Gewerkschafter fordern mehr Gerechtigkeit

München - Niedriglöhne, Leiharbeit und ungerechte Steuern: Am Tag der Arbeit fordern Gewerkschafter und Politiker mehr Gerechtigkeit - vor allem auf dem Arbeitsmarkt.
Tausende Menschen sind am 1. Mai für gerechtere Arbeit und mehr Solidarität in Bayern auf die Straße gegangen. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hatte zum Tag der Arbeit bundesweit zu hunderten Kundgebungen aufgerufen. Bei der Hauptveranstaltung auf dem Münchner Marienplatz mahnte DGB-Chef Michael Sommer am Mittwoch mehr Gerechtigkeit an. Dafür will er Reiche und Wohlhabende stärker in die Pflicht nehmen. Zugleich verschärfte die IG Metall im Tarifkonflikt in der bayerischen Metall- und Elektroindustrie die Gangart und rief mit dem Ende der Friedenspflicht in der Nacht zum Mittwoch zu ersten Warnstreiks auf.
Sommer kritisierte, es könne nicht sein, „dass unser Gemeinwesen fast ausschließlich von den Lohnsteuerzahlern und Konsumenten finanziert wird, während sich die Reichen und Schönen einen schlanken Fuß machen“. Für viele sei Steuerflucht kein Verbrechen, sondern ein „Reichensport“. Gerade im Wahljahr würden der DGB und seine Gewerkschaften nicht nachlassen, von der Politik „eine neue Ordnung der Arbeit, sichere Renten und ein soziales Europa“ einzufordern. Der Staat dürfe das Gemeinwohl nicht alleine der Wirtschaft überlassen.
Der Rückzug des Staates aus vielen Bereichen habe „nicht nur gute Arbeit zerstört, sondern auch die Grundlagen eines sozial verantwortlichen Wirtschaftens“, sagte Sommer vor tausenden Zuhörern auf dem Münchner Marienplatz. Auch in Deutschland sei in den vergangenen Jahren nicht mehr Arbeit entstanden. „Gestiegen sind vielmehr: Leiharbeit, Armutslöhne, prekäre Beschäftigung, die vom Staat noch mit Hartz IV subventioniert wird.“
Den Missbrauch der Arbeitnehmer durch Niedriglöhne, Werkverträge und Leiharbeit kritisierte auch Bayerns DGB-Chef Matthias Jena in Nürnberg. „Relevant für unsere Gesellschaft ist es, dass Menschen, die die ganze Woche hart arbeiten, am Monatsende auch einen Lohn haben, von dem sie menschenwürdig leben können.“
Jena warf Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) vor rund 5000 Zuhörern Etikettenschwindel und Tatenlosigkeit vor. „Seehofer hat mehrmals angekündigt, etwas gegen die Ausweitung der Niedriglöhne in Bayern zu tun. Passiert ist nichts.“
Auch Münchens Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) machte Niedriglöhne und befristete Beschäftigungsverhältnisse auf der Kundgebung in München zum Thema. Er kritisierte, dass Betroffene gezwungen seien, trotz Arbeit staatliche Unterstützung in Anspruch zu nehmen. „Die Forderung nach guter Arbeit und planbaren Einkommen muss sich an sämtliche Arbeitgeber richten“, sagte der SPD-Spitzenkandidat für die Landtagswahl.
Um bessere Bedingungen für die Arbeitnehmer zu erreichen, macht die IG Metall unterdessen im Tarifkonflikt mit der bayerischen Metall- und Elektroindustrie Druck. Mit dem Ende der Friedenspflicht in der Nacht zum Mittwoch rief die Gewerkschaft in Augsburg, München und im oberfränkischen Trabitz zu ersten Warnstreiks auf. Bis zur nächsten Verhandlungsrunde mit den Arbeitgebern am 8. Mai in Nürnberg will die Gewerkschaft die Aktionen nach eigenen Angaben landesweit ausdehnen.
Mit dieser Taktik „der Nadelstiche“ würden die „Arbeitgeber in ganz Bayern die Wut und Enttäuschung der Beschäftigten über dieses mickrige Angebot zu spüren bekommen“, sagte Bayerns IG Metall-Chef Jürgen Wechsler. Die Gewerkschaft fordert wie in allen Tarifbezirken auch in Bayern 5,5 Prozent mehr Geld für die 770 000 Beschäftigten der wichtigsten Industrie im Freistaat. Die Arbeitgeber bieten 2,3 Prozent, allerdings bei einer längeren Laufzeit und zwei Nullmonaten.
Statt einer traditionellen 1.Mai-Demo protestierten in Würzburg rund achttausend Menschen friedlich gegen die Kundgebung eines rechtsextremen Bündnisses. Zwar kam es am Rande zu einigen kleineren Vorfällen und einer Festnahme wegen Beleidigung und Widerstands gegen Polizeibeamte. Zudem wurden vier Beamte leicht verletzt. „Doch der Aufzug selbst ist störungsfrei gelaufen“, berichtete ein Polizeisprecher. Es habe auch keine Ausschreitungen zwischen den Gruppierungen gegeben, obwohl einige Eier auf die Rechten flogen.
Rund 350 Neonazis waren einem Aufruf des „Nationalen und sozialen Bündnisses 1. Mai“ gefolgt und am frühen Nachmittag durch die Mainstadt gezogen. Ein buntes Aktionsbündnis aus Gewerkschaft, Kirchen und Vereinen hatte eine Gegendemonstration am Vormittag und ein Fest der Demokratie auf dem Marktplatz organisiert. Mehr als 1000 Polizisten waren im Einsatz.
Demo am Tag der Arbeit: Bilder vom Münchner Marienplatz
dpa