Das sagen die Fraktionen
Wasserburgs „Problemhaushalt“: Unmut, Warnungen, Wünsche und Visionen
- VonHeike Duczekschließen
Emotionen, Vorwürfe, Kritik, aber auch innovative Ideen und Denkanstöße boten die Haushaltsreden der Fraktionen im Wasserburg Stadtrat. Wer sich wie und bei welchem Thema besonders positioniert hat.
Wasserburg - Scharf ins Gericht ging Heike Maas, Fraktionsvorsitzende von CSU/Wasserburger Block, mit den Stadträten aus den anderen Gruppierungen. Ihr Hauptvorwurf: Keine Visionen, kein Sparwillen, kein Mut zu unpopulären Entscheidungen. CSU und Wasserburger Block hätten nicht nur eine Vision für eine lebendige, lebensfrohe, klimafreundliche Stadt mit guter Infrastruktur, sondern auch eine Devise, wie das zu schaffen sei: „Angebote, keine Verbote - das ist unser Weg.“
Will heißen: Nicht immer müssten städtische Mittel her, um was Gutes zu erreichen, oft reiche es aus, anderen Machern - etwa aus der Bürgerschaft oder der Wirtschaft - Freiräume und Rückhalt zu geben. Stattdessen wolle die Stadtratsmehrheit in Wasserburg „einfach alles“, nach dem Prinzip „wünsch dir was“. „Wir leben über unsere Verhältnisse“, ist Maas überzeugt.
Sie erinnerte an ihre Warnungen aus der Haushaltsrede des vergangenen Jahres. Damals habe das Geld gerade noch gereicht, heuer nicht mehr. Deshalb seien viele Beratungsrunden notwendig gewesen. Das Ergebnis sei nach wie vor unbefriedigend, auch wenn die Fraktion dem Haushalt zustimmen werde: Die Ausgaben würden der Stadt davon galoppieren - vor allem beim Sach- und Personalaufwand sowie bei den Energiekosten. Einsparmöglichkeiten würden jedoch nicht wahrgenommen, wie die Weigerung, die Stelle für den neuen Stadtmanager vorerst zu streichen, zeige. „Das fliegt uns 2024 alles um die Ohren“, warnte Maas angesichts der dann extrem hohen Kreisumlage. Dem „Rezept des Bürgermeisters, die geplanten Investitionen zur strecken“, erteilte sie eine Absage. Die wichtigen Pflichtaufgaben dürften nicht in die Zukunft verschoben werden. Deshalb: „Es geht nicht ohne Einschnitte.“
An die laufenden Kosten müsse die Stadt ran. Maas forderte konkret, den Fokus auf folgende Themen zu legen: auf den flotten Ausbau der Photovoltaik auf städtischen Immobilien, auf eine adäquate Kostenbeteiligung der Umlandgemeinden für Einrichtungen wie VHS, Bibliothek und Badria, auf die Ausweisung neuer Gewerbeflächen (etwa in Rottmoos), auf die Unterstützung der heimischen Wirtschaft - „Denken Sie nicht mal dran, den Hebesatz für die Gewerbesteuer anzuheben“.
Friederike Kayser-Büker, Fraktionsvorsitzende von SPD und Linker Liste, sieht die Stadt mit dem Haushalt für die großen Herausforderungen der Zukunft gerüstet. Und sie stellte angesichts von Überlegungen, auch beim Bürgerbahnhof zu sparen, fest, dass es Bereiche wie die Sozialpolitik gibt, bei denen die Fraktion keine Einschnitte hinnehmen werde. Zumal feststehe, dass die Bevölkerung mehr Steuern zahle als erwartet, wie die Einkommenssteuerentwicklung zeige, die Firmen jedoch weniger, schließlich werde ein Einbruch bei der Gewerbesteuer erwartet.
Dass die Ausgaben im Verwaltungshaushalt gestiegen sind, sei nicht Schuld der Stadt, sondern den Kostensteigerungen beim Sachaufwand, der Energieversorgung zu verdanken. Stellen zu streichen, etwa jene im Stadtmanagement, sei der falsche Weg. Im Gegenteil: Angesichts der gewaltigen Hochbauprojekte benötige das Stadtbauamt eigentlich eine Aufstockung. Es sei der richtige Weg, die großen Vorhaben zu strecken, damit sie den Stadthaushalt nicht konzentriert belasten würden.
Auf die lange Bank werde bereits die Generalsanierung der Kaserne geschoben. Kayser-Büker zeigte sich erfreut darüber, dass der Alpenverein hier eine Boulderhalle auf Zeit einrichten kann. Für die Großprojekte der nächsten Jahren wie Feuerwehr-Neubau, Wertstoffhofverlegung und Grundschulerweiterung seien finanzielle Obergrenzen verbindlich zu beschließen, an denen sich die Planungen auszurichten hätten.
Sepp Baumann, heuer Sprecher der Fraktion von Bürgerforum/Freie Wähler Reitmehring-Wasserburg/ÖDP, konzentrierte sich in seiner zu langen (vorgeschriebene Redezeit: 20 Minuten), aber unterhaltsamen Stellungnahme, unter anderem auf die Tatsache, dass der Stadtteil Reitmehring in seinen Augen auch im neuen Haushalt vernachlässigt wird. „Als selbsternannter Reitmehring-Referent HC, ich meine hier nicht den Honoris Causa, sondern den HC Hardcore, muss ich feststellen, dass wir in Reitmehring eine Menge Fahrradständer bekommen, aber es für unsere Senioren und Vereine keine Bleibe gibt.“
Jetzt werde auch noch „an der Grundschule geknabbert“, so Baumann angesichts der Pläne, das benachbarten Feuerwehrhaus am Standort zu erweitern. Baumann will bekanntlich stattdessen einen Neubau an anderer Stelle. In Reitmehring gehe generell wenig voran, ärgerte sich der Stadtrat. Er erinnerte daran, dass auf dem Grassergelände nicht passiere, der Aldi erweitern dürfe ohne Aufbau, der Verkehr an der B 304 kollabiere. „Interessiert ja nicht, ist ja weit weg von Wasserburg“, meinte er ironisch. Baumann forderte die Stadt und Bürgermeister Michael Kölbl auf, Tempo zu machen bei der Weiterentwicklung und Antworten auf die vielen offenen Fragen zu geben. „Zurücklehnen für die letzten drei Jahre im Amt des Bürgermeisters geht da nicht, Wasserburg braucht einen Rathauschef, der anpackt und für seine Stadt brennt“, forderte Baumann in Richtung von Kölbl. Der Haushaltsplan 2023 beinhaltet für Baumann einige „Schreckensseiten“ angesichts der hohen Investitionen und steigenden Ausgaben. „Mir wird heut schon Angst.“
Christian Stadler, Fraktionsvorsitzender der Grünen, nannte die Haushaltslage „bescheiden“. Das liege auch an Fehlentscheidungen in den vergangenen Jahren - unter anderem bei der Energiepolitik. Die Bequemlichkeit im Denken habe dazu geführt, dass die Stadt zu oft auf konventionelle Energieträger gesetzt habe und das jetzt teuer bezahlen müsse. Versäumnisse beim Klimaschutz würden außerdem zu einer überdurchschnittlichen Belastung des Verwaltungshaushalts sorgen.
Kostentreiber sei auch die „unverantwortliche Auto-Fixiertheit“ der vergangenen Jahrzehnte, so Stadler mit Blick auf die im Unterhalt teuren Parkhäuser. Trotzdem findet er: „Dieser Haushalt 2023 ist bestimmt kein guter, denn ein solcher böte mehr Spielraum und mehr Gestaltungsmöglichkeiten - vor allem mehr Grund, optimistisch in die Zukunft zu schauen. Aber der Haushalt ist ein ordentlicher, weil er im engen Rahmen dessen, was uns noch an Gestaltungsspielraum lässt, die richtigen Prioritäten setzt.“
Sich kaputt zu sparen, sei jetzt der falsche Weg. Denn Investitionen in die Zukunftsfähigkeit der Stadt müssten sein - etwa in die Kinderbetreuung, den ÖPNV, den Radverkehr, in das Stadtmarketing und in die Umsetzung des städtebaulichen Entwicklungskonzepts (ISEK), das nicht in den Schubladen verstauben dürfe. Mut und Weitsicht seien vonnöten und die Bereitschaft, den gesellschaftlichen Wandel aktiv mitzugestalten. Die Stadt müsse anschieben, Inputs liefern, begleiten. Der Haushalt nutze trotz engem finanziellen Spielraum die Chance, etwas für die Zukunft Wasserburgs zu bewegen.