimmsten Fall würden sich Unternehmen aus Deutschland und Europa verabschieden. „Ohne diese Produktgruppen werden wir massivst zurückgeworfen“, so Aiwanger. „Es ist geradezu grotesk, dass man die Mikrochip-Produktion aus Asien nach Europa zurückholen möchte, und dann aber die entsprechenden Grundstoffe verbietet. Ich habe den Eindruck, dass die Akteure in Berlin und Brüssel das schlichtweg noch nicht überrissen haben.“

Chemische Industrie darf nicht unter die Räder kommen

Außerdem brauche man Stabilität für den Chemiepark Gendorf. Man müsse flankierend helfen die Kosten auf mehrere Schultern zu verteilen. „Wir wollen nicht weiter zusehen wie die chemische Industrie in Bayern unter die Räder kommt. Auch den Mitarbeitern muss man schnellstmöglich garantieren, dass sie in der Region Arbeit finden.“ Es gehe aber laut Aiwanger auch um Themen der nationalen Sicherheit. So müsse auf europäischer Ebene überlegt werden, ob möglicherweise Haftungsfreistellungen für ein Unternehmen gewährt werden könnten, welches freiwillig für Dyneon in die Bresche springt. Bezüglich des Verbotes von Stoffen dürfe nicht erst diskutiert werden, wenn der Stoff weg ist: „Man muss vor dem Aufprall auf die Wand erkennen, dass wir auf die Wand zufahren“, so Aiwanger.

Müssen Mitarbeitern die Arbeitsplätze sichern

In dem Fall reguliere zwar die EU aber die deutsche Regierung sitze am Steuer, so Söder. „Jeder, der glaubt, eine Zeitenwende mit Verzicht organisieren zu können wird am Ende demokratisch scheitern. Transformation geht nur mit Wohlstand, Technologie und einer begleitenden und steuernden Regulatorik – nicht mit einer verhindernden.“ Dr. Bernhard Langhammer, Pressesprecher der ChemDelta plädierte dennoch für Eile: „Wir haben nicht sehr viel Zeit. Es ist möglich, dass der Standort in 18 Monaten geschlossen wird und wir müssen jetzt den Mitarbeitern klar machen, dass ihr Arbeitsplatz sicher ist, sonst sind die weg – und dann haben wir den Schaden.“

Auch interessant

Kommentare