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„Wir leben von Ostern und Weihnachten!“ - 2G: Der Ruin des Einzelhandels?

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Von: Christina Eisenberger

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Corona Kontrollen 2 G im Einzelhandel. Alexander Seifriedsberger Tagesbar Riap Sport Bad Reichenhall Katharina Baumgartner Marion Seigert Spielzeuggeschäft Seigert Freilassing
Alexander Seifriedsberger muss bereits 2G in seinem Lokal kontrollieren. Ab Mittwoch kommen auch auf den Einzelhandel die Kontrollen zu. Im Riap Sport in Bad Reichenhall arbeitet Katharina Baumgartner (l.) noch an einem Konzept. Marion Seigert weiß noch nicht, ob sie überhaupt Kontrollen im Spielzeuggeschäft Seigert in Freilassing durchführen muss. © ce (Montage)

Die einen öffnen wieder, die anderen bangen vor weiteren Verschärfungen. Im heimischen Einzelhandel und der Gastronomie herrscht im Hinblick auf die Corona-Maßnahmen Verunsicherung und Planlosigkeit. Treibt 2G den Einzelhandel in den Ruin?

Bad Reichenhall/Freilassing - „Wir haben noch keinen Plan, aber wir werden uns schon was einfallen lassen“, sagt Katharina Baumgartner, Betreiberin von „Riap Sport“ in Bad Reichenhall auf die Frage, wie in dem Sportgeschäft die 2G-Kontrollen ab Mittwoch (8. Dezember) umgesetzt werden.

Nur eins ist klar: Die Kontrollen werden ein Mehraufwand für die Unternehmen in der Region. Das sagen auch Marion Seigert von Spielzeugwaren Seigert in Freilassing und Ulrich Wassermann vom Kaufhaus Juhasz in Bad Reichenhall.

2G im Einzelhandel: „Weihnachtsgeschäft ist gelaufen“

Auch im Modegeschäft Juhasz in Bad Reichenhall arbeitet man noch an einem Konzept. Wassermann hat dabei vor allem vor einem Angst: „Dass wir Menschenansammlungen durch die Warteschlangen schaffen. Das ist ja auch kontraproduktiv.“

Mit Blick auf 2G und die derzeitige Impfquote befürchtet der Geschäftsleiter des Verkaufs, dass rund die Hälfte der Kunden in den Onlinehandel getrieben werde. Dies wiederum bedeute bis zu 50 Prozent an Umsatzeinbußen. „Wer eins und eins zusammenzählen kann, weiß, dass das Weihnachtsgeschäft gelaufen ist.“

Das Kaufhaus werde den zusätzlichen Mehraufwand und die Personalkosten noch stemmen können, so Wassermann. „Das kriegen wir hin, aber was macht eine kleine Boutique?“

Unklarheit um 2G im Einzelhandel: Welche Geschäfte müssen kontrollieren?

Seigert befindet sich mit ihrem Spielzeugwarenladen in der „Schwebe“ wie die Unternehmerin gegenüber BGLand24.de erklärt. Man wisse noch nicht einmal, ob man die 2G-Kontrollen ab Mittwoch überhaupt durchführen müsse. Im Laden gibt es neben Spielzeug auch Schreibwaren und Baby-Artikel und diese seien eigentlich von der 2G-Regel ausgenommen, so Seigert. Die Regeln dazu seien zu unklar.

Konkurrenten wie Discounter oder Geschäfte, die nur Baby-Artikel im Sortiment haben, dürften bereits sicher ohne die 2G-Regel weiter verkaufen. Das sei Wettbewerbsverzerrung, so Seigert.

Umsatzbremse 2G? - „Wir leben von Ostern und Weihnachten“

Seigert sieht die Einlass-Regelungen im Einzelhandel kritisch: „Nur weil man Ungeimpfte zum Impfen bringen will, muss man das nicht auf dem kleinen Einzelhandel austragen.“ Unternehmer seien derzeit das „letzte Glied in der Kette“. Die verschärften Maßnahmen würden auf ihre Kosten gehen. „Wir sind ein kleiner Familienbetrieb. Das ist unsere Existenz. Wir leben von Ostern und Weihnachten. Und jetzt haben wir das dritte Mal Lockdown in dieser Zeit“, so Seigert.

Drogeriemärkte sind von der 2G-Regelung ausgenommen. Vom Müller-Konzern heißt es am Montag auf Nachfrage, dass derzeit alle Bereiche offen bleiben würden. Es gebe keine Infos, ob einzelne Abteilungen, etwa die Spielwarenabteilung, gesperrt werden müssten.

Regelungen nicht mehr zumutbar?

In Bad Reichenhall versucht man, ein ganzheitliches Konzept für die 2G-Kontrollen zu finden. Doch langsam seien die Regelungen nicht mehr zumutbar, erklärt Brigitte Schlögl, Chefin vom Stadtmarketing. Man habe keinerlei Planungssicherheit. „Es ist so mühsam. Es ist ja nicht so, du sperrst auf und wieder zu, sondern du hast überall einen Vorlauf“, so Schlögl. Man müsse als Unternehmen planen, Angestellte aus der Kurzarbeit zurückholen, überlegen, wie man die Regeln umsetzen könne.

Das Verständnis von Händlern, Gastronomen und Hoteliers werde immer kleiner, so Schlögl weiter. Während die Gastronomie noch sagen könne, „ich kaufe ein und sperre auf“, sei es in der Hotellerie „sogar noch schlimmer“. Man könne den Gästen nicht sagen „ihr könnt anreisen“ und einen Tag später, „nein, es geht doch wieder nicht“. Das sei nicht mehr handhabbar, so Schlögl.

Die Stadtmarketing-Chefin zweifelt langsam an der Sinnhaftigkeit der Maßnahmen. Auch Seigert versteht nicht, warum etwa Kinderspielsachen unter 2G fallen. „Die Kinder brauchen auch im Lockdown Beschäftigung und sollen etwas lernen.“ Auch im Riap Sport überlege man sich Lösungen für Ungeimpfte: „Wenn man Lebensmittel kaufen kann, kann man auch Ski kaufen“, so Baumgartner.

Gastronomie sperrt wieder auf - mit 2G

In der Gastronomie ist die Freue groß, dass man überhaupt wieder aufsperren darf - mit 2G. Alexander Seifriedsberger hat seine Tagesbar überstürzt am Montag wieder eröffnet. „Wir dachten, dass wir erst am Dienstag aufsperren dürfen.“ Ein Maßnahmen-Chaos „eh wie immer“. Mit einer „zusätzlichen Nachtschicht“ hat Seifriedsberger mit seinem Team doch noch am Montag eröffnen können.

Schwieriger hingegen sei das „hin und her“ so Seifriedsberger. „Man kann einen Betrieb nicht an- und ausschalten wie einen Lichtschalter.“ Doch der Unternehmer ist positiv gestimmt: „Jeden Tag, wo wir dürfen, sperren wir auf!“

Im Tucha in Bad Reichenhall und im Schlössl in Freilassing sind die Lichtschalter noch aus. Die Gastronomiebetriebe haben mit Beginn der verschärften Corona-Regelungen im Berchtesgadener Land Mitte November geschlossen und gleich angegeben, voraussichtlich bis 15. Dezember nicht mehr zu öffnen. Doch jetzt sei man am Überlegen, ob man früher aufsperre, so Christian vom Schlössl. Jedoch seien viele Weihnachtsfeiern abgesagt worden und für 200 bis 300 Euro Umsatz am Tag aufzusperren, sei auch nicht rentabel.

Schlögl blickt mit Sorge in die Zukunft: „Wenn das die nächsten Monate so weitergeht, besteht die Gefahr, dass viele sagen werden, sie schaffen das finanziell nicht mehr.“

ce

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