Tour de France 2020: Buchmann, Sagan und viel Talent – Der Rennstall Bora-hansgrohe im Porträt
Die vergangene Saison beendete Bora-hansgrohe auf Platz 2 der Weltrangliste. In den elf Jahren seit der Gründung bei weitem nicht der einzige Erfolg. Zur Krönung fehlt Bora-hansgrohe nur noch eines: Ein Sieg bei der Tour de France. Doch dieser scheint 2020 erstmal in weite Ferne gerückt.
Raubling/Paris – Im Herbst 2009 wurde das Team Bora-hansgrohe aus der Taufe gehoben – damals noch als Team NetApp. Leiter des Rennstalles ist seitdem der ehemalige Radrennfahrer Ralph Denk. Wenn er mit seinen Profis spricht, dann weiß der gebürtige Bad Aiblinger, wovon er redet. Denn Denk ist mehrfacher Bayerischer Meister. Seine ersten Erfahrungen als Teamchef sammelte der 46-Jährige bei nationalen Mountainbike- und Straßenradsportteams. Und seit nunmehr elf Jahren: Bora-hansgrohe.
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Alle bei Bora-hansgrohe setzen auf „Emu“
Der Mannschaft wurden bei der Tour de France 2020 erstmals von Beginn an Chancen auf den Gesamtsieg eingeräumt. Und diese Chance hatte einen Namen: Emanuel Buchmann, den seine Teamkollegen nur „Emu“ rufen. Team-Leiter Ralph Denk sagte vor Start der Tour über seinen Kapitän: „Das Training ist gut gelaufen. Er hat seine geplanten Umfänge durchgezogen, war nie krank. Von daher sieht es gut aus.“ Das war allerdings noch bevor Buchmann bei der diesjährigen Dauphiné-Rundfahrt schwer stürzte und sich Prellungen und Hautabschürfungen zuzog.
Der Ravensburger landete im vergangenen Jahr bei der Tour de France auf Platz 4 und verpasste das Podium damit nur denkbar knapp. Dieses Jahr wollte er unbedingt noch weiter vorne landen – auf dem Podium. Und von dort, das sagte er selbst, ist der Sieg bei der Tour de France nicht weit.
Doch die Verletzungen Buchmanns und der daraus resultierende Trainingsrückstand warfen den Ravensburger offenbar weiter zurück als es zum Start der Tour den Anschein machte. Konnte Buchmann auf den ersten Etappen immer mit den anderen Favoriten mithalten, warfen ihn die Pyrenäen im Gesamtklassement nun mehr als 5 Minuten zurück. Spätestens nach der 9. Etappe der Tour de France dürfte er seine Ambitionen auf dem Gesamtsieg begraben.
Strecke der Tour de France 2020 auf Buchmann zugeschnitten

Trainer Dan Lorang sagt über seinen Schützling, Buchmann sei leidensfähig. Das beweise er immer wieder im Training. Der Radprofi selbst nimmt's locker. Er sagt, es falle ihm relativ leicht, sich „im Training zu quälen“. Über die Tour de France 2020 sagte er: „Sie ist eigentlich wie auf mich zugeschnitten.“ Eigentlich. Doch dann kam der Sturz bei der Dauphiné.
Tour de France 2020: Exklusive Einblicke hinter die Kulissen von Bora-hansgrohe - Der Podcast zur Tour
OVB-online.de liefert täglich Einblicke hinter die Kulissen von Bora-hansgrohe. Im Tour-Podcast berichtet Teammanager Ralph Denk hautnah von der Frankreichrundfahrt.
Die Tour de France 2020 ist beendet. Ralph Denk blickt auf die letzte Etappe in Paris zurück, zieht ein Fazit aus Sicht seines Teams und gibt Aufschluss darüber, wie es in den kommenden Wochen für Bora-hansgrohe weitergeht. Zudem beantwortet er einige Hörerfragen. Den aktuellen Podcast finden Sie direkt unter diesem Eintrag, alle Folgen zum Nachhören gibt es hier.
Peter Sagan – eine lebende Legende im Trikot von Bora-hansgrohe
Nachdem Bora-hansgrohe nun kaum noch Chancen auf den Gesamtsieg haben dürfte, zählen nun einzelne Etappensiege. Und das Grüne Trikot für Peter Sagan. Der Slowake in Diensten von Bora-hansgrohe ist der bislang erfolgreichste Fahrer des Teams. Was er in seiner Karriere erreicht hat, dürfte so schnell nur ein Toursieg toppen. Denn Sagan ist Rekordsieger in der Wertung für das Grüne Trikot bei der Tour de France. Sage und schreibe sieben mal siegte er in der Sprintwertung – und überholte damit den Deutschen Erik Zabel, der sechs Grüne Trikots sein eigen nennt.
Buchmann und Sagan sind sicherlich die prominentesten Namen bei Bora-hansgrohe. Allerdings gibt es noch eine Reihe weiterer Fahrer, die mit Erfolgen von sich reden machten. Da wäre beispielsweise Lennard Kämna. Er gewann just an jenem Tag die Etappe, an dem Buchmann bei der Dauphiné stürzte. Team-Leiter Ralph Denk sagt über seinen Schützling: „Er ist toll gefahren und hat gezeigt, dass er in den Bergen einer der Besten der Welt ist.“
Helfer in den Bergen - Die Fahrer aus der zweiten Reihe
Es war Kämnas erster Etappensieg bei einer großen Rundfahrt. Doch der junge Fahrer bleibt bescheiden. Er sieht sich selbst als klassischer Helfer und hat sich vorgenommen, bei der Tour de France einer der letzten zu sein, die den Teamkapitän Buchmann am Berg noch begleiten und ziehen können.
„Der Etappensieg bei der Dauphiné bedeutet mir sehr viel“, sagt Kämna. Er sei aber zugleich betrübt über die Stürze von Buchmann und Gregor Mühlberger. Der Österreicher in Reihen von Bora-hansgrohe wäre auch einer, der den Teamkapitän in den Bergen ziehen könnte – wenn er denn rechtzeitig zum Auftakt der Tour de France in Nizza fit wird.
Für Lennard Kämna zählt derweil nur eines: „Ich möchte Emu so gut wie möglich helfen“, sagt er. Ein Platz für seinen Teamkapitän auf dem Podium: „Das ist die Sache, der ich mich zu 100 Prozent verschreiben werde.“
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Die Anfänge von Bora-hansgrohe als Team NetApp
Den Namen Bora-hansgrohe trug das Team nicht von Beginn an. Zunächst ging der Rennstall als Team NetApp an den Start. 2013 fusionierte man mit dem britischen Team Endura Racing und fuhr fortan als Team NetApp-Endura. 2012 folgte dann die erste Teilnahme bei einem der großen Rennen. Der Rennstall durfte mit einer Wildcard beim Giro d‘Italia mitfahren.
2015 kam dann der deutsche Kochfeld-Hersteller Bora als Namenssponsor hinzu. 2017 folgte der deutsche Hersteller von Badezimmerarmatureren Hansgrohe. Man wollte hoch hinaus in die World Tour und verpflichtete dafür den amtierenden Weltmeister Peter Sagan. Von da an ging es steil bergauf. Nach den Plätzen acht und drei auf der UCI-Weltrangliste in den Jahren 2017 und 2018 landete Bora-hansgrohe 2019 auf dem zweiten Rang.
Bewegung für einen glaubwürdigen Radsport
Bereits seit 2012 ist das Team Mitglied im „Mouvement Pour un Cyclisme Crédibile (MPCC)“ – zu deutsch: Bewegung für einen glaubwürdigen Radsport. Der Zusammenschluss von Profi-Radsportteams und Verbänden setzt sich seit 2007 mit der Dopingproblematik auseinander und kämpft für einen sauberen Radsport.
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Die MPCC setzt sich für eine strikte Einhaltung des Ethik-Codes des Weltradsportverbandes ein. Fahrer sollen bereits von Rennen ausgeschlossen werden, wenn nur ein Dopingverdacht besteht. Außerdem reglementiert die MPCC die Einnahme von Medikamenten durch Profi-Rennfahrer noch strenger, als dies ohnehin schon der Fall ist.
2019 – Das bislang erfolgreichste Jahr für Bora-hansgrohe
Es geht um Werte in einem Sport, der lange als Doping verseucht galt. Diese will auch Bora-hansgrohe transportieren. Da genügt ein Blick auf die Website des Profiteams aus Oberbayern. Von „Mut, Authentizität, Loyalität und Verantwortungsgefühl“ ist da die Rede. Nachhaltigkeit sei bei Bora-hansgrohe wichtig – im Team und bei der Organisation außenrum.
Zu Bora-hansgrohe zählen 27 Fahrer, die im vergangenen Jahr die bislang erfolgreichste Saison der Teamgeschichte hingelegt haben. Zu Platz 2 in der UCI-Weltrangliste führten 47 Rennsiege, darunter Etappen bei allen großen Radrennen der Saison. Nationale Meistertitel errangen Fahrer von Bora-hansgrohe in Deutschland, Österreich, der Slowakei, Italien, Irland und Polen.
Was kann so eine Saison noch toppen? Während das Corona-Jahr 2020 für die meisten wohl ein Jahr zum vergessen wird, greift Bora-hansgrohe möglicherweise nach der Krone im Profi-Radsport – dem Gelben Trikot bei der Tour de France.
Am 29. August startet die Tour in Nizza, das Ziel ist am 20. September in Paris. ovb-online.de ist bei allen Etappen der Tour de France 2020 im Liveticker mit dabei.
Zudem gibt es auf ovb-online.de viele exklusive Einblicke hinter die Kulissen von Bora-hansgrohe.