ADVENT, ADVENT?
Populismus im Trend
Der Advent ist ja heuer vergleichsweise kurz. Alle, die noch keinen Kranz gebunden oder gekauft haben, haben noch bis Sonntag Zeit, und wenn die vierte Kerze angezündet wird, steht daneben auch schon der Christbaum bereit.
Dass der Start auch erst im Dezember erfolgt, brachte zahlreichen Fußballklubs in den vergangenen Wochen einen Vorteil: Die traditionell Ende November veranstalteten Jahreshauptversammlungen fielen so noch nicht in die besinnliche Zeit. Heißt: Es konnte ohne schlechtes Gewissen in alle Richtungen geschossen werden.
Die beiden Branchenführer waren am vergangenen Freitag (FC Bayern) bzw. Sonntag (Borussia Dortmund) dran, das jüngste Beispiel stammt aus Augsburg. Dort lederte Präsident Klaus Hofmann vollkommen ohne Not Anfang der Woche gegen RB Leipzig. „Keine Lizenz“ dürfe dieses „Konstrukt“ haben, die „Spielordnung des DFB“ sei nicht erfüllt, außerdem möge er den RB-Manager Oliver Mintzlaff „auch nicht“. Applaus! Jubel! Der hat gesessen!
Wer derartige Veranstaltungen in den vergangenen Jahren verfolgt hat, konnte eine fortlaufende Entwicklung erkennen. Auch Dichte und Häufigkeit von Nachrichten, die ihren Weg aus den großen Versammlungshallen in die Öffentlichkeit finden, sprechen für den zunehmenden Trend des sportpolitischen Populismus. Geredet wird meist ein bisschen über den eigenen Klub – aber deutlich mehr über andere. Die Auswahlkriterien sind überall die selben: Wer bietet die beste Angriffsfläche? Wie kann ich bei den Mitgliedern punkten? Was hallt nach?
In München war die Auswahl mal wieder von Klassikern geprägt. PSG – Gegner im Gruppenfinale der Champions League – ist den Bayern ein Dorn im Auge. Hoeneß: „Einen Ehrungsabend für 80-jährige Mitgliedschaft gibt es in Paris sicher nicht.“ Die Löwen liegen zwar am Boden, durften aber nicht fehlen. Rummenigge: „In unserer Arena geht das Licht auf Knopfdruck an – das soll in anderen Stadien anders sein.“ Im Westen bot Hans-Joachim Watzke seinem Schalker Kollegen Clemens Tönnies – am Tag nach dem 4:4 im Revierderby – eine Wette an. Sollte Königsblau in zehn Jahren da stehen, wo der BVB heute ist, werde er persönlich nach Rheda-Wiedenbrück kommen und gratulieren: „Aber ich glaube, den Canossagang werde ich nicht antreten müssen.“
Freilich gehört ein bisschen Folklore zum Geschäft. Aber sollten Klubbosse nicht ein wenig mehr Souveränität den Tag legen? Leipzig ist Augsburg sportlich weit enteilt. Die Löwen sind für die Bayern längst nichts anderes mehr als ein bemitleidenswerter Ex-Rivale. Und Dortmund hat – mit Verlaub – wirklich andere Probleme als die Vormachtstellung im Revier. Die einzig gute Nachricht: Die Zeit der Versammlungen ist so gut wie vorbei. Ab jetzt geht es drei Bundesliga-Wochen lang offiziell um Nächstenliebe. Möge die erste Kerze angezündet werden!