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Der Bauernjörg

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bayern & seine geschichten . 1525 – Wie ein Ritter einen Aufstand grausam niederschlug.

Georg Truchsess Freiherr zu Waldburg, genannt „Bauernjörg“, war ein besonders grausamer Ritter aus dem Schwäbischen. Er lebte von 1488 bis 1531, wurde also nur 43 Jahre alt – für die damalige Zeit aber ein normales Durchschnittsalter. Von Herzog Wilhelm von Bayern als Feldherr verpflichtet, metzelte seine adlige Landsknecht-Armee in den Bauernkriegen die Aufständischen zu tausenden nieder. Seine Feldzüge führten ihn 1525 vom Schwarzwald bis nach Würzburg, Nürnberg und Memmingen – in knapp sechs Monaten fielen die Landsknechte damals über 3000 Dörfer her, wobei sie insgesamt eine Wegstrecke von 1866 Kilometern zurücklegten. Peter Blickle, der jetzt eine großartige Biographie über den Bauernjörg vorgelegt hat, nennt den Feldzug „einen der seltsamsten Kriege im frühen 16. Jahrhundert“. Zugleich war es der zentrale Feldzug, der den Bauernkrieg zugunsten der Herrschenden entschied. „Der“ Blickle, wie man wohl sagen darf, ist der führende Bauernkriegsforscher der Historikerzunft. Er ist nicht leicht zu lesen. Aber wer, wenn nicht dieser aus München stammende Historiker, der lange Jahre an der Universität Bern lehrte, wäre imstande, uns die Welt vor 500 Jahren verständlich zu machen?

Warum kam es überhaupt zum Bauernkrieg? Wir befinden uns in einer Schwellenzeit, im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit. Bauern entdeckten damals das „göttliche Recht“ als „Maßstab zur Bewertung der Rechtmäßigkeit aller Abgaben, ja aller Herrschaftsverhältnisse“, wie Blickle schreibt. Den Bauern ging es also nicht darum, gar keine Abgaben mehr an ihre Grundherren zu leisten. Aber sie wollten, dass es „gerecht“ ablief, die Herrschaften also nicht überzogen. Sie verweigerten Abgaben, wählten plötzlich ihre Pfarrer selbst und stürmten die Klöster, um sich ihren Besitz wieder zu holen. Nie wieder waren die Bauern so rebellisch. Aber der Aufstand vor fast 500 Jahren hatte nicht allein materielle Gründe. Den Bauern ging es auch um die Ehre – ein zentraler Begriff. Genau das wusste der Bauernjörg, und deshalb versuchte er, die seinen Reisigen fast immer unterlegenen Bauern demonstrativ zu erniedrigen. Sein Verständnis von Macht verbot es ihm, sich mit den Anliegen der „Untertanen“ überhaupt auch nur auseinanderzusetzen, wenn sie nicht unterwürfig auftraten.

Eindrücklich zeigt Blickle die Folgen solchen Denkens. Bei der Schlacht um Leipheim am 4. April 1525 bestrafte der Bauernjörg die Bauern demonstrativ – sofern sie überhaupt mit dem Leben davon gekommen waren, mussten sie ihren Herren huldigen. Jegliches Zusammenrotten war künftig verboten, selbst das Abhalten von Gemeindeversammlungen oder der Besuch von Kirchweihfesten. In Würzburg demütigte Truchsess gar eine ganze Stadt durch die Hinrichtung angesehener Bürger. Über 70 wurden von Scharfrichtern öffentlich geköpft. „Ihre Köpfe habe man ihnen zwischen die Beine gelegt – so blieben sie einige Tage liegen, bis die Bürger endlich bestattet und die Bauern in einem Massengrab verscharrt wurden“, berichtete eine zeitgenössische Chronik. Das war nicht nur plumper Massenmord, sondern auch eine symbolische Machtdemonstration.

Albrecht Dürer schwante im nahen Nürnberg Schlimmes. Er hatte Alpträume über eine Sintflut, brachte das auch zu Papier. Sein „Traumgesicht“, ein Aquarell mit langer Bildunterschrift, ist bisher nicht mit dem Bauernkrieg in Zusammenhang gebracht worden – dabei schrieb es Dürer am 7./8. Juni 1525, also mitten während des Feldzugs des Bauernjörg, nieder. Ein anderer, Martin Luther, verfluchte hingegen die von Bauern gefertigten „Zwölf Artikel“, eine Art Leitprogramm der Aufständischen, in der sie die Pfarrerwahl durch die Gemeinde ebenso forderten wie die Aufhebung der Leibeigenschaft, die Freigabe von Jagd und Fischerei und die Reduzierung von Diensten – vor allem der Feldarbeit zugunsten der Grundherren, wozu auch eine ganze Reihe von Klöstern zählte.

Luther war Reformator. Aber eben kein Revolutionär. Er rechtfertigte die Ungleichheit als Grundlage der politischen Ordnung und machte die Leibeigenschaft dadurch unangreifbar. „Es soll keyn leybeygener seyn, weyl uns Christus hat alle befreyet.“, referierte er die Hauptforderung der Bauern. „Was soll das? das heysst Christliche freyheyt gantz fleyschlich machen.“ Blickle interpretiert Luthers Pamphlet als Anzeigen für „eine Kooperation der politischen und intellektuellen Eliten über alle Glaubensgegensätze hinweg bei der Bekämpfung der Bauern“ – ein Ansatz, der vor dem nahen Lutherjahr (1517-2017) Diskussionen auslösen könnte.

Letztlich, das zeigt Blickle deutlich, waren die Bauern vor allem wegen unzureichender Bewaffnung unterlegen. Sie verfügten zum Beispiel über keine Reitertruppen. So hatten sie mit ihren kurzen Spießen gegen die Langwaffen keine Chance. Aber auch moralisch fühlten sich die Adligen überlegen – sie agierten aus dem Geist heraus, Frieden und Ordnung zu sichern – während die Bauern durch das Gewaltverbot im Evangelium zumindest gebremst waren. Das erklärt ihre totale Niederlage, über deren Hintergründe uns Blickle nun faszinierende Einblicke ermöglicht. dirk walter

Das Buch

Peter Blickle: Der Bauernjörg, C.H. Beck Verlag, 586 Seiten, 34,95 Euro

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