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So groß wird das neue Wasserburger Feuerwehrhaus: Das kann es - das muss es nicht können

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Von: Heike Duczek

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Hier kommt das neue Wasserburger Feuerwehrhaus hin: Das gelb umrandete Gelände ist das Grundstück nahe der Rampe.
Hier kommt das neue Wasserburger Feuerwehrhaus hin: Das gelb umrandete Gelände ist das Grundstück nahe der Rampe. © Kerscher

Emotionen, Diskussionen, Applaus: Der Wasserburger Stadtrat hat das Raum-Programm für das neue Feuerwehrhaus festgelegt. Was es können wird - und warum es in einer Extremsituation nicht mehr zu retten wäre.

Wasserburg - Genau 10 Jahre ist es her, dass der erste Brandschutzbedarfsplan der Stadt im Feuerwehrhaus Wasserburg erhebliche funktionale und bauliche Mängel festgestellt hatte. Die Kommune ging es an - Jahre voller Besprechungen, Sitzungen, Verhandlungen und Analysen folgten. Einmal drohte die Suche nach einer Lösung sogar ein Feuer zu entfachen: Die drei Kommandanten warfen Anfang 2022 verärgert hin. „Es gab auch Turbulenzen - bekanntermaßen“, streifte Bürgermeister Michael Kölbl (SPD) diese Krise im Stadtrat nur mit einem kurzen Satz.

Das Gremium hielt sich ebenfalls nicht mit Vergangenheitsbewältigung auf, sondern schaute nach vorne: Denn das Grundstück, das ehemalige Gärtnereigelände am Schopperstattweg, steht nach einer Analyse von insgesamt sechs möglichen Standorten fest. Das Feuerwehrhaus bleibt auch deshalb in der Altstadt, weil nur in diesem Fall die vorgeschriebenen Ausrückzeiten einzuhalten sind. Das Raumprogramm wurde in mühsamer „Fieselarbeit“, so Kölbl, erarbeitet - in einem Arbeitskreis, in den neben Vertretern aus den Fraktionen, der Verwaltung, des beauftragen Ingenieurbüros IBG auch die Experten in Wasserburg saßen: die Kommandanten, der Feuerwehrreferent der Stadt sowie der Kreisbrandrat.

Das Gremium hatte sich nach vier Workshops in einer letzten „sehr konstruktiven Sitzung“ im Dezember, so der Bürgermeister, auf eine Ausstattung geeinigt und dem Stadtrat einstimmig eine Empfehlung ausgesprochen. Eine gute Basis, der das Gremium ebenso einstimmig folgte. Dafür gab es Applaus von über 20 Feuerwehrlern, die in Uniform gespannt die Sitzung verfolgten.

Der Rathauschef sprach angesichts des einstimmigen Stadtratsbeschlusses von einem „positiven Signal“ und einem „Meilenstein“ auf dem Weg zum neuen Feuerwehrhaus. Als nächstes folgt nun eine Machbarkeitsstudie. Das Wort mag irritieren, den machbar ist die Wache auf dem Gelände, so Kölbl. Das neue Gutachten solle aufzeigen, wie es machbar sei. Danach muss die Detailplanung europaweit ausgeschrieben werden, denn es steht eine Summe zwischen 11 und 13 Millionen im Raum.

Das muss die Wache bieten

Jetzt steht jedoch schon fest, was die neue Feuerwache alles bieten muss: 10 Stellplätze für die Einsatzfahrzeuge, eine Atemschutzwerkstatt, eine Schlauchpflegeanlage, Schulungsräume. Was nicht kommt: die Atemschutzübungsanlage, ein Streitthema im vergangenen Jahr. Sie hätte im neuen Feuerwehrhaus integriert werden können, manche hatten es so gewünscht. Doch diese Einrichtung ist eine Aufgabe des Landkreises. Und dieser habe mittlerweile, so Kölbl, die Strategie geändert und ein neues Konzept aufgestellt. Der Landkreis setze auf mobile Übungsanlagen. In Prien und Bad Aibling würden die bereits bestehenden Anlagen in Landkreishand übergehen, in Wasserburg komme eine mobile hinzu, die im Bereich der Rampe aufgestellt werde.

Das neue Feuerwehrhaus benötigt eine Netto-Raumfläche von 2.000 Quadratmetern, berichteten die Vertreter des begleitenden Fachbüros IBG. 1.300 Quadratmeter müssten zwingend im Erdgeschoss angeordnet werden, denn hier stehen die Fahrzeuge, die im Alarmfall schnell erreicht werden und ausrücken müssen - rund um die Uhr, jeden Tag. Der Gesamtflächenbedarf betrage 3.759 Quadratmeter. Das Grundstücke besitze eine Größe von 4.300 Quadratmetern, üppig fällt der vorhandene Platz nicht aus, so Kölbl. Er verwies auch noch aus einem anderen Grund auf die Notwendigkeit, nun in Phase Zwei der Planung einzutreten: Denn die Machbarkeitsstudie in der Qualität einer Voruntersuchung ermögliche auch eine konkretere Schätzung der Kosten. Die letzte stamme aus November 2021, bekanntlich sind seitdem mit Eintreten in die Inflation die Baukosten explodiert.

Ein Haus - fünf Szenarien

Basis für das Raumprogramm sind Regelwerke wie eine DIN-Norm für Feuerwachen. Außerdem seien Vorschriften aus der Unfallversicherung zu beachten, so Felix Schanzmann vom Büro IBG. Er erläuterte das Raumprogramm in der jüngsten Stadtratssitzung anhand von fünf Szenarien - vom Einsatz bis zur Schulung.

Alarmierung: Die Einsatzkräfte fahren mit ihren eigenen Pkw an. Da sie wenig Zeit haben, müssen die Zuwege schnell erreichbar sein. 44 Parkplätze, davon 20 Stellflächen für die erste Truppe, die ausrückt, sind notwendig. In der Nähe müssen die Umkleiden untergebracht sein. Alles im Erdgeschoss. Die Fahrzeuge benötigen ausreichend Rangierflächen vor der Halle.

Nach dem Einsatz ist vor dem Einsatz, die Bereitschaft ist sofort wieder herzustellen. Dafür müssen eine Atemschutzwerkstatt, eine Kleiderkammer und eine Schlauchpflegeanlage eingerichtet werden. Wichtig sei auch eine Treibstofflogistik - mit Notstromversorgung.

Wichtig: Üben und Trainieren. Dazu werden ein Mehrzweckraum, ein Übungsturm und ein gut beleuchteter Übungshof benötigt.

Verwaltung: Eingeplant werden Büros für die Einsatzleitungen und Dienstbesprechungen.

Schulungen, Veranstaltungen, Sonderlagen: Das neue Feuerwehrhaus gilt auch als sogenannter Leuchtturm. Bei Großkrisen wie schweren Bränden und Katastrophen muss es die Anlaufstelle in der Stadt sein können - zur Einsatzbesprechung, als Stützpunkt. Auch dafür ist ein Raum für 120 Personen notwendig, außerdem ein Funk- und Kommunikationsbereich, eine Küche für die Verpflegung, ein Bereich für eine stationäre Netz-Ersatzanlage (Notstromversorgung).

Fest steht außerdem bereits, dass das neue Feuerwehrhaus CO2-neutral gebaut und betrieben wird, so ein Grundsatzbeschluss des Stadtrates. Und es wird auch die zentrale Anlaufstelle sein, wenn es zu Katastrophen kommt, bestätigten die Fachplaner auf Anfrage von Bettina Knopp (Grüne). Hinter dem Begriff „Leuchtturm“ stehe ein Konzept, dass der Wache eine bedeutende Rolle etwa in einem Blackout zuspreche, so Kölbl. Hier gebe es auch dann noch Strom, Wärme, Licht. Hier würden im Fall der Fälle alle Fäden zusammenlaufen. Hier würden die Bürger eine Anlaufstelle finden. Hier tage dann das Katastrophenmanagement.

Bei einer Jahrtausend-Flut würde die neue Wache untergehen

Doch es gibt einen Extremfall, bei dem auch das neue Feuerwehrhaus baden gehen würden, im wahrsten Sinne des Wortes: bei einem Jahrtausend-Hochwasser. Dann müsste es aufgegeben werden. Norbert Buortesch, Bürgerforum, bat deshalb die Planungsgruppe eindringlich, einen ungewöhnlichen Vorschlag seinerseits zu prüfen: Ob das Feuerwehrhaus nicht auf Stelzen gestellt werden könne, darunter wäre dann öffentlicher Parkraum möglich.

Lange Rampen für ein Haus auf Stelzen nicht darstellbar

Der Bürgermeister wies diesen Wunsch zurück. Bei einem Jahrtausend-Hochwasser „säuft die ganze Altstadt ab“, einem solchen Extremfall könne sich die Stadt unmöglich vorbeugen. Das Büro IBG verwies darauf, dass ein Gebäude auf Stelzen für die Ein- und Ausfahrt der Einsatzwagen extrem lange Zuwege benötigen würde. Für zwei Meter Höhenüberwindung seien 15 Meter lange Rampen notwendig. Das Grundstück mit seinen 4.000 Quadratmetern gebe die notwendige Fläche nicht her. Auch finanziell sei dies nicht darstellbar. Der Zeitverlust sei außerdem viel zu groß. Friederike Kayser-Büker, Fraktionsvorsitzende von SPD und Linke Liste, zeigte sich überzeugt, bei einer Jahrtausend-Flut werde die Wache durch Geröll und Schlamm so beschädigt, dass Stelzen hier auch nicht mehr helfen könnten. Georg Machl, CSU, sprach von einem „absolut unverhältnismäßigen“ Vorschlag von Buortesch. Komme die Jahrtausend-Flut, breche sie nicht innerhalb kürzester Zeit über die Stadt hinein. In diesem Falle gebe es die Möglichkeiten, die Wache zu evakuieren und die Ausrüstung plus Fahrzeuge in Sicherheit zu bringen. Die Investitionskosten müssten außerdem im Laufe der nun folgenden Planungen irgendwann gedeckelt werden.

Feuerwehrreferent appelliert: „Zu Potte kommen“

Feuerwehrreferent Armin Sinzinger (Wasserburger Block) warnte davor, die Diskussion Richtung Extremfall zu lotsen. Viele Stunden hätten die Beteiligten um das Raumprogramm gerungen - „verdammt lang und intensiv“. Die Pandemie habe das Vorankommen erschwert. „Wir müssen jetzt zu Potte kommen“, so sein Appell. Sinzinger bemühte die Feuerwehrsprache: Bisher seien es nur Übungen gewesen, jetzt sei es an der Zeit, die Alarmierung zu übernehmen. „Lassen wir die Sirene erklingen und treten wir den Einsatz los. Lasst uns jetzt machen.“

Sepp Baumann, Freie Wähler Reitmehring-Wasserburg, fand trotzdem die Idee seines Fraktionskollegen Buortesch „gar nicht so blöde“. „Es ist alles machbar, wenn man will.“ Für ihn steht fest: „Das Jahrtausend-Hochwasser wird kommen, schneller als wir uns alle das vorstellen können.“ Der Bauplatz sei schließlich teuer erkauft, jetzt gelte es, ihn optimal zu nutzen. Baumann legte außerdem Wert darauf, dass die neue Feuerwache am Stadteingang „was Schönes“ wird. „Wir müssen was hinbauen, das passt“, unterstrich er die Notwendigkeit, auch die Architektur zu beachten.

Maas: Gut investiertes Geld

Heike Maas, Fraktionsvorsitzende von CSU/Wasserburger Block, beendete die Diskussion mit einem Appell, der sich dem Wunsch des Feuerwehrreferenten anschloss: Die Zeit sei reif für ein Ja zum Raumprogramm, damit die Stadt vorankomme. Alle seien sich einig, dass es eine Investition in die Zukunft darstelle - und in die Sicherheit, die von Feuerwehrlern garantiert werde, die im Ehrenamt jeden Tag einsatzbereit seien. Das Geld in die neue Wache sei gut investiert. Maas fand außerdem, es sei an der Zeit, den Einsatzkräften einmal danke zu sagen.

Timo Paul ist der neue Kommandant der Wasserburger Feuerwehr.
Timo Paul ist der neue Kommandant der Wasserburger Feuerwehr. © re

Kommandant ist „sehr zufrieden“

Kommandant der Wasserburger Feuerwehr, Timo Paul, gab den Dank im Gespräch mit der Wasserburger Zeitung an den Stadtrat zurück. „Ich bin sehr zufrieden mit dem Ergebnis der heutigen Sitzung“, sagte er nach der Beschlussfassung. Das beschlossene Raumprogramm würdige die bisherige Arbeit - auch der Vorgänger-Kommandantur - und die Leistungsbereitschaft sowie -stärke der Feuerwehr. Die Arbeit der kompletten Mannschaft werde wertgeschätzt von den politischen Entscheidungsträgern, zeigte sich der neue Kommandant überzeugt. Mit der Entscheidung für das Raumprogramm sei ein wichtiger Grundstein für das neue Haus gelegt worden, jetzt könne die nächste Phase beginnen. Paul hofft auf eine Einweihung spätestens im Jahr 2028. Die Mitarbeit der Feuerwehr im Arbeitskreis, der die Stadtratssitzung mit einem ebenfalls einstimmigen Beschluss vorbereitet hatte, bezeichnet der Kommandant als „sehr konstruktiv“. Fragen und Kritik sowie Anliegen der Aktiven seien ernst genommen worden.

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