Interview mit Caritas-Vertreterin
Stiftung Attl hilft traumatisierten Ukraine-Flüchtlingen: Was Menschen mit Behinderung benötigen
Als eine der ersten Einrichtungen hat die Stiftung Attl angeboten, Menschen mit Behinderung aus der Ukraine aufzunehmen. Denn große Sammelunterkünfte sind für Flüchtlinge mit Assistenzbedarf nicht geeignet. Janina Bessenich von der Caritas erklärt, was sie benötigen.
Wasserburg – Janina Bessenich ist Geschäftsführerin und Justiziarin des Fachverbands Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie e. V. Seit dem Ausbruch des Kriegs in der Ukraine unterstützt sie vor Ort in Polen geflüchtete Menschen mit Behinderung und organisiert deren weiteren Verbleib in Einrichtungen des Fachverbands.
Frau Bessenich, wie sind Sie als CBP-Geschäftsführerin zu ihrer neuen Rolle gekommen?
Janina Bessenich : Als ich die Kriegsbilder gesehen habe, wusste ich, dass jeder in der Verantwortung ist zu helfen. Mich erreichte dann die Meldung von Caritas Opole (Polen), dass eine Gruppe von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit Behinderung aus der Ukraine gerettet wurde. Ihre Einrichtung in Kiew, in der zu dem Zeitpunkt 229 Betreute lebten, wurde bombardiert. Als Verband mussten wir diese Gruppe unbedingt unterstützen.
Welche Hilfe konnten Sie bisher leisten?
Bessenich : Zwei Gruppen konnten bundesweit aufgenommen werden, eine davon in der Stiftung Attl. Da diese Menschen alle mehr oder weniger traumatisiert sind, ist es wichtig, dass die jeweilige Gruppe mit ihrem Betreuer zusammenbleiben kann. Durch die dramatischen Erlebnisse und schlimmen Erfahrungen auf ihrer Flucht hängen sie unglaublich aneinander.
Was mussten diese Menschen durchmachen?
Bessenich : Als die Bombardierungen einsetzten, mussten alle in die Bunker. Drei Tage brauchten sie in kleinen Gruppen, um mit Zügen an die Grenze zu kommen. Dort wurden sie von Mitarbeitenden der Caritas Polen abgeholt und in Erholungsheimen und dem Diözesanhaus in Neisse gebracht, wo sie erst einmal zur Ruhe kommen konnten. Sie mussten sich in Polen in Quarantäne begeben und wurden medizinisch versorgt. An diesem Zwischenstopp wurden sie registriert und die Kolleginnen haben zunächst versucht, in Polen entsprechende Einrichtungen zu finden. Aber da in dieses Land bereits zweieinhalb Millionen Menschen geflohen sind, fand sich nirgends ein Platz. So wurde die Anfrage an unseren Verband herangetragen. Die Stiftung Attl war gleich nach Kriegsausbruch die erste Einrichtung, die wiederum uns Unterstützung anbot.
Wie geht Ihre Arbeit hier vor Ort in Polen weiter?
Bessenich : Ich betreue hier noch weitere Gruppen, die dann in Nordrhein-Westfalens eine Anlaufstelle finden werden. In einer Arbeitsgruppe werden wir die Einrichtungen und Dienste begleiten. Ansonsten besteht meine weitere Arbeit darin, die nächsten Gruppen aus der Ukraine an entsprechende Einrichtungen zu vermitteln. Insgesamt sprechen wir aktuell von über 1000 geflohenen Menschen mit Behinderung. In Lemberg befinden sich derzeit über 6000 aus diesem Personenkreis. Die müssen wir jetzt erst einmal schnell nach Polen bringen, damit sie auf weitere Einrichtungen verteilt werden können. Diese speziellen Einrichtungen sind nötig, da diese Kinder und Jugendlichen zuvor ja auch in solchen betreut werden mussten. Da scheiden Sammelunterkünfte aus. Genau darin liegt unser Auftrag.