Tränen der Rührung erwünscht
Isen – Sich an das Thema „Demenz“ heranzuwagen, ist mutig.
Hierzulande wird es gerne verschwiegen, kleingeredet oder als Peinlichkeit angesehen, wenn Angehörige daran erkranken. Für Betroffene, die den schleichenden Fortgang des eigenen Kontrollverlustes selbst wahrnehmen, ist es gewiss nicht einfach, mit der Krankheit umzugehen. Für den Sohn oder die Tochter, für die der starke Vater immer ein Vorbild war und die Mutter stets einen Rat wusste, ist es schlimm, die Eltern in eine zunehmende Entfremdung gleiten zu sehen.
„Honig im Kopf“ heißt eine erfolgreiche Tragikomödie von Til Schweiger, die sich dem Thema mit Dieter Hallervorden in der Hauptrolle widmet. Gewiss keine leichte Kost, aber schon allein die Besetzung mit Hallervorden, dessen Talent für Charakterrollen erst spät zum Tragen kam, zeigte, dass man der „Alzheimer“-Erkrankung auch eine tragikomische Seite abgewinnen kann.
Der Film lockte über sieben Millionen Besucher in die Kinos und belegt damit Platz sechs der erfolgreichsten deutschen Filme seit 1968. Die Bühnenfassung hat Florian Battermann geschrieben, umgesetzt wurde die Theater-Version unter anderem im Schlosspark-Theater Berlin und im Ohnsorg-Theater Hamburg. „Was Ohnsorg kann, können wir auch“, sagt Rainer Annuscheit mit spitzbübischem Lächeln. Er und Bernhard Thalhammer sind in Isen für die Regie verantwortlich.
Die Handlung erzählt von viel Liebe und Mitmenschlichkeit. Der Tierarzt Amandus Rosenbach erkrankt zunehmend an Alzheimer. Als er auf der Beerdigung seiner Frau eine etwas wirre Rede hält, bekommen die Zuschauer schon einen ersten Eindruck seines Zustandes: „Leck mich am Arsch“, meint er kurz und bündig, als er vergisst, was er sagen will.
Kurz danach nimmt ihn Sohn Niko mit zu seiner Frau Sarah und Tochter Tilda in sein Haus nach Hamburg, weil er seinen Vater nicht mehr allein lassen will.
Dort bringt Amandus das Leben gehörig durcheinander, wobei der Autor hier Szenen eingebaut hat, die ebenso skurril wie komisch wirken. Wie etwa, als Amandus in den Kühlschrank pinkelt. Die Redensart „Humor ist, wenn man trotzdem lacht“ erhält im Stück „Honig im Kopf“ ihre tiefere Bedeutung – man darf, man soll, man muss in diesem Stück auch lachen.
Als Niko seinen Vater notwendigerweise in ein Pflegeheim stecken will, bricht die neunjährige Enkelin Tilda mit ihrem Großvater zu einer abenteuerlichen Reise nach Venedig auf. Dorthin, wo er mit seiner verstorbenen Frau Margarete glücklich und unbeschwert war ...
Für den 1983 neu gegründeten Theaterverein Isen, der jedes Jahr mindestens ein neues Stück herausbringt, ist „Honig im Kopf“ auch in technischer Hinsicht Neuland. Die aufwendig inszenierte, multimediale Bühnenfassung kommt trotz ihrer 26 Szenen und einer Vielzahl an Handlungsschauplätzen ohne große und störende Umbauten aus. Seit Sommer 2018 laufen die Planungen, im Herbst 2018 wurden die externen Szenenbilder erstellt, im Januar 2019 begann die harte Probenphase. Im März wechselte die Truppe vom Seilerwirt in Burgrain in den Isener Gasthof Klement, um dort auf jener Bühne zu proben, auf der auch die Aufführungen stattfinden werden.
„Das Stück ist sehr probenintensiv“, sagt Rainer Annuscheit. Es steckt enorm viel Arbeit dahinter, der Teufel verbirgt sich im Detail. Zweimal in der Woche treten die Akteure an. Die meisten von ihnen wohnen in der näheren Umgebung, zwei der Laienschauspieler kommen nach der Arbeit extra aus München angereist.
Videoclips als Live-Szenen
Die Bühnenumsetzung des Films hat von den Machern viel an Kreativität abverlangt. Für einzelne Szenen wurden an Außenschauplätzen Videoclips gedreht, die dann mittels Beamer fließend in Live-Szenen auf der Bühne übergehen. Und so kommt es, dass die Bühnenbilder mit wohlbekannten Schauplätzen aus Isen gemischt werden und dem einheimischen Publikum wohl so manches überraschte „Ah!“ entlocken wird.
So wird der italienische Wirt Giovanni Vetrano am Tresen seines zum „Nobelhotel“ umfunktionierten Lokals „Ciao Italia“ als Rezeptionist zu sehen sein. Oder die Isener Ärztin und Erzähl-Künstlerin Dr. Carmen Däumer als Kinderärztin eine kleine (Film-)Rolle übernehmen. Günter Paukner wird als Bahnangestellter zu sehen sein – wobei als Spielort das Rathaus als Bahnstation herhalten musste.
Die beiden Hauptrollen Amandus und Tilda übernimmt ein Team, das besonders auf emotionaler Ebene glaubhaft zusammenspielen dürfte. Zumindest bei den Proben war die Bande spürbar, die beide vereint: Franz und Sylvia Drasch sind Vater und Tochter.