Außergewöhnliche Maßnahmen
Krieg in der Ukraine: Wenn der Tischtennissport auch in Kolbermoor zur Nebensache wird
- VonGerhard Erlichschließen
Bei den Tischtennisspielern in ganz Deutschland stehen Aktive aus der Ukraine aus Russland und Belarus in einer Mannschaft. Auch beiden Damen des SV DJK Kolbermoor ist das der Fall. Das Verhältnis ist sehr gut.
Kolbermoor – Seit über drei Wochen dauert nun schon der kriegerische Konflikt zwischen Russland und der Ukraine an. Dies hat unter anderem auch große Auswirkungen auf den Sport, wobei Aktive aus Russland und Belarus von allen Wettbewerben ausgeschlossen wurden.
Ohne Spiel Champions League-Sieger
Gleiches gilt auch für die internationale Tischtennisszene, in der sich die europäische Tischtennis-Union (ETTU) und internationale Tischtennis Federation (ITTF) ausgesprochen haben, Akteure und Mannschaften dieser beiden Länder an keinem Wettbewerb teilnehmen zu lassen. Ein ganz kurioses Beispiel gab es in der Champions League der Herren, in der sich im Halbfinale eigentlich die beiden russischen Teams aus Orenburg und Ekaterinenburg gegenüber gestanden wären. Der Sieger dieser Begegnung wäre Finalgegner von Borussia Düsseldorf gewesen. Durch den Ausschluss der beiden Mannschaften wurde Düsseldorf ohne Spiel Champions League-Sieger.
31 Spielerinnen und Spieler sind betroffen
Auch personelle Entscheidungen wurden getroffen: Sowohl ETTU-Präsident Igor Levitin aus Russland, sowie der Vizepräsident Vladimir Samsonov (Belarus) und auch die Aktivensprecherin Polina Mikhailova sind von diesen Maßnahmen betroffen und derzeit ohne Funktion.
Wie aber wirkt sich dies auf die nationale und vor allen Dingen auf die heimische Szene aus? Können Spieler beziehungsweise Spielerinnen bei Begegnungen ihres Vereins mitwirken? Fragen, die bei genauerer Betrachtung schwer zu beantworten sind. Fakt ist, dass in den jeweils drei Bundesligen der Damen und Herren insgesamt 31 Aktive aus Russland, der Ukraine und Belarus gemeldet sind. Dabei ist der Anteil bei den Damen mit 21 Spielerinnen (sechs aus Russland, elf aus der Ukraine, vier aus Belarus) deutlich größer.
Das Verhältnis untereinander ist sehr gut
Betroffen ist auch der SV DJK Kolbermoor, der neben Svetlana Ganina (Russland) auch Ganna Farladanska (Ukraine) sowie deren Mannschaftskollegin und Landsmännin Iana Zhmudenko auf der Meldeliste hat. Das Verhältnis untereinander ist sehr gut. Die Spielerinnen unterstützen sich bei Begegnungen ihres Vereins gegenseitig. Ganina und Farladanska absolvierten sogar gemeinsam am 19. Februar noch das Duell gegen den TSV Langstadt, ehe die Ukrainerin danach über Kiew in ihren Heimatort Odessa reiste. Dort erlebte sie den Kriegsausbruch mit und beschloss, mit einer Bekannten, der Mutter und den Kindern nach Moldawien zu flüchten. Ihren Mann musste sie in der Ukraine zurücklassen, da dieser keine Ausreisegenehmigung erhielt. Seit Montag befindet sich Ganna Farladanska samt Anhang in Kolbermoor.
Auch das Schicksal von Iana Zhmudenko bewegt nicht nur den Verein. Die 30-jährige lebt im südostbayerischen Raum und verfolgte das Geschehen in der Ukraine in den letzten Wochen ebenfalls mit großen Sorgen. Seit knapp zwei Wochen lebt die Mutter, der ebenfalls die Flucht gelang, bei ihrer Tochter.
Ukrainer und Russen in einer Mannschaft
Interessant ist,, dass es in den jeweils drei Bundesligen nur drei Vereine gibt, in der Akteure aus Russland und der Ukraine in einer Mannschaft gemeldet sind. Dies trifft bei den Damen in der zweiten Bundesliga beispielsweise die DJK Annen, die Oxanna Fadeeva (Russland) und Elena Shapovalova (Ukraine) gemeldet haben. Beide Spielerinnen leben in Deutschland, verstehen sich sehr gut und haben gegen den TTC Langweid gemeinsam Doppel gespielt und auch die Einzel bestritten. Auch der TuS Uentrop hat mit Elena Kuzmina und Solomiya Brateyko zwei Spielerinnen auf der Meldeliste. Während die Russin in Düsseldorf lebt, sieht die Situation bei Brateyko ganz anders aus. Die ukrainische Nationalspielerin, die am Tag des Kriegsausbruchs 23 Jahre alt wurde, musste aus Kiew flüchten und hält sich derzeit in Polen auf. Deshalb musste der Tabellenzweite der zweiten Bundesliga am vergangenen Wochenende ohne seine Stammspielerin auskommen. In solchen Zeiten wird der Sport verständlicherweise zur Nebensache.