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„70 Prozent der Krebstoten könnten noch leben“ - Das können Sie zur Vorsorge tun

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Hautarzt untersucht Hand
Hautkrebs gehört zu den häufigen Krebserkrankungen (Symbol) © Karl-Josef Hildenbrand/dpa

In Deutschland sterben deutlich mehr Menschen an Krebs als an Corona. Dabei wären viele Todesfälle vermeidbar. Experten geben rund um den Weltkrebstag (4. Februar) nützliche Tipps.

München - Es ist tragisch, wenn ein geliebter Mensch an Krebs stirbt. Noch schlimmer wird der Verlust für die Angehörigen, wenn man sich vor Augen führt, dass man den Tod möglicherweise hätte verhindern können. Umso wichtiger ist es den Professoren der beiden Münchner Universitätskliniken, die sich im CCC München Comprehensive Cancer Center zusammengeschlossen haben, und den Mitgliedern der Bayerischen Krebsgesellschaft, für einen gesunden Lebensstil, Vorsorge und Früherkennung zu werben. Mit drastischen Worten: „Bis zu 70 Prozent der Krebstodesfälle in der Europäischen Union wären durch optimale Früherkennung und Prävention zu verhindern“, erklärte Prof. Volker Heinemann, der CCC-Direktor der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU).

510000 Krebserkrankungen werden pro Jahr in Deutschland diagnostiziert

Rund 510 000 Krebserkrankungen werden derzeit jährlich in Deutschland diagnostiziert – die Tendenz ist stark steigend: In fünf Jahren werden es schon 600 000 sein. Dies liegt laut Prof. Hana Algül, dem CCC-Direktor der TUM, an Umwelteinflüssen, genetischen Faktoren, daran, dass die Früherkennungsmethoden verbessert werden und laut seinem Kollegen Prof. Heinemann auch daran, dass die Bevölkerung immer älter wird und das Krebsrisiko mit dem Alter steigt. Gemeinsam mit fünf weiteren hochkarätigen Wissenschaftlern erläuterten sie am vergangenen Donnerstag ihre Strategien gegen tödliche Tumore.

Krebsprävention beginnt schon in der frühesten Kindheit und hier sind die Eltern in der Pflicht, erklärt Prof. Dr. Renate Oberhoffer-Fritz: „Eincremen und die Haut gegen UV-Licht schützen, viel Bewegung statt sitzendem Verhalten und eine gesunde Ernährung sind die Grundlagen, die Eltern ihren Kindern vorleben sollten.“ Je früher ein solches Verhalten eingeübt wird, desto nachhaltiger sei es, betont die Dekanin und Ordinaria des Lehrstuhls für Präventive Pädiatrie an der Fakultät für Sport- und Gesundheitswissenschaften der TU München. „Leider aber bewegen sich 80 Prozent der Menschen in Deutschland weniger, als die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt. Die WHO empfiehlt 150 Minuten moderater Bewegung oder 75 Minuten intensiver Bewegung pro Woche oder eine Kombination von beiden.

Bewegung und gesunder Lebensstil helfen

Ein gesunder Lebensstil schützt auch vor Krebs – und Joggen oder ähnliche sportliche Betätigung, die die Muskulatur aktiviert, hat eine gesundheitsfördernde Wirkung auf die Darmschleimhaut, erklärt Professor Dr. Martin Halle, der Ärztliche Direktor der Präventiven Sportmedizin und Sportkardiologie der TU München: „Wird die Muskulatur aktiviert, werden Hormone freigesetzt, die den Stoffwechsel anregen und zugleich das Wachstum von Darmpolypen hemmen, diese positive Wirkung des Insulinstoffwechsels zeigt sich auch bei Tierversuchen.“ Dieser Effekt sei vor allem bei Kraft- und Ausdauersport gegeben, weniger bei entspannendem Yoga.

Auch nach einer überstandenen Krebserkrankung sei es wichtig, sich körperlich zu betätigen. Halle: „Je fitter man ist, desto besser übersteht man auch die Krebsbehandlung – außerdem ist der psychische Effekt immens, wenn man nach der Krebsbehandlung wieder die Sporttasche packt und zum Training geht.“

Viele bunte Farben beim Essen

Farbenfroh, abwechslungsreich, viel Gemüse und am besten saisonale frische Lebensmittel sind eine gute Krebs-Prophylaxe, sagt Nicole Erickson, Ernährungswissenschaftlerin vom Comprehensive Cancer Center–Krebszentrum München der Ludwig-Maximilians-Universität. Um das Krebsrisiko zu senken, empfiehlt sie zudem, zwei Dinge höchstens selten zu sich zu nehmen: Alkohol und rotes Fleisch. Gastroenterologe Bernd Birkner, Kurator der Felix Burda Stiftung, rät dazu, das sogenannte Mikrobiom, die wichtigen Darmbakterien, gut zu pflegen und mit gesunden Ballaststoffen zu füttern.

Vor allem Männer sind Vorsorge-Muffel

Man muss nicht alles wissen – aber ob man zu einer Risikogruppe gehört und welche Krebs-Früherkennungsuntersuchung man machen sollte, das schon: Je früher ein Krebs entdeckt wird, desto höher sind die Chancen, die Krankheit zu besiegen. Hat ein Krebs bereits Metastasen gebildet, werden auch hier die Behandlungsmöglichkeiten ständig besser. Entdecken Mediziner einen Tumor bereits im Frühstadium, können je nach Krebsart sogar neun von zehn Erkrankten den Krebs besiegen.

Trotzdem nutzen laut der Deutschen Krebsgesellschaft nur etwa jede zweite Frau ab 20 und sogar nur jeder fünfte Mann über 45 die kostenlosen Untersuchungen zur Krebsfrüherkennung. Bei Männern ist Prostatakrebs die häufigste Krebsart – hier steht ab 45 Jahren eine jährliche Vorsorgeuntersuchung an. Sowohl bei Männern als auch bei Frauen stellen Lungen- und Darmkrebs jeweils die zweit- beziehungsweise dritthäufigsten Krebsarten dar. Männern ab 50 und Frauen ab 55 Jahren steht die Möglichkeit einer Darmspiegelung zur Verfügung. Hierbei untersucht der Mediziner den gesamten Dickdarm mithilfe eines sogenannten Koloskops auf verdächtige Schleimhautveränderungen.

Für Frauen besonders gynäkologische Krebsarten gefährlich

Eine Frau verdeckt mit ihren Armen ihre Brüste
Brustkrebs ist die häufigste Krebserkrankung bei Frauen. © Christin Klose/dpa

„50 Prozent der Krebsarten bei Frauen sind gynäkologischer Art“, sagt Professor Sven Mahner, Chef der Frauenklinik der LMU. Vorsorge ist wichtig: Bei Frauen von 20 bis 34 Jahren eine jährliche Abstrich-Untersuchung von Gebärmuttermund und Gebärmutterhals, den sogenannten Pap-Test. Hier untersuchen Gynäkologen den Abstrich auf veränderte Zellen, die auf eine beginnende Krebserkrankung hindeuten können. Ab 35 wird im Rahmen der gesetzlichen Krebsfrüherkennung dann alle drei Jahre eine Kombinationsuntersuchung, die aus Pap-Abstrich und einem Test auf humane Papillomaviren besteht, empfohlen.

Diese Viren sind maßgeblich für die Entstehung von Gebärmutterhalskrebs verantwortlich. „Würden wir gegen diese Viren flächendeckend impfen, wäre es sogar möglich, bei Gebärmutterhalskrebs die Zahlen gegen Null zu drücken“, sagt Mahner. Brustkrebs ist in den westlichen Ländern die häufigste Krebsart bei Frauen. Neben der Tast-Untersuchung rät er Frauen ab 50 alle zwei Jahre zu einer Röntgenuntersuchung, der Mammografie. „Die Mammografie ist eine Erfolgsgeschichte“, sagt Mahner. „Diese Röntgenuntersuchung erkennt Tumore, die nicht tastbar sind, bereits in einem sehr frühen Stadium von drei bis fünf Millimetern Größe – und so können wir viele Frauen retten.“

Wer eine Krebserkrankung mithilfe der Medizin besiegt hat, fühlt sich oft erschöpft und erholungsbedürftig. „Trotz der anhaltenden Erschöpfung, auch tumorbedingte Fatigue genannt, sollten die Betroffenen sich bewegen – denn auch bei der Genesung ist die heilsame Wirkung enorm“, sagt Psychoonkologe Markus Besseler, der Geschäftsführer der Bayerischen Krebsgesellschaft. „Es geht hier nicht um Leistungssport, sondern darum, kleine Anfänge zu machen“, sagt Besseler. „Am ersten Tag das Bett verlassen und zum Briefkasten gehen, am zweiten Tag ums Haus, jeden Tag ein paar Schritte mehr wagen und die Selbstheilung fördern“, sagte er.

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