Berchtesgadener Land empfängt Sportler
„Es war für mich das schönste Rennen meines Lebens“ - So war der Olympia-Abend in Berchtesgaden
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Von Vorbildern, der Bobbahn und dem Ukraine-Krieg: Der offizielle Empfang der Olympia-Sportler in Berchtesgaden ist ein Abend voller Emotion. Der Landkreis ist stolz auf seine Olympioniken - und feiert sie gebührend.
Berchtesgaden - Menschen in Lederhosen und Dirndl tummeln sich auf dem Platz zwischen dem Gebäude des Alpencongress und dem Kurgarten. Über der Tracht tragen sie dicke Daunenjacken. Es ist ein kalter Abend, unter dem Vollmond, im Talkessel.
Der Kälte trotzend haben sich von den jüngsten Nachwuchssportlern, den Kindern in ihren blauen Vereinsjacken, bis hin zu den älteren Semestern und Bekanntheiten des Landkreises, wie Unternehmer Max Aicher und seiner Frau, alle versammelt. Mit frierenden Fingern und dem Geruch von Bratwurst in der Nase blicken die Zuschauer auf die Tribüne.
Olympia-Empfang in Berchtesgaden: „Sport verbindet über Generationen hinweg“
Auf ihr versammeln sich im Laufe des Abends die heimischen Olympioniken und die Politiker, von Felix Loch bis Ramona Hofmeister, über Michaela Kaniber bis zum Bayerischen Sport- und Innenminister Joachim Herrmann. Jeder ist gekommen.
Doch vorher müssen sie noch an den kleinsten Ehrengästen, den Kindern, vorbei. Die jungen Nachwuchssportler stehen in Reih und Glied neben der Tribüne. Sie halten ein Banner in ihren Händen. Darauf zu sehen: ihre großen Vorbilder aus der Heimat, die Gewinner von Olympia 2022.
Auch Alexander Resch, Vorstand im Bob- und Schlittenverband für Deutschland ist stolz auf die heimischen Sportler: „Was unsere Olympioniken in Peking geleistet haben, ist einfach unfassbar. Liebe Sportler, viele von euch ahnen gar nicht, welche großen Idole ihr für unsere Kinder seid. Viele werden durch euch erst zur Bewegung animiert. Kinder, die euch zuschauen, anfeuern und dann den Zipfelbob rausholen und das Duell von Francesco Friedrich und Johannes Lochner nachspielen. Sport verbindet über Generationen hinweg, über Grenzen hinweg. Vielen von uns, vor allem für Kinder und Jugendliche, seid ihr zu Recht Vorbilder, egal ob mit oder ohne Medaille.“
Mitgefiebert und nicht geschlafen - „Können sehr stolz sein“
Der Abend beginnt mit einer Politikerrunde. Moderator Sebastian Rasp begrüßt Landrat Bernhard Kern, Bayerns Innenminister Joachim Herrmann und die Bayerische Staatsministerin und Stimmkreisabgeordnete Michaela Kaniber auf der Bühne. Schnell landet man beim bayerischen „Du“.
Wie die Politiker Olympia erlebt haben? „Ich habe zum Teil nicht geschlafen, mitgefiebert und war auch mit Edith Lochner, der Olympionikin-Mutter immer in Kontakt“, so Kaniber. Herrmann „konnte ja nicht immer nur stundenlang vorm Fernseher sitzen, weil ich neben dem Sportminister noch so eine komische Nebenbeschäftigung habe, aber Sport ist schon ganz wichtig. Ich habe mir vieles live angesehen. Jedes Mal wenn wenn man den Fernseher eingeschaltet hat, gab es eigentlich eine Medaille. Insofern, phänomenal“. Das Berchtesgadener Land sei ganz vorne im Medaillenspiegel, meint Landrat Kern. „Da können wir alle sehr, sehr stolz sein.“
Die zerstörte Bob- und Rodelbahn am Königssee ist an diesem Abend mehrmals Gesprächsthema bei den Politikern. Die Leistungen der Sportler sind großartig, so Herrmann. „Bei allem Respekt vor den einzelnen Leistungen der Sportler - es gäbe die Erfolge - jedenfalls in dieser großen Zahl - sicherlich nicht, wenn es hier nicht vor Ort dies Bahn gäbe. Und deshalb ist es dringend notwendig, dass sie wieder hergestellt wird“, meint Herrmann und erntet einen tosenden Applaus aus dem Publikum.
Nachwuchssportler überreichen Vorbildmedaille
Die großen Ehrengäste des Abends sind natürlich die heimischen Olympia-Teilnehmer. Sebastian Rasp begrüßt sie alle nacheinander auf der Bühne: Tobias Wendl und Tobias Arlt, Natalie Geisenberger und Anna Berreiter, Felix Loch und Rupert Staudinger, Johannes Lochner und Christian Rasp, Tina Herrmann und Ramona Hofmeister, Carolin Langenhorst, Melanie Hochreiter und Elias Huber.
Einer nach dem anderen steigt auf ein kleines Siegerpodest, wo ihnen die Nachwuchssportler die „Vorbildsmedaille“ um den Hals hängen. Von den jeweiligen Bürgermeistern der Heimatgemeinden gibt es ein kleines Geschenk, eine extra angefertigte Spanschachtel, dekoriert mit einem Geschenkband. Auch der Sponsor Lotto Bayern lässt die Sportler einen Preis ziehen. Von Wellnesswochenenden bis VIP-Lounge Plätze bei Bundesligaspielen ist alles dabei.
„Athletes for Ukraine“ - Loch: „Habe viel Kontakt mit ukrainischen Rodlern“
Johannes Lochner holt sich zwei mal Silber jeweils im Zweier- und Viererbob. „Hansi, wann hast Du gewusst, dass die Medaille greifbar ist?“ - „Wenn ich ehrlich bin, nach dem ersten Training“, so Lochner auf die Frage von Moderator Rasp.
Auch an diesem Abend ist der Ukraine-Krieg nicht wegzudenken. Innenminister Herrmann zeigt die Verbundenheit mit dem Land mit einer Stecknadel an seinem Anzug. Zwei winzige Flaggen sind darauf zu sehen: die Bayerische und die Ukrainische. Felix Loch, „einer der größten Sportsmänner und dreifacher Olympia-Sieger“ berichtet auf der Bühne von dem neu gegründeten Verein „athletes for ukraine“. „Ich habe viel Kontakt mit ukrainischen Rodlern. Was die Jungs schreiben, das ist unglaublich und das geht einem nah und macht einen traurig, dass so etwas heutzutage noch passieren kann.“ Der Verein fährt mit acht VW Bussen voll bepackt mit Spenden in ein betroffenes Gebiet und kommt zurück mit 40 schwerbehinderten Menschen, die in einer Einrichtung hier im Sicheren unterkommen können.
Küss die Medaille bis „Küss dir die Füße“
Bei Olympia schafft es Loch gerade nicht aufs Treppchen. „Es war schwierig von Anfang an. Ich hatte ja im Dezember Corona und konnte vier Wochen nicht richtig trainieren. Es kann halt nicht immer funktionieren und am Ende muss halt leider einer immer vierter werden.“ Loch fiebert dafür „zu hundert Prozent“ bei Natalie und Anna mit. „Vor Natalies viertem Lauf habe ich gesagt, das wenn du jetzt durchziehst, dann küss ich dir im Ziel unten die Füße. Wettschulden sind Ehrenschulden, das hab ich gemacht. Wirklich Hut ab, was die zwei dort geleistet haben.“
Für Anna Berreiter vom Rodelclub Berchtesgaden sind es die ersten Olympischen Spiele. Sie bringt Silber mit nach Hause mit. Pure Emotion während der Spiele: Anna Berreiter küsste ihre erste Olympia-Medaille. Wie war der Moment beim Rennen, als sie wusste, der Sieg ist nah?
„Es war eigentlich mit der Einfahrt in der Kurve da unten um mich geschehen. Da hab ich schon gemerkt, jetzt passiert was mit mir, weil ich schon wusste, der Fehler aus der 13 war da, aber er hat bestimmt nicht so viel gekostet mit dem Vorsprung den ich hatte. Und dann fährt man über die Ziellinie, rechts kommt eine kleine Anzeige wo quasi eine grüne oder rote Zeit steht. Die Zeit war grün, heißt, man hat den ersten Platz. Das war der Moment wo es einfach vorbei war. Da war so viel im Kopf und auch so wenig. Dann sieht man da seine Teamkollegen, Felix, die ganzen Leute, die da auf einen gewartet haben, die einen empfangen haben. Die Tobis waren auch da, die Trainer, alle die einen auf dem Weg begleitet haben und ja da sprudelt es dann einfach so raus.“
„Es war für mich das schönste Rennen meines Lebens“, so Berreiter.
Olympische Spiele 2026? - „Mir fehlen noch ein paar Medaillen“
Natalie Geisenberger ist die „erfolgreichste Winterolympionikin Deutschlands mit sechs Goldmedaillen und ganz aktuell die neue Trägerin des bayerischen Verdienstordens“, wie Rasp sie begrüßt. Während für Berreiter das Rennen ein durchgehender „Genuss“ war, ist es das für Geisenberger erst „nach dem vierten Lauf“. „Ich war nervös wegen der Kurve 13, weil ich auch dreimal gestürzt bin. Ich wusste, dass da ein ganz kleiner Fehler zum Sturz führen muss, bei der Anna nicht, die hat das irgendwie im Griff, aber der Rest hat sich da schwer getan.“
Viele Olympioniken wollen an diesem Abend noch keine Teilnahme an den Olympischen Spielen in Italien 2026 unterschreiben. Nicht so Felix Loch und Anna Berreiter: „Mir fehlen ja noch ein paar Medaillen“, so die junge Sportlerin. Und die werden dann sicher auch wieder gebührend mit einem Empfang in Berchtesgaden gefeiert.
ce