1. ovb-online-de
  2. Welt
  3. Bayern

Alz-Fische hochgradig verseucht: Bund Naturschutz und InfraServ äußern sich zu Gutachten

Erstellt:

Von: Daniela Haindl

Kommentare

Aktivisten von Greenpeace stehen am Donnerstag (09.11.2006) mit Plakaten vor dem Industriepark der Gemeinde Burgkirchen, wo Chemikalien in die Alz geleitet werden.
Im November 2006 unternahm Greenpeace eine Aktion gegen Chemikalien in der Alz. © Armin Weigel dpa/lby

Alz-Fische sind 20 mal stärker mit giftigen Zinnverbindungen belastet als Fische in Rhein und Elbe. Während InfraServ den Verzehr als „unbedenklich“ einstufte, warnte das Landratsamt mit klaren Worten.

Burgkirchen, Gendorf – Erst kürzlich warnte das Landratsamt Altötting vor dem Verzehr von Alz-Fischen: Die Grenzwerte für vier PFAS-Stoffe (PFOA, PFNA, PFOS, PFHxS) und organische Zinnverbindungen (TPT) seien überschritten. Noch im November hatte die Firma InfraServ vor dem Umweltausschuss den Verzehr der Alz-Fische als unbedenklich erklärt. Doch dem von der Chemiefirma beauftragten Gutachten lagen längst veraltete Grenzwerte zugrunde: Nach Meinung des LGL entbehrt es jeder fundierten toxikologischen Grundlage.

50 mal höhere TPT-Werte bei Alz-Fischen

Auch Dr. Holger Lundt vom Bund Naturschutz Burghausen bezeichnet das Gutachten von BNGF für die InfraServ als unseriös. „Der von der WHO empfohlene Grenzwert wird sehr deutlich überschritten“, sagt er. „Die Studie entspreche nicht den aktuellen wissenschaftlichen Standards. „Ich vermute, dass nur wenigen bewußt ist, wie hochgradig Alz-Fische mit TPT (Triphenylzinn) verseucht sind.“ Laut Dr. Lundt sind die Fische in der Alz 20 mal stärker mit dem Gift belastet als in Elbe und Rhein. Auch eine Studie aus Finnland zeige, dass die TPT-Werte bei Speisefischen im Bereich von 0,8 bis 3,2 mikrogramm/kg FG liegen, während Alz-Fische etwa 50 Mal höhere Werte aufweisen.

InfraServ gibt keine TPT-Werte bekannt

Bei der Präsentation des Fischmonitoring-Gutachtens vor dem Umweltausschuss Altötting wurde seitens InfraServ keine konkrete Angabe zu den Messwerten von TPT angegeben: Nur dass der Mittelwert seit der letzten Probe im Jahr 2016 angestiegen sei. „Das ist ein Problem für die gesamte Nahrungskette“, sagt Lundt vom Bund Naturschutz. “Unter anderem ernähren sich auch Enten von den Insekten und Schnecken im Alz-Schlamm.“ Lundts Aussage legt nahe, dass auch weitere Tiere nicht mehr zum Verzehr geeignet sein könnten, und führt diesbezüglich eine alarmierende Studie aus Holland an. Organische Zinnverbindungen wie TPT wirke sich laut Lundt bei vielen Lebenwesen schädlich auf das Hormonsystem aus und können deren Fortpflanzungsfähigkeit negativ beeinträchtigen.“

Der Grenzwert für Fentin wurde bei Alz-Fischen überschritten.
In der Darstellung ist deutlich ersichtlich wie weit der Grenzwert überschritten wird. © Dr. Holger Lundt

Gutachten nur „mit Unterstützung“ zugänglich

Auf eine Anfrage von innsalzach24.de, welche konkreten TPT-Werte im Jahr 2021 bei den Alz-Fischen festgestellt wurden, gab InfraServ keine Auskunft. Das Fischmonitoring-Gutachten werde nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht weil die hohe Komplexität des Themas und eine unkommentierte Veröffentlichung zu Fehlinterpretationen führten: „Wir bevorzugen deshalb eine Veröffentlichung nur in Einzelfällen mit fachlich kompetenter Unterstützung und Interpretationshilfe.“ Bei einem gemeinsamen Einblick in das Gutachten könnten die Werte im Jahresverlauf und an den unterschiedlichen Messstellen besser eingeordnet werden. Natürlich wird innsalzach24.de dieser Einladung nachkommen. Besonders interessant an dem Fischmonitoring ist übrigens, wann die Fische für die Proben entnommen werden, denn je fetter sie sind, desto mehr Gift enthält das Fischfleisch.

Bürger an Behörden verwiesen

Auf Anfrage gab InfraServ bekannt, dass die Fische Ende Juli 201 entnommen werden. Um eine bessere Vergleichsbasis zu schaffen, werde versucht, die Tiere immer im gleichen Zeitraum zu fangen. InfraServ: „Selbstverständlich gibt es eine genaue Dokumentation der Fische mit Größe, Gewicht und Alterseinteilung.“ Wie viele ältere und größere Fische (mehr Gift) bei den Entnahmen gefangen wurden und welche PFOA- oder TPT- Werte festgestellt wurden, wurde nicht mitgeteilt. Das Gutachten sei aber Teil einer behördlichen Auflage und werde als solches der Behörde übergeben. Bürger hätten jederzeit Recht Umweltinformationen dort anzufragen.

Weitere Gutachten von Behörden erwartet

Bereits im Jahr 2019 hatte eine Landtagsanfrage, dazu geführt dass InfraServ das Büro Ramboll in München mit der Durchführung einer Studie zum Vorkommen organischer Zinnverbindungen beauftragte. Diese habe den Verdacht einer schädlichen Bodenveränderungen bestätigt. Weitere Detailuntersuchungen durch die Firma InfraServ sollten im Juli 2022 fertiggestellt werden. Dem Wasserwirtschaftsamt Traunstein liegen aber noch immer keine Gutachten vor. Auf die Frage nach dem Zeitpunkt der Fertigstellung antwortete InfraServ: „Auf Grundlage dieses Gutachtens und seiner Erkenntnisse werden weitere Schritte abgeleitet. Diese erfolgen in Abstimmung mit den Behörden.“

Verursachern ist Problem schon lange bekannt

„Das Besondere an der Situation an der Alz ist nicht nur, dass die Fische diese hohen TPT Werte haben, sondern, dass den Behörden und den Verursachern das Problem seit etwa 20 Jahren bekannt ist“, sagt Dr. Holger Lundt vom Bund Naturschutz. Bisher seien keine sichtbaren Gegenmassnahmen eingeleitet worden, kritisiert er. Da nun durch das LGL auch die Chemikalie GenX in der Alz festgestellt wurde (Konzentration in der Alz 2022 0,025 bis 0,051 μg/l – Leitwert 0,011μg/l), wird auch dieses Gift nicht spurlos an den Alz-Fischen vorbei“fließen“. Grenzwerte für GenX in Fischfleisch gibt noch nicht – also ist der Verzehr zumindest diesbezüglich noch „unbedenklich“.

Auch interessant

Kommentare