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Bora-hansgrohe-Teamchef Ralph Denk: Vorzeichen „deutlich besser“ als 2020

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Von: Thomas Neumeier

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Ralph Denk sieht für sein Team bessere Vorzeichen als 2020.
Ralph Denk sieht für sein Team bessere Vorzeichen als 2020. © picture alliance/dpa

Mit einem neuen Kapitän geht das Raublinger Radsportteam Bora-hansgrohe in die Tour de France 2021. Und um das Trikot des bestens Sprinters soll ein alter Bekannter mitfahren. Teamchef Ralph Denk erklärt im Interview, was er sich von der Tour dieses Jahr erwartet.

Raubling/Brest – Der Niederländer Wilco Kelderman führt die Mannschaft an und soll auch in der Gesamtwertung weit vorne landen. Allerdings hat die Mannschaft auch das Grüne Trikot des besten Sprinters im Auge, das Peter Sagan zum achten Mal gewinnen könnte. Wenn am Samstag (26. Juni) die Tour de France 2021 startet, dann ist das Raublinger Profi-Radteam Bora-hansgrohe zum achten Mal mit dabei. Die großen Ambitionen auf das Podium in der Gesamtwertung hat man diesmal vorerst abgelegt, einen Angriff auf die Top-Fünf will man aber starten. Und auch das Grüne Trikot für die Sprintwertung hat Teamchef Ralph Denk ins Auge gefasst.

Denk führt den 30 Personen starken Tross des Raublinger Rennstalls bei der berühmtesten Rundfahrt der Welt an. „Mehr Personen sind auch nicht erlaubt. Wir haben die gleichen Covid-Maßnahmen wie im vergangenen Jahr“, erzählt Denk, schwärmt aber von seiner Mannschaft, zu der auch Ernährungsberater Robert Gorgos aus Feldkirchen-Westerham gehört: „Wir sind ein eingeschworenes Team, das schon viele Rennen so bestritten hat.“ Im Gespräch mit der OVB-Sportredaktion erzählt über die Probleme bei der Kader-Nominierung, erläutert die Erwartungen für die kommenden drei Wochen und erklärt, wie die Aufgaben innerhalb der Mannschaft bei der Tour de France 2021 verteilt sind.

Sind die Voraussetzungen für die Tour besser oder schlechter als im letzten Jahr?

Ralph Denk: Die sind deutlich besser, weil wir im letzten Jahr ja mit drei verletzten Fahrern ins Rennen gegangen sind: Max Schachmann mit einem gebrochenen Schlüsselbein, Emanuel Buchmann mit starken Prellungen und Gregor Mühlberger mit einem verstauchten Arm. Dieses Jahr schicken wir acht topfitte Rennfahrer an den Start. Daher sind die Vorzeichen deutlich besser.

Jetzt kommt das Aber: Buchmann war im Vorfeld durch seinen Sturz gehandicapt, es gab Diskussionen um die Nicht-Nominierung von Pascal Ackermann und Lennard Kämna, Etappensieger aus dem Vorjahr, fehlt. Was gibt Ihnen Hoffnung?

Denk: Wir haben einen 29 Mann starken Kader, da hat man an mehreren Stellen Optionen und wir sind in der Breite ganz gut aufgestellt. Natürlich hätten wir Lennard gerne dabeigehabt, aber da ist nach seiner guten Leistung bei der Katalonien-Rundfahrt im März ein Fehler passiert. Er war einfach übermotiviert im Training und hat seinem Körper nicht genügend Regeneration gegeben. Über Pascal haben wir lange diskutiert und dann im Performance Team entschieden, ihn nicht mitzunehmen. Es gibt ein persönliches Versprechen von mir bezüglich einer Tour-Teilnahme für ihn, das war allerdings immer gekoppelt an Leistung – solche, die er 2018, 2019 oder auch 2020 erbracht hatte. Diese Leistungen hat er in diesem Jahr überhaupt nicht gebracht und bis dato noch keinen Sieg eingefahren. Wir haben dann stark angezweifelt, dass diese Siege gerade bei der Tour kommen sollten und dann entschieden, ihn nicht mitzunehmen.

Lesen Sie auch: Tour de France 2021 – Alle Termine und Ergebnisse im Überblick

„Wilco ist auf dem Papier der bessere Zeitfahrer“

Was hat ihr Tour-Kapitän Wilco Kelderman, was Emu Buchmann momentan nicht hat?

Denk: Wilco ist auf dem Papier der bessere Zeitfahrer. In den letzten Jahren hat er in dieser Spezialdisziplin die besseren Ergebnisse abgeliefert. Die Tour in diesem Jahr ist mit zwei längeren Etappen ja doch sehr zeitfahr-lastig, deswegen haben wir schon im Winter – zusammen mit den beiden Sportlern – entschieden, dass Wilco als Kapitän bei der Tour de France an den Start geht und Emanuel als Kapitän beim Giro d‘Italia. Da lief es ja zwei Wochen gut für ihn, bis er nach einem Sturz aufgeben musste. Aufgrund der guten Leistungen dort haben wir Emanuel für die Tour nachnominiert.

Er ist ja dann quasi als Freigeist unterwegs!

Denk: Zumindest die ersten Tage. Die finden ja in der Bretagne statt, die ist für kleinere Steigungen und welliges Terrain bekannt und auch sehr windanfällig. Da muss man schauen, wie er die ersten vier Tage durchkommt, dann ist ein Zeitfahren und danach werden wir uns mit ihm hinsetzen und die Strategie für die nächsten Etappen festlegen. Er ist Co-Kapitän neben Wilco Kelderman und wir wollen uns die ersten Tage Zeit nehmen, um dann zu entscheiden.

Buchmann kommt nach einer Pause mit nur einem Rennen zurück. Wie sehr helfen in diesem Fall die Erfahrungen aus dem letzten Jahr?

Denk: Es helfen vor allem die Erfahrungen, dass wir den Emanuel schon so lange kennen. Er ist ja seit 2015 bei uns und ist hier Profi geworden. Da gibt es ein so enges Vertrauensverhältnis und wenn Emanuel sagt, dass er fit ist, dann glauben wir ihm das auch. Deshalb sehe ich da kein großes Problem.

Grünes Trikot „ist ein Hauptaugenmerk“

Peter Sagan ist dabei, Sam Bennett, der beste Sprinter aus dem Vorjahr, dagegen nicht. Wie sehr schauen Sie aufs Grüne Trikot?

Denk: Das ist wichtig. Peter kann das achte Mal gewinnen und das hat noch keiner davor geschafft! Das ist ein Hauptaugenmerk, wobei aber viel Arbeit auf die Mannschaft zukommen wird. Wir haben dafür aber mit Lukas Pöstlberger, Nils Politt oder Daniel Oss viele Rolleure aufgestellt, die für Peter die Sprints hoffentlich sehr, sehr gut vorbereiten.

Peter Sagan (links) möchte in den Zielsprints wieder die Nase vorne haben. Er könnte einen neue Bestmarke im Kampf ums Grüne Trikot aufstellen.
Peter Sagan (links) möchte in den Zielsprints wieder die Nase vorne haben. Er könnte einen neue Bestmarke im Kampf ums Grüne Trikot aufstellen. © picture alliance/dpa/LaPresse vi

Marcus Burghardt vom Samerberg war lange ein fixer Bestandteil als Sagan-Begleiter und ist zum zweiten Mal nicht mit dabei. Ist er ein Opfer der Teamstrategie?

Denk: Nein, überhaupt nicht. Mir tut es für Marcus total leid. Wir haben drei starke Rolleure dabei, Marcus wäre auch hier ein heißer Kandidat gewesen. Aber Lukas Pöstlberger ist beim Criterium Dauphiné so stark gefahren, den kann ist fast nicht daheim lassen, Nils Politt hat auch eine tolle Dauphiné gefahren und hat tolle Ergebnisse im Frühjahr erzielt und Daniel Oss ist sehr eng mit Peter Sagan verbunden, weshalb kein Platz mehr war. Marcus hat in der Vorbereitung sehr viel investiert, was ihn und seine professionelle Einstellung auszeichnet. Aber wir haben halt leider nur acht Plätze.

Unter den acht Fahrern sind nur zwei Deutsche. Was ist los mit Schwarz-Rot-Gold beim Team Bora-hansgrohe?

Denk: Wir haben uns immer auf die Fahnen geschrieben, dass die besten Deutschen bei uns fahren, allerdings nicht die breite Masse. Deshalb sind nur zwei dabei. Ackermann hätten wir gerne dabeigehabt, ist aber nicht in Form, Kämna auch nicht auf höchstem Niveau und bei Max Schachmann haben wir schon relativ früh entschieden, dass er sich auf Olympia und die Herbstklassiker mit der Lombardei-Rundfahrt konzentriert – und da passt die Tour nicht in die Planung. Nächstes Jahr gibt es keine Olympischen Spiele und da hoffe ich, dass Ackermann und Kämna wieder auf höchstem Niveau sind und wir dann mehr deutscher Fahrer am Start haben.

Sie hoffen noch auf eine Vertragsverlängerung von Pascal Ackermann?

Denk: Die Frage ist offen. Es gibt Spekulationen, die wir aber nicht kommentieren. Er ist ein Eigengewächs und hat bei uns sein Profi-Debüt gegeben. Es wäre schade, wenn er jetzt so beleidigt wäre, weil er nicht nominiert wurde, dass er jetzt die Mannschaft verlässt. Er hat über die Medien sehr emotional reagiert, das nehme ich ihm aber nicht übel. Ich denke schon, dass man das wieder hinkriegen kann.

Chancen auf einen frühen Etappensieg „eher bei Sagan“

Zurück zur Tour. Ihr erstes Ziel ist immer ein Etappensieg. Sagan im Sprint oder Pöstlberger als Ausreißer – wer machts?

Denk: Wenn man so fragt, dann liegen die Chancen für einen frühen Etappensieg eher bei Peter Sagan. Die ersten zwei Etappen sollten ihm persönlich liegen. Und dazu brauchen wir dann auch Pöstlberger, um für Sagan Aktionen vorzubereiten.

Wer könnte im Team für die Überraschung sorgen. Ist es Ide Schelling?

Denk: Absolut. Er ist seit zwei Jahren bei uns und wurde hier auch Profifahrer. Erst kürzlich hat er seinen ersten Profisieg in der Schweiz eingefahren. Er ist endschnell, er hat den Charakter eines Siegertypen und kann durchaus eine Etappe gewinnen.

Wann fällt in diesem Jahr die Entscheidung? Bei den Zeitfahren oder in den Bergen, wo es zweimal auf den Mount Ventoux geht?

Denk: Die Mount-Ventoux-Etappe ist schon schwer, aber ich glaube, dass erst am vorletzten Tag beim Zeitfahren der Gesamtsieger ausgemacht wird.

Wie schätzen Sie die Strecke ein?

Denk: Auf dem Papier nicht ganz so schwer, von der Topographie geht es nicht über die ganz großen Riesen wie Galibier oder Izoard. Es gibt aber das Sprichwort, dass die Rennfahrer das Rennen schwer machen und man kann auch eine attraktive Tour de France haben, wenn die Berge mal nicht so hoch sind. Es wird primär die Aggressivität der Rennfahrer eine Rolle spielen oder in der Bretagne auch Wind und Wetter.

Zwei Slowenen bei der Tour de France 2021 in der Favoritenrolle

Wer sind Ihre Favoriten?

Denk: Ums Podium werden die beiden Slowenen Tadej Pogacar und Primoz Roglic kämpfen und auch die Ineos-Mannschaft mit Richie Porte und Geraint Thomas.

Worauf freuen Sie sich?

Denk: Dass hoffentlich wieder viele Zuschauer an der Strecke stehen. Das haben wir vermisst und ist ein wichtiger Bestandteil der Tour de France.

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