Erstorientierungskurs
Sprachkurs im Klassenzimmer der Realschule: Ukrainer drücken die Schulbank
- VonWinfried Weithoferschließen
Flüchtlinge aus der Ukraine nehmen an einem Deutschkurs Teil. Der Kurs wurde von der Volkshochschule Wasserburg organisiert und dauert mehrere Wochen.
Wasserburg – „Heute ist Dienstag“, sagt die Kursleiterin. „Und gestern war?“, fragt sie in die Runde. „Montag“, hört man eine ziemlich leise Stimme im Raum. „Richtig. Morgen ist?“ Nach einer kleinen Kunstpause ist von hinten zu hören: „Mittwoch.“ Die Dozentin Ute Mings nickt und lächelt.
An diesem Dienstag sitzen in einem Klassenzimmer der Realschule wieder ein Dutzend Ukrainer zusammen, sie nehmen an einem von der Volkshochschule Wasserburg organisierten, mehrwöchigen Kurs teil. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) übernimmt die Kosten. Bunt gemischt ist die Gruppe, eine Frau mit einem auffälligen Tattoo ist dabei, deren zwei Töchter und eine fünfjährige Enkelin. Zwei grauhaarige, etwas ältere Männer gehören ebenfalls zu den Teilnehmern. Auf den Schulbänken liegen aufgeschlagen die Exemplare des Lehrwerks „Einfach los – Deutsch für Asylbewerber“.
In der Lektion, die Mings gerade behandelt, geht es um die Wochentage. Feinsäuberlich schreibt sie „Wochentage“ und „1 Woche = 7 Tage“ auf die Tafel. Die Schriftstellerin bringt den Geflüchteten aus dem vom Krieg gepeinigten Land die allerersten Wörter Deutsch bei. In der Sporthalle der Realschule haben rund 170 Menschen vor ein paar Wochen ein provisorisches Quartier bezogen.
300 Stunden Erstorientierungskurs
Ein richtiger Sprachkurs sei das noch nicht, sagt Mings. „Wir sind jetzt erst einmal dabei, die wichtigsten Basics durchzunehmen.“ Es gehe um die Begrüßung, um die passende Anrede, darum, wie man die Fragen nach der Herkunft oder nach den familiären Verhältnissen beantwortet. Das reiche Angebot an Apps hilft ihr, das geeignete Lernprogramm samt Übersetzung zu finden. „Einige können auch Englisch, sodass wir bei der Vermittlung ganz gut zurechtkommen – in einem gewissen Freistil natürlich, gestisch, mimisch“, so Mings. 18 Jahre alt ist der jüngste Kursbesucher, Mitte 50 der älteste.
Unterrichtet wird an vier Tagen in der Woche in jeweils vierstündigen Blöcken, Mings ist an zwei Tagen im Einsatz. 300 Stunden dauert der sogenannte Erstorientierungskurs für die Ukrainer. Die Frage ist offen, ob alle bis zum Schluss das Pensum durchhalten – also bis zu den Sommerferien. „Das wird man sehen“, sagt die Dozentin.
Von den Teilnehmern – es sind deutlich mehr Frauen als Männer – hat Mings einen durchweg guten Eindruck. „Wenn man sie nach ihrem Befinden fragt, sagen sie alle: sehr gut.“ Gerechnet habe sie mit eher traumatisierten Menschen. „Aber sie lachen, wirken heiter.“ Sie würden sich ihre Sorgen um ihr Heimatland nicht anmerken lassen. Ukrainer seien Kämpfer, habe sie erfahren. Der Unterricht ist für die Kursleiterin anstrengend, wie sie einräumt. Die ständigen Wiederholungen, der Wechsel zwischen Frage- und Aussagesätzen, zwischen Vergangenheit und Gegenwart erfordert Konzentration, genauso die Antworten. Weiter geht’s mit den Wochentagen: „Übermorgen ist Donnerstag“, formuliert ein Teilnehmer. „Richtig“, freut sich Mings.