Lennard-Kämna: der neue Edelhelfer für Emanuel Buchmann bei der Tour de France 2020?
Der Sieg bei der 4. Etappe der Dauphiné-Rundfahrt ist der bislang größte Erfolg für den Radprofi Lennard Kämna (23) vom Raublinger Rennstall Bora-hansgrohe. Für die Tour de France 2020 hat sich Kämna nun einiges vorgenommen – vor allem mit Blick auf den Bora-Spitzenfahrer Emanuel Buchmann.
Raubling – Kämna (23), aus dem niedersächsischen Fischerhude, wurde bei der Tour de France 2019 bei zwei schweren Bergetappen Vierter und Sechster. Kein Wunder, dass deutsche Rennstall Bora-hansgrohe auf ihn aufmerksam wurde. Der 23-jährige Neuzugang etablierte sich auf Anhieb, war stets einer der Besten im Team und feierte kürzlich bei der Dauphiné-Rundfahrt seinen ersten Etappensieg als Profi.
Lennard Kämna, Sie haben sich bei der Generalprobe für die Tour de France 2020 in Topform präsentiert und Ihr erstes Profirennen gewonnen. Wie fühlt man sich, wenn man als junger Fahrer den Durchbruch schafft?
Lennard Kämna: Der Etappensieg bei der Dauphiné bedeutet mir sehr viel. Ich war schon sehr, sehr glücklich und sehr stolz, dass ich das geschafft habe. Ich bin aber zugleich auch traurig über die anderen Ereignisse an diesem Tag, vor allem die Stürze meiner Teamkollegen Emanuel Buchmann und Gregor Mühlberger. Insofern war es eine bittersüße Erfahrung.
Wie überwindet man im Rennen den Dämpfer, wenn man hört, dass der Kapitän gestürzt und eventuell schwer verletzt ist?
Kämna: Das hat mich zunächst schon runtergezogen, keine Frage. Und es hat einige Kilometer gedauert, bis ich das abgeschüttelt habe. Aber irgendwann blendet man das wieder aus und fährt voll sein Rennen. Auf den letzten zwei, drei Kilometern war ich ganz auf den Sieg fokussiert. Ich war dann aber auch glücklich, dass ich Emu (Emanuel Buchmann, Anm. d. Red.) am Abend noch gesehen habe und feststellen konnte, dass es ihm halbwegs gut geht.
Was hat er denn erzählt?
Kämna: Die haben halt Pech gehabt. Das war eine schlechte Straße, und die beiden sind bei der Abfahrt weggerutscht. Es war ein echt ärgerlicher Sturz. Aber da konnte man nicht viel machen.
„Gerade bei der Tour de France war ich sehr gut in Form“
Wie kommt es, dass Sie sich so schnell in Ihrem neuen Team Bora-hansgrohe zurechtgefunden haben?
Kämna: Ich bin wirklich glücklich in meinem neue Team. Es gefällt mir sehr, sehr gut. Es ist großartig, wie hier gearbeitet wird. Ich bin rundum zufrieden.

Sind Sie davon überrascht, dass der Erfolg so schnell kommt?
Kämna: Ich hatte ja schon im letzten Jahr hier und da eine Chance, ein Rennen zu gewinnen. Gerade bei der Tour de France war ich sehr gut in Form. Ich habe dieses Jahr im Winter noch einmal deutlich besser gearbeitet und auch in den letzten Monaten während der Corona-Pause wirklich hart trainiert. Ich wusste, dass ich gut in Form bin.
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Das große aktuelle Thema im Radsport und speziell auch auf der Dauphiné sind die vielen schweren Stürze. Ist der Vorwurf an die Rennveranstalter berechtigt, dass sie sich zu wenig um die Sicherheit kümmern?
Kämna: Da muss ich ganz klar sagen: ja. Es wird in letzter Zeit zu wenig Rücksicht auf die Fahrer genommen. Und unsere Fahrervereinigung CPA (eine Art Gewerkschaft für Rad-Profis/Anm. d. Red.) ist da auch nicht gerade eine Riesenerfolgsgeschichte. Immerhin wurde erreicht, dass wir die ersten zehn, 15 Kilometer der Schlussetappe der Dauphiné neutralisiert fahren konnten. Aber hätte es am Tag zuvor nicht die vielen Stürze gegeben, hätten wir gleich zum Start voll bergab fahren müssen. Dabei ist das auf dieser Strecke mordsgefährlich.
„Schmale Straße, Schotter, Schlaglöcher – das war keine Straße für ein Profiradrennen“
Worin bestanden die Gefahren?
Kämna: Die erste halbe bis eine Stunde wird in einem Radrennen immer von vielen Attacken geprägt. Da bildet sich die Ausreißergruppe des Tages, und dementsprechend ist immer eine Riesenhektik im Feld. Wenn man also ein Rennen mit einer Abfahrt startet, bringt das superviel Gefahren mit sich, weil da fast jeder ein Risiko nimmt. Und wenn dann auch noch lauter Huckel, Kreisverkehre, gefährliche Kurven kommen, dann ist ein großes Risiko programmiert.
Die meisten Stürze passierten auf der von Ihnen gewonnenen vorletzten Etappe...
Kämna: Ja, das war die gefährlichste. Schmale Straße, Schotter, Schlaglöcher – das war keine Straße für ein Profiradrennen.
Als nächstes stehen die Deutschen Straßen-Meisterschaften auf dem Sachsenring auf Ihrem Programm. Was haben Sie sich vorgenommen?
Kämna: Wir wollen natürlich als Team wieder den deutschen Meistertitel holen, keine Frage. Und da meine Form stimmt, habe ich sicher meine Möglichkeiten.
Am Berg will Kämna einer der letzten Helfer für Emanuel Buchmann sein
Saisonhöhepunkt 2020 ist die Tour de France. Was sind da Ihre Ziele?
Kämna: Ich möchte Emu so gut wie möglich helfen. Wenn er in Form ist, hat er die super Chance, aufs Podium zu fahren. Und das ist die Sache, der ich mich zu 100 Prozent verschreiben werde.
Bei Ihrem Tour-Debüt 2019 sind Sie auf zwei Alpen-Etappen Vierter und Sechster geworden. Lassen sich solche Resultate wiederholen?
Kämna: Ich gehe davon aus, dass ich am Berg einer der letzten Helfer sein werde, die Emu unterstützen. Und ich hoffe natürlich, dass ich am Ende der Bergetappen noch vorne dabei sein und mich präsentieren kann.