„Nebenwirkungsfrei“ eine Übertreibung
79 Fälle von Impfschäden in Bayern: Aussagen von Lauterbach sorgen weiter für Aufsehen
- VonMarkus Zwiglschließen
Fast zehn Millionen Menschen sind in Bayern mindestens einmal gegen Covid-19 geimpft - Beschwerden sind normal, langfristige Impfschäden selten. Sehr viel häufiger sind Langzeitfolgen einer Corona-Infektion. Dennoch ist das Thema gerade nach den aktuellsten Aussagen von Gesundheitsminister Karl Lauterbach wieder in aller Munde.
In Bayern haben bislang 79 Menschen einen offiziell anerkannten Gesundheitsschaden durch die Corona-Impfung erlitten. Laut Zentrum Bayern Familie und Soziales haben seit 1. Januar 2021 insgesamt 1629 Bürgerinnen und Bürger einen Antrag auf Versorgung wegen Corona-Impfschadens gestellt. Davon sind 776 Verfahren entschieden - in 79 Fällen wurden die Anträge anerkannt, 673 wurden abgelehnt und 24 zurückgenommen. Zuerst hatten darüber unsere Partnerportale merkur.de und tz.de berichtet.
Laut Impf-Dashboard des Bundes haben sich in Bayern seit Beginn der Impfkampagne vor gut zwei Jahren 9,9 Millionen Menschen mindestens einmal gegen Corona impfen lassen. Im Infektionsschutzgesetz sind Impfschäden definiert als „die gesundheitliche und wirtschaftliche Folge einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung“.
Sehr viel häufiger sind längerfristige Folgen einer Corona-Infektion. Studien zufolge könnten etwa zehn Prozent der Patienten auch nach einer überstandenen Infektion an „Long“- oder „Post“-Covid leiden. Post-Covid bezeichnet Beschwerden, die noch mehr als drei Monate nach der Infektion auftreten.
Gesundheitsminister Klaus Holetschek forderte die Bundesregierung auf, die Forschung zu Corona-Langzeitfolgen und Impfschäden voranzutreiben. „Wir sind es den Betroffenen schuldig, ihnen die bestmögliche Therapie anbieten zu können“, sagte der CSU-Politiker.
Der Gesundheitsminister richtet an diesem Freitag (17. März) in Berlin eine Konferenz zu langfristigen Folgen von Covid-Infektionen aus. Dabei treffen Fachleute der bayerischen Förderinitiative Post-COVID-Syndrom mit Expertinnen und Experten aus dem restlichen Bundesgebiet zusammen. „Die Versorgung von Patientinnen und Patienten mit Long- und Post-COVID-Symptomen ist eine der zentralen Herausforderungen, die wir über die Corona-Pandemie hinaus bewältigen müssen“, sagte Holetschek.
Impfung „nebenwirkungsfrei“: Übertreibung von Lauterbach?
Speziell seit einem Interview von Gesundheitsminister Karl Lauterbach mit dem ZDF ist das Thema wieder verstärkt in den Fokus gerückt. Lauterbach hatte vergangene Woche Hilfen für Menschen mit Langzeitschäden einer Corona-Infektion oder -Impfung zugesagt. Er werde mit dem Ministerium ein Programm auflegen, bei dem die Folgen von Long Covid und Post Vac (Impfschäden) untersucht würden und die Versorgung der Betroffenen verbessert werde, sagte der SPD-Politiker am Sonntagabend im ZDF-“heute journal“.
Um die Situation von Impfgeschädigten zu verbessern, kündigt @Karl_Lauterbach an, ein Programm aufzulegen. Weiterhin appelliert er an die Impfhersteller, sich zu beteiligen. „Die Gewinne sind exorbitant gewesen“. Eine finanzielle Unterstützung sei „mehr als eine gute Geste“. pic.twitter.com/Qq5ed5e2FE
— ZDF heute journal (@heutejournal) March 12, 2023
„Das ist ein Programm, das ich so schnell wie möglich auflegen möchte. Ich bin quasi in den Haushaltsverhandlungen für dieses Geld.“ Es gehe auch darum, die Experten in diesem Bereich so zu vernetzen, dass die Wahrscheinlichkeit einer guten Therapie steige. „Wir haben noch keine Medikamente für eine Behandlung. An denen wird fieberhaft geforscht. Und die Versorgungsansprüche, die sind oft sehr eng geschnürt.“
Lauterbach sagte, die Langzeitfolgen einer Corona-Impfung müssten schneller anerkannt werden. Zugleich betonte er, dass schwere Impfschäden sehr selten vorkämen - laut Daten des zuständigen Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) und der europäischen Zulassungsbehörde führe weniger als eine von 10.000 Impfungen zu solchen Schäden. Weil das Krankheitsbild immer deutlicher werde, müsse es in Zukunft schneller gehen, die Betroffenen zu identifizieren und ihnen zu helfen.
Kritik an Karl Lauterbach
Lauterbach erntete aber auch gewaltig Kritik für sein Interview. Konfrontiert mit seiner Aussage aus dem Sommer 2021, die Impfung sei praktisch „nebenwirkungsfrei“ - auch in der ARD-Talkshow von Anne Will sprach er davon, dass die Impfungen gegen das Coronavirus „mehr oder weniger nebenwirkungsfrei“ seien - versuchte Lauterbach sich aus der Affäre zu ziehen. Es habe sich damals um eine „Übertreibung“ in einem „missglückten Tweet“ gehandelt.
Stimmt. Und zusätzlich geht es darum, weshalb eine Minderheit der Gesellschaft eine nebenwirkungsfreie Impfung nicht will, obwohl sie gratis ist und ihr Leben und das vieler anderer retten kann. Daher bin ich pessimistisch was freiwillige Opfer für den Klimaschutz betrifft https://t.co/ZP7W07PD4B
— Prof. Karl Lauterbach (@Karl_Lauterbach) August 13, 2021
Lauterbach hält aber fest: „Es ist eine Impfung, die vor sehr schwerer Krankheit schützt. Der Nutzen überwiegt“. Die jüngsten Aussagen des SPD-Ministers sorgten für heftige Kritik in den Reihen der CDU und der FDP. FPD-Vizevorsitzender Wolfgang Kubicki meinte gegenüber bild.de: „Die von Karl Lauterbach in den Raum gestellte Zahl von schweren Nebenwirkungen im Verhältnis 1:10.000 pro Impfung lässt die schreckliche Frage aufkommen, ob der Impfdruck auf die Kinder und Jugendlichen möglicherweise fatale Folgen hatte.“ CDU-Gesundheitspolitiker Erwin Rüddel meinte gegenüber dem Medium: „Der Minister verwirrt zunehmend sein Publikum.“
In Bezug auf die Haftung sagte Lauterbach: Auf Grundlage der EU-Verträge mit den Impfstoffherstellern hafte der Staat für Impfschäden. Es sei dennoch „wertvoll“, wenn Firmen sich daran beteiligten. „Denn die Gewinne sind ja exorbitant gewesen. Und somit also wäre das tatsächlich mehr als eine gute Geste, sondern das könnte man erwarten.“
dpa/mz