CDU schlägt Kompromiss vor
AKW-Laufzeit gegen Tempolimit? Ampel sträubt sich gegen den „Kuhhandel“, CDU schlägt neue Töne an
Ein wenig wirkt es, als wollte die CDU Politikberatung für die Ampel machen: Am Montagmorgen war der ehemalige Gesundheitsminister Jens Spahn im ARD-„Morgenmagazin“ zu Gast. Seine Aussage: „Wenn die Grünen sagten, sie machten bei der Kernenergie ein halbes Jahr länger, dann finde ich, sollten wir auch beim Tempolimit reden können.“
München – Kommt es also zum Tempolimit? Spahn meinte, es sei nicht die Zeit für Tabus und Ideologien. Deshalb solle man auch beim Tempolimit keine „Denkverbote“ aufstellen. Spahns Auftritt wirkt ein wenig kurios, schließlich braucht die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP in dieser Frage die Union überhaupt nicht.
Sie alleine muss entscheiden, wie sie die aktuellen Meinungsverschiedenheiten beilegt. Besonders umstritten ist, ob man die drei verbliebenen AKWs doch länger als bis Jahresende laufen lässt. Bislang sind die Grünen strikt dagegen. Als am Sonntagabend aber die Vorsitzenden Ricarda Lang nur sagte, dass die Verlängerung „Stand jetzt nicht der richtige Weg wäre“, horchten viele auf. Stand jetzt? Lässt sich da jemand eine Hintertür offen? Der Ukraine-Krieg habe „den Stand“ schon mehrfach verändert, interpretierten die einen. Quatsch, sagen die anderen. Lang sei bei „Anne Will“ lediglich in die Enge getrieben worden.
Die Episode zeigt, wie nervös der Berliner Betrieb aktuell ist. Zum einen die Opposition: Während mit Spahn schon der zweite prominente CDU-Politiker öffentlich über ein Tempolimit nachdenkt, bleibt die CSU vorerst skeptisch. Deren Chef Markus Söder lehnt zumindest einen Kuhhandel „AKW gegen Tempolimit“ strikt ab. „Es ist völlig abwegig, hier mit Deals zu agieren“, sagte er unserer Zeitung. Die Verlängerung der Restlaufzeit der letzten verbleibenden Kernkraftwerke müsse so oder so kommen. Wie er sich zum Tempolimit positioniert, ließ Söder offen. Noch größer aber ist die Nervosität in der Regierung.
Lange hatte die FDP in der AKW-Frage stillgehalten, um den Koalitionsfrieden nicht zu gefährden. Letzte Woche war Schluss damit: Die Fraktion forderte eine „ideologiefreie Debatte“. Seitdem vergeht kein Tag ohne Wortmeldungen. Die Grünen dagegen, die ihrer Basis schon viel zugemutet haben, stellen sich quer. Wäre der Handel längere AKW-Laufzeit gegen ein (befristetes) Tempolimit also eine Lösung, mit der beide Seiten ihre Basis zufriedenstellen könnten? Nein, sagt FDP-Fraktionschef Christian Dürr: „Wir müssen alles tun, um die drohende Gaslücke zu schließen. Die Verlängerung der AKW-Laufzeiten kann dazu einen nennenswerten Beitrag leisten, das Tempolimit nicht. Wenn wir die Kernkraftwerke länger am Netz lassen, sparen wir Gas – denn wir verhindern, dass knappe Gasressourcen zur Stromerzeugung eingesetzt werden.“ Benzin und Diesel von der Tankstelle trügen „bedauerlicherweise“ nichts dazu bei, den Energiemarkt zu entlasten, so der Fraktionschef.
„Dieser Kuhhandel“ würde also die Versorgung im Winter keineswegs sichern. Dürr betont, es gehe nicht um „ideologische Atomkraftdebatten“, sondern „um eine befristete Maßnahme zur Einsparung von Gas“. Kanzler Olaf Scholz (SPD) hatte kürzlich über das Tempolimit gesagt: „Das hat diese Regierung nicht vereinbart, und deswegen kommt es auch nicht.“ Das hätte allerdings auch für vieles andere gegolten, was in Berlin seit dem russischen Einmarsch beschlossen worden ist. mik