Interview mit Dieter Dörfler und Thomas Detterbeck
Von schlaflosen Nächten und Betonfüßen: Rosenheims Tennis-Bundesliga-Funktionäre ziehen Bilanz
- VonThomas Neumeierschließen
Bis zum vorletzten Spieltag hat es gedauert, bis der TC 1860 Rosenheim den Klassenerhalt in der Tennis-Bundesliga geschafft hat. In der neuen Saison wollen Dieter Dörfler und Thomas Detterbeck noch einmal einen drauflegen und haben dafür auch schon einen Plan.
Rosenheim – Am vorletzten Spieltag hat sich der TC 1860 Rosenheim den Klassenerhalt in der Tennis-Bundesliga gesichert. Die zweite Saison im Oberhaus hatte sich für die Sechziger wesentlich schwieriger gestaltet als die Premiere. Im Gespräch mit der OVB-Sportredaktion schildern Abteilungsleiter Dieter Dörfler und Vorstand Bundesliga Thomas Detterbeck die nervenaufreibenden Wochen und erzählen, welche Lehren sie daraus ziehen und auf wen sie in Zukunft bauen wollen.
Wie schaut es nach ein paar Tage nach dem Saisonende mit dem Nervenkostüm aus?
Detterbeck: Besser. Aber ganz ehrlich: Ich hatte in diesen acht Wochen schlaflose Nächte, weil ich einfach nicht abschalten konnte. Weil wir auch wussten: Du musst jetzt dieses Spiel gewinnen, du brauchst dafür diesen Spieler und du hast aber diese Verletzten. Aber: Absteigen war keine Option!
Dörfler: Was der Lukas Jastraunig alles organisiert hat und wieviele Telefonate wir alle geführt haben, das war unglaublich. In der ersten Woche nach dem Saisonende waren meine Füße noch wie Beton. Die Anspannung war schon groß. Nach dem Unentschieden in Krefeld sind wir raus und haben geweint.
Sie hatten ja prophezeit, dass das zweite Jahr für einen Aufsteiger das schwerste sei!
Detterbeck: Du musst ja immer mit zwei oder drei verletzten oder nicht anwesenden Spielern rechnen, aber dass es auf einmal sieben Spieler waren, die zum Teil richtig wichtig für die Mannschaft sind – da wird es dann schon eng. Und das ist dann auch für die Spieler ein psychischer Druck, weil sie eigentlich schon weg zu Turnieren waren und wir sie dann wieder zurückgeholt haben, wie einen Manuel Guinard oder Norbert Gombos. Aber das Positive daraus war, dass sich dann ein richtiges Team mit acht, neun Spielern gefunden hat. Auf so einen Stamm wollen wir aufbauen.
Wer war für Sie der Spieler der Saison?
Dörfler: Der Mann der Saison war für mich Lukas Jastraunig. Was er da alles in Bewegung gesetzt hat, dass am Schluss doch noch alles funktionierte – der Wahnsinn! Und natürlich ein Alex Muller, der ein wahnsinniger Fußball-Fan ist. Das war in Krefeld der Mann ohne Nerven! Wie man so cool einen Match-Tiebreak spielen kann, das habe ich noch nie gesehen! Natürlich auch Lorenzo Giustino: Das sind wir aber von ihm auch gewohnt, dass er da zuschlägt. Aber Muller war sensationell, der hat uns den Arsch gerettet.
Detterbeck: Für mich gibt es da mehrere Spieler: Giustino, weil er alle seine Spiele gewonnen hat, natürlich. Aber da waren auch die Spiele von Guinard gegen Sebastian Baez oder Felipe Meligeni gegen Griekspoor.
Dörfler: Guinard hat sensationelle Leistungen gebracht. Der hat auch das Publikum mitgenommen und Emotionen mit reingebracht. Durch den ist auch dieser Teamgeist entstanden. Wir hatten die letzten drei, vier Wochen ein echtes Team, das sich gegenseitig unterstützt hat.
Das Problem lag in dieser Saison eher bei den Spitzenspielern auf den vorderen Positionen!
Detterbeck: Man muss da aber schon auch einzeln bewerten: Nikoloz Basilashvili als harter Aufschläger spielt in Düsseldorf auf einem Sandkastenplatz gegen Munar, der einer der besten Spieler auf Sand ist und verliert im Match-Tiebreak. Das ist so eng! Wäre der Platz schneller gewesen, dann hätte Munar kein Land gesehen.
Dörfler: Und man darf nicht übersehen: Durch den Match-Tiebreak ist da schon eine andere psychische Belastung, das merken auch die Spitzenspieler. Da sind Emotionen da, es ist wie Davis-Cup.
Das Team hatte mit großen Verletzungssorgen zu kämpfen!
Detterbeck: Bedene und Dzumhur waren stark verletzt, Cerundolo konnte kein Spiel machen und Jonas Forejtek war mehrmals angeschlagen. Wir wussten teilweise zwei Tage vorher nicht, mit welcher Mannschaft wir zum Spiel fahren. Aber du musstest dieses Spiel dann gewinnen. Vielleicht war dieser Stress aber auch dazu da, dass am Ende ein richtiges Team entstanden ist.
Dörfler: Das hat man auch an Damir Dzumhur gesehen. Der war zwar nicht fit, wollte aber als Ersatzspieler unbedingt mit dabei sein. Das ist einfach ein Teamplayer.
Detterbeck: Tennis ist ja eigentlich ein einsamer Sport. Und da haben diese Spieler mal eine ganz andere Atmosphäre gespürt, und das Team hinter dem Team bei uns macht das auch ganz gut. Die Spieler sind nah an den Leuten, und das gefällt ihnen auch.
Thema Atmosphäre: 1860 war daheim unbesiegt und hat den Zuschauerschnitt gesteigert. Zufrieden?
Detterbeck: Ja, klar. Aber wir müssen weiter daran arbeiten. Das Ziel muss sein, dass wir mal vierstellige Zuschauerzahlen haben. Diejenigen, die gekommen sind, waren hin und weg.
Dörfler: Die Atmosphäre bei uns ist auch einzigartig. Das bestätigen uns auch die Verantwortlichen der gegnerischen Mannschaften.
Detterbeck: Für die Spieler ist das ja auch super. Die merken, dass die Leute da so dahinterstehen. Und da gehören auch unsere vielen Helfer dazu, von den Damen an der Kasse über den Verkauf und den Leuten, die die Plätze abziehen, bis hin zu den Ballkindern.
Dörfler: Unsere Ballkinder waren wirklich die Besten. Da hat es große Unterschiede gegeben.
1860 hatte für diese Saison den Kader eigentlich verstärkt, dennoch wurde es eng. Was ist noch drin?
Detterbeck: Um dauerhaft in der Bundesliga spielen zu können, musst du aufmörteln. Ich behaupte: Wenn wir verdoppeln könnten, dann spielen ganz vorne mit.
Dörfler: Man muss aber auch sagen, dass das Niveau in der Bundesliga in den letzten zwei Jahren unfassbar gestiegen ist. Gladbach kommt mit einer Mannschaft zu uns, in der die ersten drei Spieler unter den Top-50 stehen. Vor der Corona-Zeit ist Mannheim Deutscher Meister geworden – mit der Mannschaft wären sie heuer abgestiegen! Wir haben mit dem letzten deutschen Meister punktgleich abgeschnitten, das ist dann auch schon wieder irgendwie sensationell. Auch, weil wir vom Budget her mit Ludwigshafen ganz hinten angesiedelt waren. Krefeld ist mit mehr als dem doppelten Budget abgestiegen.
Welche Lehren haben Sie aus dieser Saison gezogen?
Detterbeck: Wir brauchen zwei Doppelspieler und werden versuchen, nur mehr zwei Nicht-EU-Spieler zu verpflichten. Es darf ja pro Spieltag sowieso bloß einer spielen. Du brauchst vorne drei Spieler, die unter den Top-100 stehen. Und dann brauchst du zehn Spieler, die in der Weltrangliste zwischen 100 und 230 stehen, die immer da sind. Und hinten dann noch zwei, drei Doppelspieler. Wenn dann nur zwei, drei Leute verletzt oder abwesend sind, dann kannst du ganz gut mitspielen. Unter der Voraussetzung, dass der Teamgedanke auch passt.
Dörfler: Wir wollen den Teamgedanken so hinbringen, wie wir das in den letzten drei, vier Wochen hatten. Der ist bei uns ganz wichtig, das hat man zum Beispiel gegen Gladbach gesehen: Normal hast du keine Chance, dann hat der Guinard eine super Stimmung reingebracht und auf einmal ist das gelaufen.
Wie laufen die Planungen?
Dörfler: Der Stamm der letzten drei Wochen, der wirklich cool war, soll bleiben. Da gehören Spieler wie Dzumhur, Guinard, Gombos, Giustino, Forejtek, Muller oder Ofner dazu.
Detterbeck: Wir wollen diesen Stammkader halten und werden in den nächsten Wochen auch mit weiteren Spielern Gespräche führen. Da sind schon ein paar dabei, die uns gut schmecken würden.
Wie schaut es mit deutschen Spielern aus?
Detterbeck: Es gibt zehn, zwölf deutsche Spieler, die eine gute Rolle spielen können. Aber die kosten richtig Geld. Die sind unbezahlbar. Mir ist es auch lieber, dass wir Spieler haben, die diese Art hier zu schätzen wissen. Forejtek oder Guinard, denen hat es richtig gefallen. Die identifizieren sich damit und die Leute können sich mit ihnen identifizieren.
Dörfler: Zudem hatten wir ja auch Sam Weissborn und Lukas Jastraunig aufgeboten. Das sind ja unsere „Rosenheimer“. Ich glaube nicht, dass es bei den anderen Vereinen Spieler gibt, die schon der Bezirksliga gespielt haben und nun in der Bundesliga aktiv waren.