Zwei schwierige Jahre liegen hinter Verein und Mannschaft
Tränen, Applaus, Kritik: Die Feuerwehr Wasserburg erlebt eine emotionale Achterbahnfahrt
- VonHeike Duczekschließen
Turbulente Jahre liegen hinter der Feuerwehr Wasserburg. Sogar Tränen, aber auch leise kritische Töne bestimmten deshalb die Jahreshauptversammlung. Warum sie eine emotionale Achterbahnfahrt darstellte.
Wasserburg - Es waren zwei schwierige Jahre für die Feuerwehr Wasserburg - nicht nur, weil die Pandemie die Arbeit erschwerte, auch weil Schicksalsschläge die Aktiven und den Verein gebeutelt haben. Vorsitzender Tobias Steiner erkrankte, sein Stellvertreter Christopher Taylor verunglückte in den USA schwer. Doch die Kameraden und Kameradinnen hielten zusammen und stärkten Steiner und Taylor in den schweren Tagen. Der stellvertretende Vorsitzende schloss deshalb die Versammlung mit einer emotionalen Rede, in der er sich für die Unterstützung bedankte: „Ich bin so froh, ein Teil dieser Feuerwehr sein zu dürfen.“ Seine Ansprache rührte zahlreiche Mitglieder zu Tränen. Alle erhoben sich von den Plätzen und applaudierten.
2022 war außerdem das Jahr des Rücktritts der drei vorherigen Kommandanten. Der wohl jüngste Feuerwehrchef in Bayern, Timo Paul (23), übernahm mit zwei neuen Stellvertretern, Maximilian Labsch und Heinrich Lir, das Ruder. Souverän leitete Paul mit Steiner die Versammlung, so als hätte er seit Jahren nichts anderes getan.
Steiner: „Alleine rudern können wir nicht“
Dass die Feuerwehr Wasserburg trotz des gelungenen Neustarts noch immer nicht wieder ganz in ruhigen Gewässern angelangt ist, zeigten jedoch drei Momente in der Versammlung. Vorsitzender Steiner bemühte das Bild der Plätte auf dem stürmischen Inn. Die Pferde, die früher den Schiffszug gezogen hätten, seien für ihn die Stadt und der Stadtrat. Allein rudern könne die Feuerwehr nicht, warnte er. Anscheinend spielte Steiner auf die Tatsache an, dass die Aktiven und der Verein seit vielen Jahren auf das dringend benötigte neue Feuerwehrhaus warten. Und darauf, dass der Gerätewart fehlt. Zweiter Vorsitzender Taylor, auch hauptamtlich in dieser Funktion beauftragt, kann diese seit seinem lebensbedrohlichen Unfall Ende vergangenen Jahres noch nicht ausführen. Die wichtige Aufgabenstellung ruht übergangsweise auf vielen Schultern, eine starke Belastung. Deshalb wohl die Aufforderung des Kommandanten an den Stadtrat, nach der Versammlung den Fuhrpark mit Geräten zu besichtigen. Die Vertreter des Gremiums kamen diesem Wunsch nicht nach. Denn es war nur eine Handvoll Stadträte samt Feuerwehrreferent Armin Sinzinger zu Gast. Stadträtin Irene Langer forderte die Feuerwehr deshalb auf, einen Extra-Termin mit dem Stadtrat zu vereinbaren, damit das Gremium auch vollzählig teilnehmen könne.
Ein Nein bei der Entlastung
Es gab noch einen Moment, der zeigte, dass es nach wie vor ein paar Spannungen gibt bei der Feuerwehr: Ein aktives Mitglied, Ingo Horender, verweigerte die Entlastung des Vorstands mit Kassier. Horender legte in einem kurzen Statement jedoch Wert auf die Feststellung, er sei lediglich mit der Arbeit des Vorstands nicht einverstanden, sehr wohl mit der Jahresrechnung und Kassenführung. Da über beides in einem Abstimmungsvorgang entschieden werde, müsse er mit Nein stimmen.
Kölbl: „Auf der Zielgeraden“
Das neue Feuerwehrhaus kommt, daran ist jedoch nicht mehr zu zweifeln: Denn der Stadtrat hat vor kurzem das Raum- und Fahrzeugprogramm beschlossen. Bürgermeister Michael Kölbl erinnerte in seinem Grußwort an den einstimmigen Beschluss, jetzt könne der Auftrag vergeben werden für die Vorplanung, im Laufe dieses Jahres folge die Ausschreibung für den Hauptplaner. Angesichts der „enormen Investitionssumme im zweistelligen Millionenbereich“ müsse die Planung leider europaweit ausgeschrieben werden. „Wir sind klar auf der Zielgeraden angekommen“, zeigte sich Kölbl trotzdem überzeugt.
Jeden zweiten Tag ein Einsatz
Der Rathauschef würdigte die Leistungsstärke der Wehr. Sie rückt quasi durchschnittlich jeden zweiten Tag aus. 2021 waren es 175, 2022 sogar 185 Einsätze. Kölbl sprach auch die starken psychischen Belastungen der Feuerwehrleute an, die auch im Bericht des Kommandanten zur Sprache kamen. Wenn Menschen nur noch tot aus Autowracks geborgen werden können oder - so wie im Ahrtal - ihr ganzes Hab und Gut verlieren, gilt es auch für die Aktiven viel emotional zu verarbeiten.
80 Aktive
Das Einsatzspektrum der 80 Aktiven, darunter acht Frauen, reichte in den vergangenen zwei Jahren nach Informationen des Kommandanten von der Personenrettung in Edling bis zum Betriebsunfall in Babensham, von der Unwetterhilfe in Albaching, als eine Gewitterzelle mit Hagel mitten im Sommer für winterliche Verhältnisse sorgte, bis zum Baustellenunfall in Roßhart, von schweren Unfällen auf den Bundesstraßen B 15 und B 304 sowie auf den Wasserburger Serpentinen bis zur Hochwasserunterstützung im Ahrtal, wo die Feuerwehr Wasserburg vor allem Häuser vom Schlamm befreite, von Bränden unterschiedlichen Ausmaßes - kleinere Feuer, weil eine Herdplatte anblieb, aber auch ein Großbrand. Hinzu kamen Sicherheitswachen, Unterstützungen bei Wohnungsöffnungen, technische Hilfeleistungen aller Art. Im vergangenen Jahr war die Feuerwehr besonders gefordert: Sie erlebte einen Chemikalienaustritt, musste beim Brand in der Realschule das Gebäude evakuieren und war beim schweren Zugunglück in Soyen unterstützend im Einsatz.
2021 gab es außerdem 28 Übungen, sieben davon aufgrund der Pandemie online, 2022 sogar 33.
Jugendwart Kevin Pichlmayr hatte positive Nachrichten: Der Nachwuchs ist gesichert, acht Jugendliche im Alter von 13 bis 17 Jahren, darunter fünf Buben und drei Mädels, trainieren fleißig. Vier Zugänge gab es, eine neue Einsatzkraft ist in die Mannschaft übergetreten. Alle jungen Feuerwehrler bestanden die Wissenstests, in der Regel ganz ohne Fehler, berichtete Pichlmayr stolz.
Rühriges Vereinsleben
Vorsitzender Steiner berichtete außerdem über das rührige Vereinsleben, monatlich gibt es einen Programmpunkt für die Mitglieder: vom Ausflug bis zum Wandertag, von der Beteiligung an Wasserburger Festen bis zum bei der Bevölkerung sehr beliebten Gartenfest. Derzeit wird außerdem die Ausstellung historischer Gerätschaften ergänzt: Ein Tanklöschfahrzeug wird restauriert, berichtete Steiner. Heuer steht ein wichtiger Termin an: die Fahrzeugweihe am 23. Juli, gleichzeitig ist Feuerwehr-Aktionstag.
Interessantester Punkt im Vortrag von Kassier Robert Deml, der die geordneten und von Rudi Göpfert Senior und Günther Noder geprüften Jahresrechnungen des Feuerwehrvereins vorstellte: 2021 spendeten die Wasserburger 7000 Euro für die Erdbebenhilfe in Kroatien. Innerhalb eines Tages war ein Hilfskonvoi organisiert. Auch das ein Symbol für Stärke und Zusammenhalt im Verein und in der Mannschaft.
Kreisbrandmeister warnt vor Gasheizstrahlern
Kreisbrandmeister Markus Huber berichtete in der Jahreshauptversammlung der Wasserburger Feuerwehr aus dem Einsatz- und Weiterbildungsalltag der 6000 aktiven Mitglieder im Landkreis. Hier gibt es mittlerweile sogar schon vier Kinderfeuerwehren, 1000 Jugendliche seien außerdem aktiv und in der Ausbildung. Der Kreistag habe beschlossen, acht Wechselladerfahrzeuge anzuschaffen: Als Standorte stünden bereits Prien und Bernau fest, die restlichen seien noch offen. Im Herbst, so Hubers Hoffnung, kommt die digitale Alarmierung. Ein Thema steht nach seinen Angaben derzeit im Fokus der Arbeit: die Gefahr durch Gasheizstrahler, die aufgrund der gestiegenen Brennstoffpreise in vielen Wohnungen eingesetzt würden. Bei ihrer Anwendung könne das gefährliche Kohlenmonoxid freigesetzt werden. Eine Herausforderung sei außerdem die Umstellung auf neue Rettungstragen. Sie seien schwerer als die alten und nicht in Einzelteile zerlegbar.